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30.05.2017 13:26

Experteninterview zum neues Business Innovation Laboratory im HAW-Newsletter Mai 2017

Dr. Katharina Jeorgakopulos Presse und Kommunikation
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg

    Neues Business Innovation Laboratory macht Industrie 4.0 greifbar: Das Business Innovation Laboratory und das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Hamburg öffneten am bundesweiten Tag der Logistik ihre Türen am Campus Berliner Tor. Professoren und Mitarbeitende der HAW Hamburg stellten Vertreterinnen und Vertretern von großen und mittelständischen Unternehmen sowie Studierenden ein Logistiksystem der Zukunft vor: den neu entwickelten Demonstrator zum adaptiven Auftragsmanagement in Supply Chains. Im Interview erklären Logistikprofessor Dr. Henning Kontny und Wirtschaftsinformatiker Prof. Dr. Axel Wagenitz, was hier passiert.

    Warum gibt es nun auch ein Business Innovation Laboratory an der HAW Hamburg und welche Zwecke verfolgen Sie damit?

    Henning Kontny: Die Mission des BIL ist, einen integrierten Ansatz für Forschung, Lehre und Transfer zu entwickeln. Im Kern soll das Labor wissenschaftlich fundiert untersuchen, wie sich die Digitalisierung auf Innovationen in Prozess- und Geschäftsmodellen von Unternehmen auswirkt. Neben den Themen Innovation und Geschäftsmodelle sind die Beschäftigung mit Cyber-Physischen Systemen (CPS) und das Thema Industrie 4.0 Schwerpunkte des BIL.

    Wer finanziert das Business Innovation Lab?

    Henning Kontny: Die HAW Hamburg hat im Jahr 2015 Finanzmittel aus dem Hochschulpakt 2020 – dem so genannten Zukunftsfonds – bereitgestellt, um innovative Maßnahmen an der Hochschule zu fördern. Aus diesem Wettbewerb ist unser Projekt als einer der Sieger hervorgegangen. Das Gesamtprojekt wird mit einer Million Euro gefördert und setzt sich zusammen aus dem „Business Innovation Lab - BIL“ des Departments Wirtschaft sowie dem „Creative Space for Technical Innovations“ des Departments Informatik. In der Zwischenzeit konnte das BIL zahlreiche Kooperationen realisieren und Drittmittel einwerben.

    Welchen Wissensgewinn und Lerneffekt hat das Arbeiten im Labor für Studierende?

    Henning Kontny: Studierende können ihre wissenschaftlichen Arbeiten wie Hausarbeiten, Praxisprojekte, Bachelor- und Masterarbeiten in Kooperation mit dem BIL verfassen. Themen, die am BIL bearbeitet werden, sind außerdem Teil der Lehrveranstaltungen in den TBWL-Studiengängen des Departments Wirtschaft. Im Studiengang Wirtschaftsinformatik gab es darüber hinaus bereits ein Wahlmodul in Verbindung mit dem BIL. Mit dem Labor ist eine Organisation geschaffen worden, mit der das forschende Lernen als Teil der Kompetenzorientierung gut umgesetzt werden kann.

    Welchen Nutzen haben die beteiligten Unternehmen von der Forschung im Labor?

    Axel Wagenitz: Das Team des BIL ist interdisziplinär aufgestellt und besteht aus Marketing, Logistik- und IT-Experten, die über Wissen aus einer großen Zahl von Praxisprojekten verfügen: ein klarer Vorteil anwendungsorientierter Forschung an Fachhochschulen. So können am BIL tragfähige Konzepte für Unternehmen entwickelt werden.

    Die Konzepte können mit der von uns verwendeten und am BIL weiterentwickelten Software simuliert und dann als Pilotlösung vom Labor direkt ins Unternehmen transferiert werden. Risiko und Zeitbedarf für die Einführung der neuen Prozesse beziehungsweise einer IT sinken dabei deutlich.

    Die Basis bilden echte Unternehmensdaten, die in voller Komplexität getestet werden können, ohne die operativen Prozesse der Unternehmen zu stören. Dieser Aspekt ist uns besonders wichtig.

    Das BIL ist natürlich auch ein geeigneter Partner, um die Mitarbeiter in Unternehmen über Fragen zu Marketing, Logistik und IT aber auch Digitalisierung, Industrie 4.0, Innovations- und Change Management zu qualifizieren.

    Können Sie uns einen Demonstrator für adaptives Auftragsmanagement erklären?

    Axel Wagenitz: Die heutigen Abläufe in der Logistik werden umfangreich zentralisiert geplant. Während vielfach mit dem Begriff Logistik lediglich die Teilstrecke des Transports bezeichnet wird, schauen wir uns die gesamte Supply Chain beziehungsweise Logistikkette an, das heißt: Beschaffungs-, Produktions- und Distributionsaktivitäten in einer unternehmensübergreifenden Wertschöpfungskette. Planungen in der Logistikkette werden wegen ihres Umfangs relativ selten durchgeführt. Abweichungen und Störungen im System sind unvermeidlich. Treten sie auf, begegnet man ihnen mit manuellen und halbautomatischen Eingriffen. Dies wiederum sorgt für neue Abweichungen, möglicherweise an anderen Stellen des komplexen Logistikprozesses. Diese Kette sukzessiver Störungsbehebungen können wir dank Industrie 4.0 durchbrechen.

    Wie gelingt Ihnen das?

    Axel Wagenitz: Im Unterschied zu bisherigen zentralisierten und hierarchischen Planungskonzepten beschreiten wir im Rahmen von `Industrie 4.0-Lösungen´ nun neue Wege. Die Planungen erfolgen nicht mehr zentral in einem Rechner, sondern auf der Grundlage intelligenter Objekte wie Produkten, Packstücken, palletierte Einheiten. Und intelligenten Betriebsmitteln wie Maschinen, Transportsystemen, Lagerplätzen, die jeweils selbst Informationen verarbeiten und speichern können sowie über Sensoren und Aktoren mit ihrer direkten Umwelt verbunden sind. Sie können selbständige Entscheidungen treffen und umsetzen und sich mit anderen Objekten austauschen. Die Objekte sind also selbststeuernd. Es wird im Unterschied zu bisher dann von „heterarchischen“ statt hierarchischen Koordinationsstrukturen gesprochen. Technisch handelt es sich dann um cyber-physische Systeme. Dieser Wechsel von der Zentralperspektive zu ganz vielen kleinen Plänen ist der Kern der vierten industriellen Revolution.

    Stark vereinfacht tauschen wir einen großen, aufwändig optimierten Plan, der dann in der Praxis nicht durchgehalten werden kann, gegen sehr viele kleine Pläne – dies ist tatsächlich ein großer Schritt, da die bisherigen Prinzipien der Planung praktisch ins Gegenteil verkehrt werden und nun neue Denkweisen und Controlling-Mechanismen erforderlich werden. Die kleinen Pläne können wir nämlich nie als Ganzes einsehen. Wir können beobachten und teilweise nur mittelbar beeinflussen. Mit unserem Demonstrator wollen wir diesen Schritt für die Unternehmen nachvollziehbar machen und – besonders wichtig – erklären, warum neu tatsächlich besser ist.

    Warum heißt es „adaptives Auftragsmanagement“?

    Axel Wagenitz: Zugegeben, der Begriff wirkt zunächst sperrig. Wir sind der festen Überzeugung, dass es nicht ausreichend ist, Objekten nur mitzugeben, was sie zu tun haben. Also beispielsweise: „Transportiere gefertigte Produkte auf Lagerfläche X.“ Wir müssen ihnen auch mitteilen, warum sie das tun. Also: „Transportiere Teile für einen konkreten Kundenauftrag, die im direkten Anschluss in ein Endprodukt montiert werden.“ Die Informationen über das „Warum“ stehen im Auftrag. Das Transportmittel kann nun – wenn es diesen Auftrag kennt – bei einer Störung ermitteln, wen es über die Nichteinhaltung informieren muss. Da die Teile nicht montiert werden können, wird ein anderer Kundenauftrag vorgezogen. Der ursprüngliche Auftrag verzögert sich, der zuständige Mitarbeiter wird informiert und kann den Kunden kontaktieren. Das erklärt den Begriff „adaptiv“. Die Aufträge passen sich an die konkrete Situation an. Ein derartiges Auftragsmanagement machen wir mit dem Demonstrator erfahrbar – das ist ein Alleinstellungsmerkmal für unser Labor!

    Wie simulieren Sie die Veränderungen in Echtzeit bei der Supply Chain?

    Axel Wagenitz: Wir können bei Abweichungen innerhalb weniger Sekunden neu berechnen und quasi sofort nach ihrem Auftreten die Auswirkungen visualisieren. Im strengsten Sinne handelt es sich hierbei zwar nicht um Echtzeit – für unsere Zwecke ist der Begriff aber in dieser Weise geeignet.

    Um die komplexen Planungsabläufe in der Logistik moderner Produktionsunternehmen simulieren zu können, nutzen wir eine Software. Das Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML) entwickelte sie, um für die Supply-Chains der Automobilindustrie zu planen. Ein Vorteil dieser Software ist, dass sie nur die Berechnungsalgorithmen enthält und keinerlei „drum herum“. Damit erfüllt sie die Anforderungen, um auch auf Kleinstrechnern genutzt zu werden. Es ist uns hier am BIL gelungen, diese Software so anzupassen, dass sie auf kleinen und mobilen Geräten wie Smartphones lauffähig ist. Im BIL berechnen wir Pläne für einzelne logistische Objekte auf Endgeräten. Allerdings können wir bei diesen Plänen die auftretende Komplexität voll abdecken. Das ist eine wesentliche Eigenschaft unseres Ansatzes.

    Welche Vorteile hat dies?

    Axel Wagenitz: In einer „transparenten Supply-Chain“ erhalten Unternehmen immer eine Nachricht, wenn ein Behälter einen Kontrollpunkt passiert hat. Hundertausende solche Nachrichten werden täglich in der Logistik erzeugt.

    Im Gegensatz dazu sieht unser Modell einen Mini-Rechner an diesem Behälter vor, der beim Passieren eines Kontrollpunktes ermittelt, ob der Behälter im Zeitplan liegt. Eine Meldung wird nur erzeugt, wenn der Behälter verspätet ist. So vermeiden wir diese Menge an unnötigen Nachrichten. Mehr noch: Der Mini-Rechner am Behälter kann sogar Maßnahmen einleiten – beispielweise einen Sondertransport auslösen – um doch noch rechtzeitig den nächsten Transport zu erreichen.

    Weitere Informationen:
    Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fördert die digitale Transformation des Mittelstandes mit bundesweiten Kompetenzzentren. Als Konsortialpartner im Mittelstand-4.0-Kompetenzzentrum Hamburg ist das Business Innovation Lab der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (www.bil-hamburg.de) aktiv an der Gestaltung zukünftiger Produktions- und Arbeits- und Unternehmensprozesse beteiligt. Digitale Logistiksysteme sowie neue Geschäftsmodelle gehören zu den Schwerpunkten des Business Innovation Laboratory der HAW Hamburg, das aktuell 7 wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Sie bearbeiten konkrete Forschungs- und Transfer-Projekten. Dabei werden sie betreut von Prof. Dr, Henning Kontny, Prof. Dr. Axel Wagenitz, Prof. Dr. Rüdiger Weißbach und Prof. Dr. Andrea Zirm.

    Kontakt:
    Prof. Dr. Henning Kontny / Leiter des Departments Wirtschaft und Anprechpartner für: Business Innovation Laboratory (BIL) / Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Hamburg
    T +49 40 428 75 6954/55 / F +49 40 428 75 6999 / henning.kontny(@)haw-hamburg.de

    Link zum aktuellen Themendienst: https://www.haw-hamburg.de/themendienst/
    In der Kopfleiste besteht die Möglichkeit, den Newsletter zu abonnieren.

    Die weiteren Themen:

    - „Engineer of the Future“: HAW Hamburg unterschreibt Airbus-Vertrag

    - Internationales Symposium "Klingt gut 2017" - mit Gästen aus 24 Nationen

    - "Ein einzigartiger Studiengang" – Interview mit der indischen Familienwissenschaftlerin
    Aparajita Cowdhury (in Deutsch und Englisch)

    - 14. Studierendentagung des Life Science Nord Clusters

    - Erfolgsgeschichte: Zehn Jahre Masterstudiengang "Multichannel Trade Management in Textile Business"

    - Design, Medien und Information: Zahl der Studienanfänger um 65 Prozent gestiegen

    - Das beste deutsche „Maschinenhaus“ steht in Hamburg

    - 100 Jahre "Fachbereichstag Soziale Arbeit" – Senatsempfang zum Jubiläum

    - „Spielwiese für Ingenieure“ – ein Elektroauto für die Fahrzeugbauer

    - Verfahrenstechnik studieren, Produktentwicklerin werden


    Weitere Informationen:

    https://www.haw-hamburg.de/themendienst/
    https://www.haw-hamburg.de/themendienst/projekt-news-detail/artikel/neues-busine...


    Bilder

    Blick in das gerade eröffnete Business Innovation Laboratory (BIL) am Berliner Tor
    Blick in das gerade eröffnete Business Innovation Laboratory (BIL) am Berliner Tor
    Moritz Heitmann/HAW Hamburg
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
    Informationstechnik, Verkehr / Transport, Wirtschaft
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Studium und Lehre
    Deutsch


     

    Blick in das gerade eröffnete Business Innovation Laboratory (BIL) am Berliner Tor


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