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07.08.2003 09:42

Afrikapolitik braucht ein klares Profil

Dr. Frank Stäudner Kommunikation
Leibniz-Gemeinschaft

    Deutschland muss eigene Interessen formulieren - Institut für Afrika-Kunde rät zu konzertiertem Vorgehen

    HAMBURG. Die deutsche Afrikapolitik braucht einen neuen Schub. Was ihr fehlt, sind abgestimmte und aufgeklärten Interessen dienende Ziele. Mit verantwortlich für die aktuelle Orientierungslosigkeit ist, dass wesentliche Forschungsergebnisse ignoriert werden und dass konstruktive Vorschläge maßgeblicher Experten in den Schubladen verschwinden. Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen wie das zur Leibniz-Gemeinschaft gehörende Institut für Afrika-Kunde (IAK) in Hamburg versuchen standhaft, die Fahne einer breiter verstandenen Afrikanistik in Deutschland hochzuhalten und wollen damit einen Beitrag zur Verbesserung der deutschen Afrikapolitik leisten.

    Der verheerende Bürgerkrieg in Liberia macht es stellvertretend für Afrika deutlich - unser Nachbarkontinent ist weiter denn je von einer Stabilisierung entfernt. Die afrikanischen Staaten haben mit der "neuen Weltordnung", die sich nach 1989 entwickelte, den Rest strategischer Bedeutung verloren, die sie zuvor für die "Erste Welt" hatten. Der erhoffte Wandel hin zu Freiheit und Demokratie fand zwar vielerorts statt, doch diese Lichtblicke der neunziger Jahren haben sich angesichts neuer gewalttätiger Konflikte als extrem gefährdet oder schlicht als Fata Morgana entpuppt. Von Grundsicherung und Frieden ist man als Bewohner eines Staates südlich der Sahara oft ausgeschlossen. Da ist die Politik des Wegschauens, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten von der Öffentlichkeit, von Medien und Staaten betrieben wurde, nicht länger aufrecht zu erhalten.

    Nun gehört Entwicklungszusammenarbeit nicht eben zu den erfolgreichsten Kapiteln deutscher Politikgeschichte. Die notwendige Neuorientierung nach dem Ende des Kalten Krieges, der die Afrikapolitik über Jahrzehnte bestimmte, ist bis heute nur in Ansätzen erfolgt. So verwundert es wenig, dass Afrikawissenschaft von der Politik, den Geldgebern, aber auch den Hochschulen mehr als stiefmütterlich behandelt wird. Auf Hochschulebene beschränkt sich die Beschäftigung mit Afrika beinahe ausschließlich auf die Sprach- und Literaturwissenschaften. Bei der ohnehin bescheidenen Zahl von 37 afrikanistischen Professuren in Deutschland gibt es nur jeweils eine der Entwicklungssoziologie, eine der Politik und eine der Ökonomie Afrikas gewidmete Professur.

    Der deutschen Afrikapolitik fehle in erster Linie ein klares Profil, so Dr. Andreas Mehler, Leiter des IAK. Auswärtiges Amt (AA), Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und Bundesministerium für Verteidigung (BMVg) müssten sich an einen Tisch setzen und gemeinsam dem politischen Handeln eine eindeutige Richtung geben anstatt sich auf einen Minimalkonsens zu einigen. Die zunehmend geforderte und auch gewollte internationale Zusammenarbeit, insbesondere im Rahmen der Europäischen Union, verlangt nach einer gemeinsamen Zielsetzung. Der erste Schritt dazu müsse aber zunächst auf nationaler Ebene getan werden. Die laufenden Programme und Grundsätze von BMZ und AA, wie z. B. bei der Selektion von Partnerländern, bei der sicherheitspolitischen Frühwarnung, beim Umgang mit zerfallenden Staaten und bei der Teilnahme an multilateralen Initiativen, müssten aufeinander abgestimmt werden; ähnlich wie dies jüngst bei der Ausarbeitung des deutschen Beitrags zum G8-Aktionsplan für Afrika gelaufen ist. Mehler ermutigt dazu, die eigenen Interessen in Afrika wahrzunehmen und auch deutlich zu formulieren. Die Berücksichtigung ökologischer Aspekte, wie die Abholzung des tropischen Regenwaldes ist genauso im deutschen Interesse wie die Terrorismusprävention; im Einzelfall bestehen aber auch konkrete wirtschaftliche Interessen, die es zu fördern gilt.

    Die Grundprobleme seien, so Mehler weiter, eingeschränktes Wissen und eine falsche Einschätzung der Probleme des Kontinents. Der unter den zuständigen deutschen Behörden verbreitete überschwängliche Optimismus sei wenig hilfreich. Was Not tue, sei eine realistische Einschätzung der Gegebenheiten und des Machbaren. Ohne sie könne eine Ziel- und Strategiefindung nicht stattfinden. Andreas Mehler: "Zuerst muss man die Grundannahme, man selbst und der afrikanische Partner teile ein gemeinsames Interesse an "Entwicklung", kritisch hinterfragen". Den zuständigen deutschen Behörden sind die Risiken der Entwicklungszusammenarbeit bekannt, die aus den herrschenden politischen Verhältnissen in vielen afrikanischen Staaten resultieren. Strafmaßnahmen bei Missbrauch von Fördermitteln, etwa als "Rente" für einzelne Staatsträger, seien aber nicht vorgesehen. In einem solchen Fall müssten aber Konsequenzen bis hin zur sofortigen Aussetzung der Förderung zur Selbstverständlichkeit werden.

    Zumindest versuche das AA mittlerweile, sich ein differenzierteres und realistischeres Bild von der Lage in Afrika zu verschaffen, räumt Andreas Mehler ein. So genannte Subregionalkonzepte sollen eine genauere Einschätzung der Lage in einzelnen Teilen des Kontinents möglich machen. Mehler: "Diese Berichte sind allerdings an vielen Stellen noch unpräzise und zu wenig kritisch." Praktikable Lösungsvorschläge müssten über die bloße Analyse der aktuellen Verhältnisse in den Regionen hinausweisen. Die Inkohärenz der Papiere ist für Mehler ein weiteres Indiz dafür, dass die Bedeutung der Afrikapolitik immer noch unterschätzt wird.

    So erklärt sich auch, dass die öffentliche Förderung für den aktualitätsbezogenen, sozialwissenschaftlichen Forschungsbereich der Afrikanistik sehr knapp ausfällt - angesichts der gesellschaftlichen Relevanz des Themas eine äußerst zweifelhafte Politik. Trotz der Probleme, denen sich dieser relativ kleine Wissenschaftsbereich ausgesetzt sieht, finden seine Forschungsergebnisse doch im Ausland einige Beachtung. Im Rahmen des Netzwerkes europäischer Afrika-Institute wird von Seiten des Hamburger IAK stets an Kooperationen gearbeitet. Auch die Durchführung von internationalen Fachkonferenzen soll einen Beitrag dazu leisten, den "vergessenen Kontinent" in das Bewusstsein der Forschung, der Bürger und des Staates zurückzuholen - nicht zuletzt, um Ansatzpunkte zum Handeln zu liefern.

    Kontakt:
    Dr. Andreas Mehler
    Institut für Afrika-Kunde
    im Deutschen Übersee-Institut
    Neuer Jungfernstieg 21
    20354 Hamburg
    Telefon: 0 40/4 28 25-523
    Fax: 0 40/4 28 25-511
    E-Mail: mehler@iak.duei.de

    Kontakt Leibniz-Gemeinschaft:
    Dr. Frank Stäudner
    Telefon: 0 30/ 20 60 49 42
    Fax: 0 30/ 20 60 49 55
    E-Mail: staudner@wgl.de

    Das IAK im Deutschen Übersee Institut (DÜI) gehört zu den 80 außeruniversitären Forschungsinstituten und Serviceeinrichtungen für die Forschung der Leibniz-Gemeinschaft. Das Spektrum der Leibniz-Institute ist breit und reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften und Museen mit angeschlossener Forschungsabteilung. Die Institute beschäftigen rund 12.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und haben einen Gesamtetat von 950 Millionen Euro. Sie arbeiten nachfrageorientiert und interdisziplinär und sind von überregionaler Bedeutung. Da sie Vorhaben im gesamtstaatlichen Interesse betreiben, werden sie von Bund und Ländern gemeinsam gefördert. Näheres unter: www.leibniz-gemeinschaft.de.


    Weitere Informationen:

    http://www.duei.de
    http://www.wgl.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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