Gerichtsmediziner untersuchten Gräser- und Pflanzenpollen aus den Nasenhöhlen von Skeletten eines 1994 in Magdeburg bei Bauarbeiten entdeckten Massengrabes. Die Ergebnisse wurden jetzt im britischen Wissenschaftsmagazin NATURE veröffentlicht.
Wissenschaftler im Institut für Rechtsmedizin an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg erschlossen eine klassische Methode der Biologie, der Pollenanalyse, ein neues Anwendungsgebiet und berichteten darüber in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins NATURE (01. Oktober 1998).
Die Pollenanalyse, traditionell eingesetzt zur Erforschung der Vegetationsgeschichte der Erde sowie auf weiteren Gebieten der paläontologischen Forschung, war bisher noch nicht angewandt worden. Der Todeszeitpunkt eines Verstorbenen ist bei den Ermittlungen zur Aufklärung von Sachverhalten, die mit den Todesursachen im Zusammenhang stehen, meist von zentraler Bedeutung.
In einer systematischen Untersuchung wurde zunächst die Arbeitshypothese bestätigt, wonach das aktuell eingeatmete Pollen-Artenspektrum exakt mit dem jahreszeitlich wechselnden Pollenemissionsspektrum der heimischen Flora übereinstimmt. Der Pollenflug wird von einem dichten Netz von Pollenbeobachtungsstationen gemessen und in Pollenflugkalendern registriert. Der nahezu störungsfreie Zusammenhang zwischen Pollenartenspektrum in der Nase und den Daten des Pollenflugkalenders wurde durch eine Promotionsarbeit (Christoph Schubert, 27 Jahre) bestätigt. Danach kann der in der Nase eines Toten vorgefundene Pollen Auskunft über den Todeszeitpunkt geben.
Nach der Bestätigung der Arbeitshypothese wurde die Pollenanalyse eingesetzt, um Erkenntnisse über ein Massengrab mit den Skeletten von 32 ermordeten jungen Männern zu erlangen. Das Grab befand sich auf einem Gelände, das bis zum Kriegsende von der Gestapo, danach von der sowjetischen GPU besetzt war. Bisher stand zur Diskussion, daß das Verbrechen entweder zum Ende des Zweiten Weltkrieges von den Nazis oder im Anschluß an den 17. Juni 1953 von der GPU an den eigenen Soldaten ausgeführt worden wäre.
Die Pollenanalyse erbrachte, daß in den Nasenhöhlen von sieben Schädeln ein Pollenartenspektrum zu finden war, das von Pflanzen stammt, die im Juni bis Juli, aber nicht zur Zeit des Kriegsendes (April bis Mai) blühen. Das waren zum Beispiel Wegerich, Eiche, Linde und Gräser. Wie der Leiter dieser Studie, Professor Dr. Reinhard Szibor, feststellt, stützt der Befund somit die zweitgenannte Hypothese und zeigt zugleich, daß die Pollenanalyse eine wertvolle Ergänzung der Methoden zur Todeszeitbestimmung darstellt.
Weitere Auskünfte erteilt gern: Prof. Dr. Reinhard Szibor, Institut für Rechtsmedizin, Tel. 0391/ 67 15812 Fax 0391/ 67 15810, e-mail: reinhard.szibor@medizin.uni-magdeburg.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Geschichte / Archäologie, Medizin
überregional
Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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