idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
14.06.2017 15:43

Promotionen in Kooperation mit der Industrie („Kuckucksei“-Promotionen)

Dr. Nicole Saverschek TU9 Hauptstadtbüro
TU9 German Institutes of Technology

    Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft der Technischen Universitäten (ARGE-TU)

    Das Recht zur Promotion liegt - aus guten Gründen - nur bei den Universitäten und den ihnen gleichgestellten Hochschulen und wird von den zuständigen Fakultäten wahrgenommen. Die Betreuung von Promotionen erfolgt durch besonders befähigte Professorinnen und Professoren. Diese wählen die jeweils Bestgeeigneten aus und vergeben die Promotionsthemen. Die Promotionsverfahren unterliegen einer strengen Qualitätssicherung durch die Fakultäten und Hochschulleitungen. Vor diesem Hintergrund ist es irritierend, dass in jüngerer Zeit vermehrt Personalmanager aus der Wirtschaft das Promotionsversprechen als nützliches Werbeinstrument entdeckt haben: In zahlreichen Stellenausschreibungen wird mit der Möglichkeit zur Promotion geworben, dabei wird verschleiert, dass die Abnahme der Promotion bei einer Hochschule liegen muss und die Betreuungssituation für den Bewerber/die Bewerberin oft ungeklärt ist.

    Besonders deutlich wird die Unsitte der „Kuckucksei-Promotion“, wenn - zumeist international tätige - Firmen in Deutschland eigene „Promotionsprogramme“ ausschreiben, d.h. mit der Möglichkeit zur Promotion gezielte Bewerberansprachen betreiben. Die Dissertationsthemen werden dabei firmenseitig und ohne Absprache mit einer akademischen Betreuerin oder einem akademischen Betreuer vergeben, obschon eine Erwartungshaltung nicht nur hinsichtlich der Betreuung, sondern auch der Durchführung des Promotionsverfahrens an der promovierenden Fakultät besteht [1].

    Mit Geheimhaltungsklauseln versuchen Firmen zudem häufig eine Veröffentlichung der für die Dissertationen existentiellen Daten und Quellen zu verhindern, obgleich der Diskurs die Prämisse der Wissenschaft ist. Die „betreuende" Professorin bzw. der „betreuende“ Professor befinden sich in einem Zwiespalt zwischen akademischen Vorgaben und der Karriere des betroffenen Promovierenden. Institute, Lehrstühle und Hochschulen, die nicht bereit sind, zu diesen Rahmenbedingungen zu promovieren, werden zudem bei der Vergabe von Drittmittelprojekten ausgegrenzt. In ähnlicher Weise verfahren Firmen i. Ü. bei Diplom- und Masterarbeiten.

    Diese Praxis ist nach Auffassung der Arbeitsgemeinschaft der Technischen Universitäten (ARGE-TU) und den hier vertretenen Hochschulen nicht hinnehmbar. Die Universitäten und die ihnen gleichgestellten Hochschulen sind qua Gesetz die alleinigen Träger des Promotionsrechts; sie allein verantworten das Promotionsrecht. Deshalb ist es auch in diesem Kontext unverzichtbar, dass die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis auch und insbesondere von den Partnern aus der Wirtschaft eingehalten werden, insbesondere folgende Regeln:

    1. Die Zulassung zur Promotion obliegt rechtlich und tatsächlich allein der das Promotionsverfahren durchführenden Fakultät. Dies betrifft namentlich die Begründung des Doktorandenstatus.

    2. Das Thema der Dissertation wird im Einvernehmen von Doktorand/in und Hochschullehrer/in vereinbart und nicht durch externe Partnerinnen und Partner vorgegeben. Letzteren ist es unbenommen, Themen einer promotionsberechtigten Hochschule bzw. deren Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern zur Bearbeitung in einer Dissertation vorzuschlagen. Die firmenseitige Vergabe von Dissertationsthemen ist rechtlich ebenso wenig tolerabel wie das Ansinnen an die Teilnehmer eines firmeninternen „Promotionsprogramms“, sich Betreuer für firmenseitig vorgegebenen Dissertationsthemen an einer promotionsberechtigten Hochschule zu suchen.

    3. Wissenschaftliche Erkenntnisse müssen einer Überprüfung Dritter standhalten; in einer zudem auf Diskurs angelegten Wissenschaft sind Geheimhaltungsverpflichtungen im Hinblick auf eine Dissertation, deren Daten und Fakten, grundsätzlich nicht denkbar.

    Wir, die promotionsberechtigten Hochschulen der Arbeitsgemeinschaft der Technischen Universitäten, sind nicht bereit uns sprichwörtlich „Kuckuckseier“ in unser Nest legen zu lassen. Wir werden in jedem Einzelfall prüfen, ob die Verbindung einer spezifischen Stellenausschreibung mit einem Promotionsversprechen einer Vortäuschung falscher Tatsachen entspricht. Geheimhaltungsvorschriften können nur in einem Rahmen akzeptiert werden, die den Grundsätzen guter wissenschaftlicher Praxis nicht zuwiderlaufen. Wir sind die Garanten dafür, dass Promotionsverfahren den akademischen Standards entsprechen.

    Kooperationen mit der Wirtschaft sind für uns von besonderer Bedeutung und können, wie die Vergangenheit zeigt, beidseitig sehr bereichernd sein. Dies gilt ebenfalls, im Rahmen unserer Möglichkeiten und Grundsätze, für Promotionen in Kooperation mit der Industrie. Hier muss jedoch ausnahmslos gelten, dass die Ausschreibung entsprechender Stellen durch die Unternehmen erst im Anschluss an klare Absprachen mit den Hochschulen erfolgen kann.

    Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Bereich der Promotion rufen wir unsere Partner in der Wirtschaft auf, zum Wohle der Entwicklung unserer Wissensgesellschaft die akademischen Standards zu respektieren.

    Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Jürgen Prömel Prof. Dr. med. Wolfgang Schareck
    Sprecher ARGE-TU Vizesprecher ARGE-TU
    TU9-Präsident

    [1] Siehe hierzu auch die DHV-Resolution „Die Industriepromotion – Regeln guter wissenschaftlicher Praxis“, https://www.hochschulverband.de/fileadmin/redaktion/download/pdf/resolutionen/In....

    Kontakt
    Dr. Nicole Saverschek (Geschäftsführerin TU9)
    TU9 - German Institutes of Technology e.V.
    Anna-Louisa-Karsch-Straße 2
    10178 Berlin
    Telefon: 0049(0)30 27 87 47 680
    E-Mail: presse@tu9.de


    Weitere Informationen:

    http://www.tu9.de/presse/presse_7066.php
    http://www.tu9.de/tu9/7068.php


    Bilder

    Anhang
    attachment icon TU9-Positionspapier zusammen mit der ARGE-TU - Promotionen in Kooperation mit der Industrie (06/2017)

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    jedermann
    fachunabhängig
    überregional
    Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).