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22.06.2017 11:45

Neurowissenschaft: Die Karte im Kopf

Raffaela Römer Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Wollen sich Ratten in einer neuen Umgebung orientieren, erschaffen sie mithilfe spezialisierter Gehirnzellen eine mentale Karte von ihrem Umfeld. Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum haben untersucht, ob die Tiere sich dabei eher auf das verlassen, was sie sehen, oder auf ihren Orientierungssinn.
    Die Ergebnisse zeigen, dass Ratten in verschiedenen Lernphasen unterschiedliche Strategien anwenden. In neuen Situationen zum Beispiel verließen sich die Tiere lieber auf ihre Augen als auf ihren Orientierungssinn, stellten die Forscher fest.

    Das Team um die Neurophysiologin Prof. Dr. Denise Manahan-Vaughan und den Neuroinformatiker Prof. Dr. Laurenz Wiskott veröffentlichte seine Ergebnisse in der Fachzeitschrift Frontiers of Behavioral Neuroscience.

    „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Ratten in verschiedenen Lernphasen unterschiedliche Strategien anwenden, um eine räumliche Repräsentation zu erschaffen“, erklärt Doktorand Abdelrahman Rayan, einer der Autoren der Studie. In neuen Situationen zum Beispiel verließen sich die Tiere lieber auf ihre Augen als auf ihren Orientierungssinn, stellten die Forscher fest.

    Ausgetrickst für die Forschung

    Um das herauszufinden, mussten die Wissenschaftler die Nagetiere zuerst austricksen. Sie präsentierten den Ratten zwei identische um 180 Grad rotierte Kammern, die durch einen Gang verbunden waren, der zunächst jedoch durch eine Barriere versperrt war. Für die Nager sollte der Eindruck entstehen, dass es sich bei den beiden Kammern um ein und denselben Raum handelte. Dieser Effekt wurde unterstützt, indem die Forscher Leuchtmarkierungen an denselben Stellen in beiden Kammern anbrachten.

    Die Tiere durften die Kammern nur in völliger Dunkelheit erkunden – lediglich die Leuchtmarkierungen waren weiterhin sichtbar. Dabei zeichneten die Wissenschaftler die Aktivität der sogenannten Ortszellen im Gehirn der Nagetiere auf. Diese Zellen feuerten in beiden Kammern im selben Muster – die Ratten benutzten also für beide Räume dieselbe mentale Karte und verließen sich dabei auf die visuellen Reize durch die Leuchtmarkierungen.

    Mechanismus auch bei Menschen bekannt

    Im zweiten Schritt des Experiments entfernten die Wissenschaftler die Barriere zwischen den beiden Kammern, sodass die Ratten nun zwischen den beiden Kammern hin und her laufen konnten. So merkten sie, dass es zwei unterschiedliche rotierte Räume gab. Die Forscher interessierte nun, anhand welcher Kriterien die Ratten lernen, die beiden Räume voneinander zu unterscheiden.

    Da sie im Dunkeln und ohne Hilfe von Geräuschen oder Gerüchen agieren mussten, konnten sich die Tiere nur an den fluoreszierenden Markierungen orientieren oder sich auf ihren inneren Orientierungssinn verlassen. Wissenschaftler nennen diesen inneren Orientierungssinn idiothetische Orientierung.

    Im Gegensatz zu der Navigation mit Hilfe äußerer Reize arbeitet das Gehirn bei der idiothetischen Orientierung mit selbstgenerierten Informationen durch die Eigenbewegung des Körpers. Dabei errechnet es anhand von früheren Erlebnissen und Bewegungen, wo sich die Ratte gerade befindet. Dieselbe Art der Orientierung hilft auch uns Menschen, im Dunkeln durch die Wohnung zu laufen, ohne über Gegenstände zu stolpern.

    Aktivität der Hirnzellen änderte sich

    Während die Ratten zwischen den beiden Versuchskammern hin und her laufen konnten, orientierten sie sich zunächst weiter an den Leuchtmarkierungen in den Räumen. Das war daran zu sehen, dass sich die Aktivität ihrer Ortzellen nicht veränderte – die mentalen Karten blieben gleich. Erst nachdem die Ratten an mehreren Tagen beide Kammern erkundet hatten, war zu sehen, dass sich die Aktivität der Ortszellen änderte.
    Mit fortschreitender Erfahrung lernten die Ratten also, beide Kammern anhand idiothetischer Informationen auseinander zu halten, obgleich die fluoreszierenden Markierungen in den beiden Räumen weiterhin identisch waren.

    Förderung

    Die Studie wurde im Rahmen des neurowissenschaftlichen Sonderforschungsbereiches 874 durchgeführt, der seit 2010 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird. Der interdisziplinär arbeitende Forscherverbund untersucht an der Ruhr-Universität Bochum in mehreren Teilprojekten, wie Sinneseindrücke im Gehirn verarbeitet werden.

    Originalveröffentlichung

    Fabian Draht, Sijie Zhang, Abdelrahman Rayan, Fabian Schönfeld, Laurenz Wiskott, Denise Manahan-Vaughan: Experience-dependency of reliance on local visual and idiothetic cues for spatial representations created in the absence of distal information, in: Frontiers in Behavioral Neuroscience, 2017, DOI: 10.3389/fnbeh.2017.0009

    Pressekontakt

    Prof. Dr. Denise Manahan-Vaughan
    Abteilung für Neurophysiologie
    Medizinische Fakultät
    Ruhr-Universität Bochum
    Tel.: 0234 32 22042
    E-Mail: denise.manahan-vaughan@rub.de

    Foto

    Ein Pressefoto zum Download finden Sie hier: http://news.rub.de/presseinformationen/wissenschaft/2017-06-22-neurowissenschaft...

    Angeklickt

    - Zum Paper: http://journal.frontiersin.org/article/10.3389/fnbeh.2017.00092/full
    - Zum Sonderforschungsbereich: http://www.ruhr-uni-bochum.de/sfb874/

    Text: Judith Merkelt


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

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