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20.07.2017 11:53

Bluthochdruck bei Kindern - die unterschätzte Gefahr

Giulia Roggenkamp Pressestelle
Stiftung Kindergesundheit

    Die Stiftung Kindergesundheit informiert über die aktuellen Risiken der Jugendjahre für die spätere Gesundheit

    Hoher Blutdruck ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für die Entstehung der Arteriosklerose und ihrer gefährlichen Folgen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Durchblutungsstörungen sowie für das Entstehen eines chronischen Nierenversagens. Das Tückische am Hochdruck („Hypertonie“) ist, dass er oft lange Zeit keine Beschwerden bereitet und deshalb häufig viel zu spät erkannt und behandelt wird.

    Dabei kommt hoher Blutdruck heute auch bei Kindern immer häufiger vor, stellt die Stiftung Kindergesundheit in einer aktuellen Stellungnahme fest. Schuld an der besorgniserregenden Entwicklung sind vor allem Übergewicht, Bewegungsmangel und offenbar auch die intensive Nutzung des Internets.

    „Früher galt eine Hypertonie im Kindesalter als eine seltene Erkrankung“ berichtet die Münchner Kinder- und Jugendärztin PD Dr. med. Bärbel Lange-Sperandio. „Am ehesten betroffen waren Kinder mit angeborenen Erkrankungen der Nieren, des Herzens und der Blutgefäße. Daneben gab es seltenere Fälle, bei denen die Ursache Störungen des Hormonhaushalts oder eine familiären Belastung waren. Seit einiger Zeit wird jedoch auch bei Kindern, die nicht unter derartigen organischen Erkrankungen leiden, immer öfter ein erhöhter Blutdruck diagnostiziert. Die Erklärung liefert dann die Waage: Die meisten dieser Kinder sind zu dick“, so Leiterin der Abteilung für Pädiatrische Nephrologie im Dr. von Haunerschen Kinderspital der LMU München.

    Woran erkennt man einen hohen Blutdruck?
    Die frühzeitige Diagnose des hohen Blutdrucks ist schon bei Erwachsenen ein großes Problem und bei Kindern erst recht, betont die Expertin der Stiftung Kindergesundheit. Der hohe Blutdruck verursacht im Anfangsstadium kaum Beschwerden und besonders im Kindesalter fehlen die Symptome manchmal völlig. „Die Hypertonie tut nicht weh. Das Kind fühlt sich nicht krank und macht auch keinen kranken Eindruck“, erläutert PD Dr. Bärbel Lange-Sperandio. „Deshalb bleibt selbst ein massiv erhöhter Blutdruck eines Kindes häufig über lange Zeit unbemerkt. Nur selten geben Kopfschmerzen, Schwindel, Nasenbluten, Ohrgeräusche (Tinnitus), schnelle Ermüdbarkeit oder Schlafstörungen dem Kinder- und Jugendarzt einen Hinweis auf den bestehenden Hochdruck“.

    Studien haben gezeigt, dass die Höhe des Blutdrucks in Kindheit und Jugend die Entwicklung von Bluthochdruck im Erwachsenenalter maßgeblich beeinflusst, betont die Stiftung Kindergesundheit. Bei längerem Bestehen kann die Hypertonie Gefäße und Organe des Kindes schädigen. Wird sie nicht behandelt, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, schon im jungen Erwachsenenalter an Herz oder Nieren zu erkranken oder einen Schlaganfall zu erleiden. Die „European Society of Hypertension“ ESH empfiehlt deshalb, dass Kinderärzte und Hausärzte den Blutdruck ab dem 3. Lebensjahr bei allen Kindern und Jugendlichen regelmäßig kontrollieren sollten.

    Bei besonders gefährdeten Kindern muss der Blutdruck häufiger gemessen werden, empfiehlt die Stiftung Kindergesundheit. Dazu zählen Kinder mit Übergewicht, Kinder mit einem erhöhten Blutfettspiegel, Kinder, in deren Familie hoher Blutdruck gehäuft vorkommt, sowie Kinder, deren Eltern schon vor dem 60. Lebensjahr einen Herzinfarkt oder vor dem 70. Lebensjahr einen Hirnschlag erlitten haben.

    Wie wird der Blutdruck bei Kindern gemessen?
    Am gebräuchlichsten ist die Messung mit einer aufblasbaren Gummimanschette am Oberarm, bei kleineren Kindern auch am Unterschenkel. „Leider lässt sich der richtige Blutdruck bei Kindern wesentlich schwieriger ermitteln als bei Erwachsenen“, erläutert PD Dr. Bärbel Lange-Sperandio: „Umfang und Länge der Oberarme sind bei Kindern unterschiedlich und der Kinder- und Jugendarzt muss verschieden breite Druckmanschetten benutzen. Bei unruhigen und schreienden Kindern fallen die Messwerte oft zu hoch aus. Deshalb braucht der Arzt viel Geduld und meistens auch die Hilfe der Mutter. Bei einem verdächtigen Befund muss die Messung mehrere Male wiederholt werden“.

    Wie wird der hohe Blutdruck heute behandelt?
    An erster Stelle stehen Maßnahmen zur Veränderung des Lebensstils, vor allem eine Verringerung des Übergewichts, betont die Stiftung Kindergesundheit mit großem Nachdruck. Die wichtigsten Empfehlungen zur Umstellung der Ernährung lauten: Getränke, Brot, Getreide und Getreideflocken, Kartoffeln, Reis, Gemüse und Obst sollten reichlich verzehrt werden, Milch und Milchprodukte, Fleisch und Wurst sowie Fisch und Eier mäßig, Öle und Fette sowie Salz nur sparsam. Getränke mit hohem Zuckergehalt, wie Limonaden und Colagetränke, „Energy-drinks“, aber auch unverdünnte Fruchtsäfte sollten gemieden, Leitungswasser bevorzugt werden.

    „Besonders wichtig ist auch eine Verbesserung der körperlichen und seelischen Kondition der Kinder und Jugendlichen durch intensive, tägliche Bewegung, mindestens 60 Minuten am Tag“, hebt PD Dr. Bärbel Lange-Sperandio hervor. Nach aktuellen Daten des Robert-Koch-Instituts sind in Deutschland mittlerweile nur noch 27,5 Prozent, also nur etwas mehr als ein Viertel der Kinder und Jugendlichen zwischen 3 und 17 Jahren täglich mindestens 60 Minuten körperlich aktiv. Durch zu wenig Bewegung steigt aber das Risiko für Fettsucht und Bluthochdruck. In einer Studie im Rahmen der EU-Studie IDEFICS haben spanische Forscher um Dr. Augusto de Moraes mit tragbaren Akzelerometern mehrere Tage lang die körperliche Aktivität von 5.221 Kindern erfasst und die gewonnenen Daten mit den zwei Jahre später gemessenen Blutdruckwerten in Beziehung gesetzt. Das Ergebnis: Kinder, die sich weniger als 60 Minuten am Tag bewegt hatten, entwickelten zu 53 Prozent häufiger einen erhöhten Blutdruck.

    Für die Behandlung des hohen Blutdrucks steht eine Reihe von Medikamenten („Antihypertensiva“) zur Verfügung, die prinzipiell auch bei Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden können. Die meisten Medikamente gegen Hochdruck sind gut verträglich und bei Kindern und Jugendlichen ebenso effektiv wie bei den Erwachsenen.

    Sie müssen allerdings meist auf Dauer und mit großer Zuverlässigkeit eingenommen werden, unterstreicht die Stiftung Kindergesundheit. Mit der notwendigen Therapietreue (auch „Compliance“ oder „Adhärenz“ genannt) hapert es jedoch oft bei Erwachsenen wie bei Kindern.

    Wischen, bis der Arzt kommt?
    Als weiteren Übeltäter für Übergewicht und Bluthochdruck haben internationale Studien die intensive Nutzung von Bildschirmmedien und des Internets ausgemacht. Sie hat nachweisliche Auswirkungen auf das Körpergewicht der Kinder, berichtete jüngst Professor Dr. Wolfgang Ahrens vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie Bremen auf einem Symposium der Stiftung Kindergesundheit in München.

    Die von seinem Institut koordinierte IDEFICS-Studie untersuchte bei über 11.000 Kindern in acht europäischen Ländern die Zusammenhänge zwischen Ernährung, Lebensstil und sozialen Determinanten und der Entwicklung von Übergewicht bei zwei- bis neunjährigen Kindern. Das Ergebnis: Mit jeder zusätzlichen Stunde, die ein Kind am Tag vor dem Fernseher verbrachte, erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit um 22 Prozent, zur Gruppe mit Übergewicht zu gehören. Diese Gefahr wuchs um 33 Prozent, wenn das Fernsehgerät im Kinderzimmer stand und um 22 Prozent, wenn auch während des Essens ferngesehen wurde.

    Den Einfluss von Smartphones auf Übergewicht und Blutdruck nahmen Gesundheitsforscher in Detroit (US-Bundestaat Michigan) unter die Lupe. Dr. Andrea Cassidy-Bushrow und ihre Kollegen haben 335 Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren nach ihrer Internet-Nutzung gefragt und die Angaben mit den Blutdruckwerten in Beziehung gesetzt. Die Fragen betrafen unter anderen das Versenden von Mails, den Besuch von Webseiten, das Herunterladen von Software, das Einkaufen, das Spielen mit Games, aber auch das Erledigen von Hausaufgaben.

    Ein intensiver Internetkonsum (heavy Internet use) war definiert als eine Nutzung von mehr als zwei Stunden am Tag. Als „moderat“ galten weniger als zwei Stunden pro Tag an fünf Tagen in der Woche und als „leichte“ Nutzung wurden weniger als zwei Stunden am Tag an weniger als vier Tagen angesehen. Als „schwere“ User stellten sich 134 Jugendliche heraus. Unter ihnen fanden sich 26 Probanden mit einem für ihr Alter zu hohem Blutdruck. Eine Hypertonie trat in dieser Gruppe 3,25-mal häufiger auf als bei Teenagern mit einer leichteren Mediennutzung.

    Zu viel Surfen macht außerdem dick: Unter den intensiven Internet-Usern gab es 43 Prozent Übergewichtige im Vergleich zu 26 Prozent der „leichten“ Nutzern des Netzes.

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Ernährung / Gesundheit / Pflege
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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