idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
26.07.2017 09:37

„Generation Y“: individualistisch, aber nicht unsolidarisch

Rainer Jung Abt. Öffentlichkeitsarbeit
Hans-Böckler-Stiftung

    Studie untersucht Beschäftigte unter 35

    „Generation Y“: individualistisch, aber nicht unsolidarisch – Hohe Wertschätzung, aber relativ wenig Engagement für Mitbestimmung

    Wie wollen junge Menschen arbeiten? Welche Ansprüche stellen sie als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? Und wie wichtig ist ihnen Mitsprache und Mitbestimmung im Job? Die sogenannte „Generation Y“, also die zwischen 1980 und 1999 Geborenen, sei vor allem an Selbstverwirklichung und Freizeit interessiert, lautet ein gängiges Vorurteil. Doch das stimmt so nicht, zeigt eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie von Dr. Sarah Nies und Dr. Knut Tullius*.

    Die Wissenschaftler vom Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF München) und vom Soziologischen Forschungsinstitut (SOFI) an der Universität Göttingen haben die Interessen und Beteiligungsansprüche jüngerer Beschäftigter untersucht. Dazu werteten sie ausführliche Interviews mit insgesamt 34 abhängig Beschäftigten unter 35 Jahren in verschiedenen Branchen aus, die zu einem größeren Forschungsprojekt gehören. Dabei zeigt sich: Die jungen Arbeitnehmer verfügen über einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und Solidarität. Sie wollen am Arbeitsplatz mitentscheiden, vor allem im Team oder in ihrer Abteilung. Und sie halten betriebliche oder gewerkschaftliche Interessenvertretungen für notwendig.

    In vielen Punkten unterschieden sich die jüngeren gar nicht wesentlich von älteren Beschäftigten – ein grundlegender Wertewandel sei bezogen auf Arbeit und Betrieb nicht erkennbar, schreiben die Wissenschaftler. Eine Besonderheit stellen sie aber doch fest: Die unter 35-Jährigen berichten fast durchweg von einem holprigen, durch Krisen geprägten Einstieg in die Arbeitswelt. In ihren wenigen Berufsjahren haben sie mehrere (Wirtschafts-)Krisen erlebt, verbunden mit Entlassungen und Umbrüchen in den Betrieben. Viele von ihnen mussten von Beginn an mit prekären oder befristeten Beschäftigungsverhältnissen umgehen.

    Diese weit verbreitete Erfahrung hat Spuren hinterlassen: Die Wissenschaftler stellen eine „gewisse Anspannung“ unter den jungen Beschäftigten fest. Bei vielen habe sich – trotz großer Anpassungsfähigkeit – ein Gefühl der Unsicherheit festgesetzt, das selbst dann noch anhält, wenn sie eine unbefristete Vollzeitstelle gefunden haben. Die Folge: Aus Angst um den Arbeitsplatz trauten sich viele nicht, gerechtfertigte Forderungen zu stellen oder Grenzen zu setzen, so die Forscher. Die älteren Beschäftigten leiden zwar genauso unter den Krisen der jüngsten Zeit, aber sie können häufig Selbstbewusstsein aus früheren, „besseren“ Zeiten ihres Berufslebens ziehen.

    Auffällig sei auch, dass die Jüngeren eher bereit sind, Entscheidungen der Unternehmensführung zu akzeptieren, die mit „Sachzwängen“ oder „Anforderungen des Marktes“ begründet werden. Möglicherweise habe „die Durchsetzung von Wettbewerb und Marktprinzipien auf allen gesellschaftlichen Ebenen ihre Spuren in den Köpfen der jungen Generation hinterlassen“, schreiben die Wissenschaftler. Außerdem sei das Wissen um Arbeitnehmerrechte nur schwach ausgeprägt. Gleichwohl seien die jüngeren Beschäftigten lernfähig – mit zunehmender Erfahrung wachse die kritische Distanz. Betriebsräte könnten diesen „Lernprozess“ unterstützen, indem sie „nicht nur über formelle Rechte aufklären, sondern Austausch ermöglichen und Orientierung“ bieten.

    Auch wenn die unter 35-Jährigen überwiegend individualistisch denken, zeigen sie sich der Studie zufolge nicht unsolidarisch oder ausgrenzend. Sie bewerten Gewerkschaften und Betriebsräte grundsätzlich positiv – und sehen darin eine „wichtige Gegenmacht“ zum Management. Sie verlassen sich darauf, dass eine funktionierende Interessenvertretung zumindest grobe Missstände verhindert, so dass eigene Aktivitäten als nicht notwendig erscheinen. Das Modell der sozialpartnerschaftlichen „Stellvertreterpolitik“ stellen die Befragten nicht infrage. Stimmen nach einer grundsätzlichen Demokratisierung des Unternehmens werden unter den jüngeren Beschäftigten nicht laut. „Weder erweisen sich die Ansprüche an Mitbestimmung und direkte Beteiligung als grundsätzlich weitreichender als diejenigen der älteren Generation, noch ist die Distanz zum Prinzip interessenpolitischer Stellvertretung so ausgeprägt, wie es der Generationenzuschreibung entsprechend zu erwarten wäre“, schreiben Nies und Tullius.

    Allerdings: Die Existenz kollektiver Interessenvertretungen gilt als so selbstverständlich, dass deren Arbeit häufig gar nicht bemerkt werde. „Viele jüngere Beschäftige wissen schlichtweg nicht, welche Arbeitsbedingungen sie Gewerkschaften und Betriebsräten zu verdanken haben“. Hier gelte es die Sichtbarkeit zu verbessern.

    Kontakt in der Hans-Böckler-Stiftung

    Rainer Jung
    Leiter Pressestelle
    Tel.: 0211-7778-150
    E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de


    Weitere Informationen:

    https://www.boeckler.de/pdf/p_study_hbs_357.pdf - *Sarah Nies und Knut Tullius: Zwischen Übergang und Etablierung. Beteiligungsansprüche und Interessenorientierungen jüngerer Erwerbstätiger, Study der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 357, Juli 2017.
    https://www.boeckler.de/63056_106171.htm - Zusatzinformationen zu befristeter Beschäftigung bei jungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Gesellschaft, Politik, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).