Qualität der Lehre wird in drei Dimensionen entfaltet: (a) den curricularen Inhalten, (b) der didaktischen Vermittlung und (c) der Gestaltung der organisatorischen Kontexte. Die beiden ersten befassen sich mit inhaltlichen Aspekten der Lehre, letztere betrifft die ‚Bedingungen der Inhalte‘. Diese sind selbst keine Lehre, wirken für die Gestaltung von Lehr-Lern-Prozessen aber entweder förderlich oder hinderlich. Damit nehmen sie auch Einfluss auf die Qualität der Lehre – und bleiben im Vergleich zu den beiden anderen Dimensionen typischerweise unterbelichtet. Daher stehen hier die organisatorischen Kontexte der Lehre im Mittelpunkt. Die Auswertung führt zur Formulierung von Handlungsoptionen
Für die Hochschulorganisation waren in den vergangenen 20 Jahren zwei politisch induzierte Reformen prägend: die New-Public-Management-inspirierten Governance-Reformen und der Bologna-Prozess. Sie waren mit zwei zentralen Versprechen verbunden: Die Governance-Reform versprach, Entstaatlichung werde mit Entbürokratisierung verbunden sein, und die Studienstruktur-Reform versprach, die Strukturierung erbringe eine Entlastung von den bisher nötigen fortwährenden Improvisationsanstrengungen.
Dem stehen gegenteilige Wahrnehmungen der Lehrenden gegenüber: Die Entstaatlichung habe neue Bürokratieanforderungen gebracht, und die Verwaltung der strukturierten Studiengänge ginge mit neuen Belastungen einher. Die Hochschulen haben darauf vor allem auf zwei Wegen reagiert: durch die Einführung von Hochschulmanagementstrukturen neben der herkömmlichen Verwaltung und die Weiterentwicklung digitaler Assistenzsysteme.
Gerade bei den Initiativen zur Verbesserung der Qualität der Lehre zeigen sich jedoch problematische Implikationen, die sich häufig – und kontraintentional – ergeben, wenn dafür neue Strukturen geschaffen werden. Diese sollen eigentlich Unterstützungsleistungen erbringen, um neue Anforderungen an die Lehre organisatorisch abzufedern. Von den Lehrenden werden sie indes häufig als Agenten dieser neuen, also zusätzlichen und damit nicht selten als hinderlich empfundenen Anforderungen wahrgenommen. Das wissenschaftliche Personal steht daher dem Ausbau derartiger Strukturen außerhalb der hochschulischen Kernleistungsbereiche z.T. skeptisch bis latent feindselig gegenüber.
Zugleich offenbart sich ein Dilemma der neuen Hochschulmanagementstrukturen, dem diese kaum entrinnen können. Denn selbst wenn sie ein hohes Maß an Entlastungswirkung für die Lehrenden realisieren, bleibt es doch dabei, dass sich insgesamt die Anforderungen auch an die Wissenschaftler.innen erhöht haben. Die neuen Anforderungen benötigen zu ihrer Umsetzung praktisch immer die Mitwirkung auch der Lehrenden. Daher lässt sich selbst dann, wenn die Hochschulprofessionellen als Rollenträger des Hochschulmanagements erfolgreich Entlastungswirkungen für die Lehrenden erzeugen, doch nicht der Zustand des Nullaufwands für die zuvor nicht bestehende Anforderung wiederherstellen. Hinzu tritt, dass die Wissenschaftler.innen neben der Verwaltung nun mit einer weiteren Personengruppe kommunizieren müssen.
Qualität in der akademischen Lehre wird nicht derart hergestellt, dass lediglich ein übersichtliches Handlungsprogramm in Gang zu setzen ist, welches die Ursachen erzeugt, als deren Wirkungen dann zwangsläufig Qualität entsteht. Vielmehr kann Qualität dadurch entstehen, dass die Bedingungen so gestaltet werden, dass Qualitätserzeugung nicht verhindert wird. Eine Entstehensgarantie ist dies nicht, doch können immerhin förderliche Bedingungen hergestellt werden.
Wenn also von Qualitätsmanagement an Hochschulen gesprochen wird, dann muss dies als Qualitätsbedingungsmanagement verstanden werden: als zielgebundenes kontextgestaltendes Organisieren, das dem Gegenstand seiner Bemühungen Möglichkeiten schafft. Qualitätsmanagement kann dann z.B. leisten, die Lehrenden und Studierenden davon zu befreien, ihre kreativen Ressourcen in der fantasievollen Bewältigung von Alltagsärgernissen und unzulänglich organisierten, obwohl routinisierbaren, Prozesse zu vergeuden.
Der zweite Weg, mit dem Hochschulen auf gestiegene organisatorische Anforderungen reagieren, sind Campus-Management-Systeme (CaMS). Eine nutzerorientierte und damit nutzerfreundliche Gestaltung digitaler Unterstützungssysteme wird im allgemeinen mit dreierlei assoziiert: niedrigschwellig im Einstieg, komfortabel und flexibel in der Nutzung. Das klingt zunächst trivial. Doch benötigt dies einen Wechsel im organisationalen Handeln: von der vorrangig angebots- zu einer strikt nutzerorientierten Systemgestaltung und -bereitstellung. Die Gestaltung von CaMS Angeboten muss vom Nutzer, dessen jeweiligen Bedürfnissen, Fertigkeiten, Funktionserfordernissen und Gewohnheiten her gedacht werden.
Peer Pasternack / Sebastian Schneider / Peggy Trautwein / Steffen Zierold: Ausleuchtung einer Blackbox. Die organisatorischen Kontexte der Lehrqualität an Hochschulen (HoF-Arbeitsbericht 103). Institut für Hochschulforschung (HoF) an der Martin-Luther-Universität. Halle-Wittenberg 2017, 103 S. ISSN 1436-3550
Volltext online: http://www.hof.uni-halle.de/web/dateien/pdf/ab_103.pdf
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Pasternack / Schneider / Trautwein / Zierold: Ausleuchtung einer Blackbox
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