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19.09.2017 12:16

Mit wem regiert die Union? Mannheimer Politikwissenschaftler berechnet Wahrscheinlichkeiten

Katja Bär Pressestelle: Kommunikation und Fundraising
Universität Mannheim

    Der Mannheimer Politikwissenschaftler Marc Debus hat untersucht, welche Parteien mehr oder weniger gut miteinander regieren könnten – und verspricht eine spannende Regierungsbildung

    Alle Umfragen deuten darauf hin, dass die Union bei der Bundestagswahl am kommenden Sonntag mit Abstand stärkste Kraft wird und die nächste Regierung führen wird. Völlig unklar ist jedoch, mit wem sie künftig regiert. Das geht aus einer Untersuchung des Mannheimer Politikwissenschaftlers Professor Dr. Marc Debus hervor, der die Wahrscheinlichkeiten von Schwarz-Rot, Schwarz-Gelb, Schwarz-Grün und "Jamaika" berechnet hat. Da die Sitzverteilung im künftigen Bundestag natürlich noch unbekannt ist, unterscheidet Debus drei Szenarien. Wie wahrscheinlich ist die Bildung der jeweiligen Koalitionen – vorausgesetzt, die Sitzverteilung im neuen Bundestag ergibt eine Mehrheit für diese Bündnisse?

    Szenario 1: Es reicht für Schwarz-Gelb und für Schwarz-Grün
    Schwarz-Gelb, die traditionelle "Wunschkoalition" beider Partner, wäre nach Debus' Berechnungen mit rund 33 Prozent Wahrscheinlichkeit nicht wesentlich wahrscheinlicher als Schwarz-Grün (31 Prozent) oder die Fortsetzung der Großen Koalition (32 Prozent).

    Szenario 2: Es reicht für Schwarz-Gelb, aber nicht für Schwarz-Grün
    Die Wahrscheinlichkeit für Schwarz-Gelb wäre mit rund 48 Prozent nur geringfügig größer als für eine Fortführung der Großen Koalition (46 Prozent).

    Szenario 3: Es reicht nur für die "GroKo" oder "Jamaika"
    Ein Jamaika-Bündnis wäre mit rund 52 Prozent wahrscheinlicher als die Fortsetzung der Großen Koalition (42 Prozent).

    "Es ist bemerkenswert, dass keines der Szenarien ein wirklich klares Bild ergibt", fasst Debus zusammen. „In anderen Fällen liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Parteienkombination oftmals bei über 80 Prozent. Dies ist dann der Fall, wenn klare Koalitionsaussagen wie auch klare Mehrheitsverhältnisse vorliegen. Auf Koalitionsaussagen haben die Parteien bei dieser Wahl weitgehend verzichtet. Das liegt sicher auch daran, dass die Mehrheitsverhältnisse in einem Bundestag mit sechs Fraktionen – darunter eine AfD, mit der keine andere Partei koalieren will – recht schwierig werden könnten", so der Politikwissenschaftler. Dass Jamaika und Schwarz-Gelb etwas wahrscheinlicher seien als die Fortführung der Großen Koalition ergebe sich unter anderem daraus, dass die Union in diesen Bündnissen etwas mehr Kabinettsposten für sich reklamieren könnte als in einer Koalition mit der SPD – vorausgesetzt, die SPD werde nicht deutlich schwächer als 2013.

    Zur Methode

    Mit Hilfe einer quantitativen Inhaltsanalyse der Wahlprogramme hat Marc Debus die Positionen der Parteien auf den zentralen Politikfeldern ermittelt: Dies ist einerseits die Wirtschafts- und Sozialpolitik und andererseits die Innen-, Rechts- und Gesellschaftspolitik. "Diese Felder sind sehr prägend für den deutschen Parteienwettbewerb und eigenen sich daher hervorragend, um mögliche Regierungsbündnisse auszuloten", erklärt Debus. Je geringer die programmatische Distanz zwischen den Parteien ist, desto wahrscheinlicher sollte sich eine Koalition aus diesen Parteien bilden. Aus den weiteren Theorien zur Regierungsbildung und ihrer empirischen Überprüfung ist zudem bekannt, welche weiteren Faktoren die Regierungsbildung in Deutschland maßgeblich beeinflussen: "Dazu zählen etwa der Wunsch der Parteien, in einer Koalition möglichst viele Ämter zu besetzen, die vor der Wahl getätigten Koalitionsaussagen, die Agendasetzungsmöglichkeit der stärksten Parlamentsfraktion und der Amtsinhaberbonus der amtierenden Regierungskoalition", erläutert der Politikwissenschaftler. Die Anzahl der Koalitionsaussagen sei zur Bundestagswahl 2017 sehr gering: Lediglich ein Bündnis mit der AfD werde allgemein ausgeschlossen; und eine Koalition mit der Linken werde von CDU/CSU und FDP abgelehnt. Einen Amtsinhaberbonus der momentanen Koalition aus Union und SPD sieht Debus nicht: "Beide Parteien betonen im Wahlkampf, dass schwarz-rote Bündnisse Ausnahmefälle sein sollen und man eine Alternative zur Großen Koalition bevorzugen würde."

    Modell umfasst alle Bundes- und Landtagswahlen seit 1990

    Für seine Berechnungen fasst Debus die genannten Faktoren zusammen und testet die bestehenden Theorien anhand aller Regierungsbildungsprozesse auf Bundes- und Landesebene seit Januar 1990. "Daraus kann man nicht nur die Gewichte der einzelnen Faktoren bestimmen, die die Koalitionsbildung beeinflussen, sondern auch Wahrscheinlichkeiten für theoretisch mögliche Koalitionen berechnen" erklärt Debus. In 91 aller 113 berücksichtigten Bundes- und Landtagswahlen habe sich sein Schätzmodell bewährt: Die Koalition mit der höchsten Wahrscheinlichkeit bildete in rund 80 Prozent der Fälle tatsächlich auch das nächste Kabinett.

    Nicht alle Faktoren lassen sich miteinbeziehen

    "Es gibt allerdings Kontextfaktoren, die sich mit dieser Methode nicht abbilden lassen", erklärt Debus. Da seien beispielsweise die Koalitionspräferenzen der Wähler, die von den Parteien bei der Regierungsbildung durchaus berücksichtigt würden, wofür es aber nicht ausreichend Daten gebe. Ebenfalls nicht einberechnet seien Effekte, die sich aus einem enttäuschenden Abschneiden einer Partei ergeben könnten. "Sollte beispielsweise die SPD sehr schlecht abschneiden, dann könnte dies dazu führen, dass sie sich zur Konsolidierung in die Opposition zurückziehen möchte. Dies war etwa der Fall nach dem historisch schlechten Abschneiden bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg 2016, in dessen Folge die dortigen Sozialdemokraten eine Regierungsbeteiligung mit CDU und FDP ausschlossen."
    Es sei in jedem Fall mit einer spannenden Regierungsbildung zu rechnen, resümiert Debus: "Das gilt aber wohl nur hinsichtlich der Frage, wer Juniorpartner in einer unionsgeführten Bundesregierung wird."

    Weitere Informationen und Kontakt:

    Prof. Dr. Marc Debus
    Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES)
    Universität Mannheim
    Telefon: +49-621-181-2082
    E-Mail: marc.debus@uni-mannheim.de
    http://www.mzes.uni-mannheim.de/d7/de/profiles/marc-debus

    Nikolaus Hollermeier
    Direktorat / Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES)
    Universität Mannheim
    Telefon: +49-621-181-2839
    E-Mail: nikolaus.hollermeier@mzes.uni-mannheim.de
    www.mzes.uni-mannheim.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Politik
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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