Am IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften – schafften Forscher ein einzigartiges Archiv an Stammzellen. Die sogenannte "Haplobank" steht nun Forscherinnen und Forschern auf der ganzen Welt zur Verfügung, um die Funktionen von Genen reproduzierbar und unter kontrollierten Bedingungen studieren zu können. Am IMBA konnte man bereits erste wichtige Erkenntnisse für die Grundlagenforschung gewinnen und Gene untersuchen, die bei Infektionen und im Bereich der regenerativen Medizin eine Rolle spielen. Dies berichtet das Fachmagazin Nature in seiner aktuellen Ausgabe.
Um Krankheiten zu verstehen, muss man zunächst eine Vielzahl an genetischen Zusammenhängen erfassen. Eine neuartige Biobank aus haploiden Mäusestammzellen könnte nun dabei helfen. ForscherInnen am IMBA konnten dank „Haplobank“ bereits neue Erkenntnisse zu Infektionskrankheiten und Gefäßerkrankungen gewinnen. Auch für die Krebsforschung hat die am IMBA entwickelte Zell-Sammlung großes Potential.
Gen-Mutationen, die sich ein- und ausschalten lassen
Haplobank ist eine Art Bibliothek haploider Stammzellen. Diese Zellen besitzen genauso wie die Keimzellen nur einen halben Satz an Chromosomen und haben die Eigenschaft, zu allen möglichen Zelltypen heranzuwachsen und sämtliche Gewebetypen zu bilden. Da eine Mutation in der haploiden Zelle nicht von der anderen Chromosomenhälfte ausgebessert werden kann, wird sofort ersichtlich, was ein bestimmtes Gen in der Zelle und in verschiedenen Geweben bewirken kann. „Unser Archiv besteht aus etwa 100 000 einzelner Zell-Linien mit rund 17,000 Genen, die wir mit einem „molekularen Schalter“ versehen haben. Das entspricht in etwa zwei Dritteln aller Mäuse-Gene, die Proteine kodieren. Wir können diese also je nach Belieben jeweils ein- und ausschalten und so ein mutiertes Gen mit dem Wildtyp vergleichen. Am Verhalten der Zelle können wir dann erkennen, welches Gen welche Funktion übernimmt,“ erklärt Erstautor und IMBA-Gruppenleiter Ulrich Elling, der die Genetik von Stammzellen erforscht. Bereits 2011 entwickelte er eine Technik für die Herstellung haploider Stammzellen und legte damit die Basis für Haplobank.
Schnupfenviren brauchen Zugangscode
Das „Archiv der Mutationen“ bietet also eine reiche Ressource, um die Ursachen von Krankheiten zu entschlüsseln. Ein Beispiel, an dem die neue Haplobank getestet wurde, war das Gen PLA2G16. Die Forscher hatten es in einer großen genetischen Suche identifiziert und wollten nun direkt testen, ob Zellen mit Mutationen in Pla2g16 in der Tat resistent gegen Rhinovirus („Schnupfen-Virus“) sind. Elling erklärt: „Es ist ein sehr schönes Beispiel, wie unsere Haplobank funktioniert. Finde ich in einer breit angelegten Reihenuntersuchung ein vielversprechendes Gen, das für eine Krankheit verantwortlich scheint, kann ich zum Tiefkühler gehen, den entsprechenden haploiden Zell-Klon auftauen, das potenziell wichtige Gen ausschalten und innerhalb weniger Tage bestätigen, ob meine Vermutung stimmt oder nicht. Beim Schnupfen-Gen hat das bestens funktioniert und so die Effizienz unserer Haplobank bestätigt. Blockiert man PLA2G16, so werden Zellen – und hoffentlich auch einmal Menschen – resistent gegen den Haupterreger von Schnupfen.“
Neue Erkenntnisse für die Regenerationsmedizin
Aber auch an anderen vielversprechenden Beispielen konnte die Zellbank erfolgreich getestet werden. Für Herzkreislauferkrankungen etwa birgt Haplobank ebenfalls großes Potenzial. Reiner Wimmer, Co-Erstautor und Postdoktorand in der Gruppe von IMBA Direktor Josef Penninger, konnte anhand der hauseigenen Biobank neue Erkenntnisse über das Wachstum von Blutgefäßen gewinnen. „Wir konnten neue Gene identifizieren die das Wachstum von Blutgefäßen beeinflussen. Wenn wir nun das Wachstum der Gefäßzellen gezielt anregen, könnte dies im Bereich der Regenerationsmedizin helfen, um geschädigtes Gewebe, etwa nach einem Herzanfall oder einem Schlaganfall, schneller heilen zu lassen,“ berichtet Wimmer.
Haplobank - von Forschern für Forscher
Bereits 100 000 verschiedene Zell- Linien sind Teil von Haplobank, die nun Forschungsgruppen auf der ganzen Welt zur Verfügung steht. IMBA-Direktor Penninger sagt: „Schon ewig war man auf der Suche nach einem haploiden System für das aufstrebende Gebiet der Stammzellbiologie, um den Wirkungskreis einzelner Gene aber auch Wechselwirkungen zwischen Genen noch effizienter zu erforschen – mit Haplobank ist uns dies gelungen. Wir freuen uns, dass unser Archiv nun als einzigartige Open-Access Ressource ForscherInnen weltweit zugänglich ist und hoffen natürlich, dass wir damit einen Beitrag für biomedizinischen Fortschritt auf der ganzen Welt leisten können“.
Originalpublikation: Elling, Wimmer et al. „A reversible haploid murine ES cell biobank for functional genomics”, Nature 10.1038/nature24027
Pressefotos: https://www.imba.oeaw.ac.at/about-imba/information-material-download/
Über IMBA:
Das IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie gehört zu den führenden biomedizinischen Forschungsinstituten in Europa. Im Fokus stehen medizinisch relevante Fragestellungen aus den Bereichen Stammzellbiologie, RNA-Biologie, Molekulare Krankheitsmodelle und Genetik. Das Institut befindet sich am Vienna Biocenter, einem dynamischen Konglomerat aus Universitäten, akademischer Forschung und Biotechnologie-Unternehmen. Das IMBA ist ein Forschungsinstitut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der führenden Trägerin außeruniversitärer Forschung in Österreich.
www.imba.oeaw.ac.at
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Die beiden Erstautoren Ulrich Elling und Reiner Wimmer
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Haplobank ist ein Archiv aus 100 000 einzelnen Zell-Linien mit rund 17,000 Genen, die einem „moleku ...
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Die beiden Erstautoren Ulrich Elling und Reiner Wimmer
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