AUS DER MEDIZIN FÜR DIE MEDIEN Nr. 9 1998
Dickdarmtumoren gehören in Mitteleuropa zu den häufigsten bösartigen Erkrankungen, außerdem finden sich in vielen Fällen gutartige Wucherungen im Darm, sogenannte Polypen, die aber beseitigt werden müssen, weil sie bösartig werden können. Tumoren zu diagnostizieren in dem langen, gewundenen Hohlorgan, als was der Dickdarm angesehen werden kann, ist nicht einfach. Die Medizin nutzt vorzugsweise die Röntgenstrahlen (Computertomographie) und die Endoskopie: die Betrachtung der Darmwände von innen mit einer Fiberglasoptik. Diese Darmspiegelung ist wenig angenehm für den Patienten.
Jetzt gibt es zwei neue Verfahren, die mit Hilfe einer besonderen Software aus den Daten der Computertomographie abgeleitet werden. Zum Einen entstehen dadurch Bilder, die sich zu einer virtuellen Endoskopie des Darmes verdichten. Eine ebenso elegante Abbildung von Darmstrukturen ermöglicht ein anderes Verfahren, das aus der Industrietechnik in die Medizin übernommen wurde: Bei der sogenannten TTP (Tissue Transition Projection) werden die Daten aus dem Computertomogramm so angeordnet, daß der Darm wie eine gläserne, also durchsichtige Röhre erscheint, an deren Wand krankhafte Auffälligkeiten wie Polypen, Wandausstülpungen (Divertikel), oder Tumoren sichtbar werden.
An der Berliner Charité, der Medizinischen Fakultät der Berliner Humboldt- Universität, hat jetzt die ärztliche Arbeitsgruppe um Patrik Rogalla vom Institut für Radiologie erstmals die TTP-Technik und die der virtuellen Endoskopie an 34 Personen angewendet, bei denen der Verdacht auf einen Dickdarmtumor bestand. Für die Patienten bedeutete dies, daß sie sich lediglich einer Computertomographie unterziehen mußten.
Die Daten, die bei der Computertomographie erhoben worden waren, gingen in einen Rechner ein, der sie entweder zur virtuellen Endoskopie aufbaute oder in TTP-Bilder umsetzte. Insgesamt erkannten die Forscher 28 Tumore bei den untersuchten 34 Patienten. Dabei ergänzten sich die Vorteile beider Verfahren und bestätigten, daß beide Techniken von hohem Wert für die Diagnostik sind, ohne den Patienten zu belasten. Für den Radiologen ist die virtuelle Endoskopie hilfreich, weil er am Bildschirm dreidimensionale Strukturen sieht, die er ohne dieses Verfahren in seinem Kopf aus dem zweidimensionalen Röntgenbild zusammensetzen müßte, was viel Übung verlangt. Er kann ferner Zahl, Größe, Dicke und Form der Tumoren genau sehen und erkennen, wo der Chirurg nach dieser Vorlage später operieren muß. Auch dem Chirurgen wird seine Aufgabe erleichtert, selbst kleine Tumore entgehen ihm kaum. In der Diagnostik gutartiger Darmpolypen ist die virtuelle Endoskopie offenbar dem TTP-Verfahren überlegen. Diese Technik hat dagegen den Vorteil, daß der gesamte Darm in der Computersimulation von allen Seiten betrachtet werden kann. Dies erleichtert dem Operateur die anatomische Orientierung in dem langen Hohlorgan. Die Kosten für die beiden zusätzlichen Rechneroperationen (virtuelle Endoskopie und TTP) werden mit 500 bis 600 Mark angegeben. Dies dürfte angesichts der höheren Genauigkeit in der Operationsplanung und dadurch auch größeren Therapiesicherheit für den Patienten zu vertreten sein. Schließlich eignen sich die Verfahren auch zur Therapieüberwachung und zur Ausbildung angehender Chirurgen.
Patrik Rogalla stellt die Berliner Ergebnisse jetzt in Boston / USA der medizinischen Fachwelt vor ("Colonoscopy: First International Symposion" 1.-3.Oktober 1998). Es ist zu erwarten, daß beide Verfahren sich rasch an Kliniken verbreiten und in der gesamten Chirurgie der Hohlorgane ( Magen-Darm, Blase, Herz, Uterus, Gefäße u.a.) Verwendung finden werden.
Erste positive Erfahrungen mit der virtuellen Endoskopie in der Hals- Nasen-Ohren-Heilkunde zur Diagnostik von Erkrankungen der Nasen-Nebenhöhlen haben Rogalla und seine Mitarbeiter jüngst im Fachorgan "European Radiology" (Band 8 [1998] Seite 946-950) veröffentlicht.
Silvia Schattenfroh
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Charité
Medizinische Fakultät der
Humboldt Universität zu Berlin
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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