idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
23.11.2017 12:00

Biomarker-Tests bei frühem Brustkrebs: Warum unklar ist, ob man sich auf sie verlassen kann

Dr. Anna-Sabine Ernst Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

    Broschüre soll Frauen beim Abschätzen ihres persönlichen Rückfallrisikos unterstützen / Begleitendes Arzt-Gespräch ist unverzichtbar

    Im Dezember 2016 hatte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Nutzen und Schaden von Biomarker-Tests für Frauen mit frühem Brustkrebs bewertet und seine Ergebnisse veröffentlicht. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sahen für keinen der damals verfügbaren Biomarker-Tests einen Anhaltspunkt, dass er besser als die Standarduntersuchungen diejenigen Frauen identifizieren kann, die keine Chemotherapie benötigen. Da für einige Tests noch Studien ausstehen, die Tests aber von Gynäkologen und Onkologen schon breit eingesetzt und von Herstellern beworben werden, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) das IQWiG beauftragt, eine Entscheidungshilfe zu erstellen. Er will damit erreichen, dass Frauen gut über den Stand des Wissens aufgeklärt werden.

    Der Entwurf für diese Entscheidungshilfe liegt nun vor und wird vom G-BA beraten. Er umfasst eine Broschüre sowie einen wissenschaftlichen Bericht, der beschreibt, wie das IQWiG die Aussagen der Broschüre erarbeitet hat.

    Schwierige Entscheidung

    Die Broschüre richtet sich an Frauen mit frühem Brustkrebs, bei denen sich zur Frage, ob sie sich nach der Operation zusätzlich einer unterstützenden Chemotherapie unterziehen sollten, keine klare Empfehlung geben lässt. Denn für jährlich rund 20.000 Patientinnen in Deutschland ergeben die herkömmlichen klinisch-pathologischen Kriterien, wie etwa die Größe des Tumors oder der Lymphstatus, ein widersprüchliches Bild.

    Biomarker sollen zeigen, wer von Chemotherapie profitiert

    Die Hersteller der Biomarker-Tests versprechen, jene Patientinnen besser erkennen zu können, die auf eine Chemotherapie verzichten können. Die Tests sollen so die Entscheidung über die Therapie erleichtern. Doch durch aussagekräftige Studien belegt ist das keineswegs. Die Art und Weise, wie die Ergebnisse der Biomarker-Tests kommuniziert werden, spiegelt leicht eine Sicherheit vor, die in Wahrheit nicht existiert.

    Was wollen betroffene Frauen wissen?

    Die in der Broschüre enthaltenen Informationen sollen die Betroffenen dabei unterstützen, Möglichkeiten und Grenzen dieser Tests realistisch einzuschätzen. In einem ersten Schritt hat das Institut ermittelt, welche Erfahrungen und welche Fragen betroffene Frauen in Hinblick auf die Tests und die Chemotherapie haben. In einem zweiten Schritt wurde ein Textentwurf erstellt und dieser in zwei Fokusgruppen einem Nutzertest unterzogen. Eine Gruppe bestand aus Patientinnen, denen noch kein Biomarker-Test angeboten worden war, bei den Teilnehmerinnen der zweiten Gruppe war das bereits der Fall gewesen.

    Rezidivrisiko ist ausschlaggebend für weitere Behandlung

    Eine zentrale Rolle spielt das Rezidivrisiko, also die Wahrscheinlichkeit, dass der Krebs nach der Operation erneut auftritt. Dieses Risiko hängt von individuellen Faktoren ab und wird mit klinisch-pathologischen Kriterien standardmäßig bestimmt. Es ist ausschlaggebend für die Beratung einer Frau über die weitere Behandlung. Denn je höher das Rückfallrisiko ist, desto größer ist der mögliche Nutzen einer Chemotherapie.

    Die Broschüre erklärt im ersten Teil deshalb ausführlich, wie das Rezidivrisiko bisher routinemäßig ermittelt wird und welche Vor- und Nachteile eine Chemotherapie hat. Der zweite Teil erläutert, dass die relativ neuen Biomarker-Tests bislang nicht belegt haben, das Rückfallrisiko zuverlässiger bestimmen zu können. Offen ist auch, ob die Tests aus Sicht der Frauen zu besseren Entscheidungen führen.

    Die Broschüre soll die Frauen so dabei unterstützen, die Vor- und Nachteile einer Chemotherapie abzuwägen und eine informierte Entscheidung zu treffen.

    Broschüre kann medizinische Grundlagen vermitteln

    Wie die Nutzertests zeigten, ist die Broschüre in der Lage, die medizinischen Grundlagen verständlich zu vermitteln. „Dazu gehört auch, auf die Unsicherheiten einzugehen“, sagt Klaus Koch, der Leiter des im IQWiG für das Projekt verantwortlichen Ressorts Gesundheitsinformation. „Die Frauen wünschen sich verständlicherweise eine klare Aussage, ob ein Test sinnvoll ist oder nicht“, sagt Klaus Koch. „Stattdessen müssen sie erfahren, dass es keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt, ob die neuen Tests ihr individuelles Rückfall-Risiko tatsächlich präziser vorhersagen können. Diese für manche Frauen frustrierende Situation kann eine schriftliche Entscheidungshilfe allenfalls ansatzweise lösen.“

    Frauen mit der Unsicherheit nicht allein lassen

    Deshalb sollte die Broschüre eingebettet sein in ein umfassendes Gespräch mit der Ärztin oder dem Arzt. „Unsere Nutzertests haben gezeigt, dass die Broschüre das Arzt-Gespräch ergänzen und unterstützen kann“, so Klaus Koch. „Die Behandelnden dürfen die Frauen mit der unbefriedigenden Studienlage aber nicht allein lassen. Die Frauen brauchen Antworten auf ihre individuellen Fragen.“ Nur dann sei eine partizipative Entscheidungsfindung möglich.

    Zum Ablauf der Berichtserstellung

    Der G-BA hatte das IQWiG beauftragt, den Bericht in Form eines Addendums zu erarbeiten. Denn er bezieht sich unmittelbar auf die im Dezember 2016 veröffentlichte Nutzenbewertung der Biomarker-Tests. Ein Stellungnahmeverfahren beim IQWiG ist bei einem Addendum nicht vorgesehen.

    Der G-BA beabsichtigt die Entscheidungshilfe zu veröffentlichen und sie betroffenen Frauen zugänglich zu machen. Dazu muss der Entwurf im G-BA beraten und ein entsprechender Beschluss gefasst werden. Dabei kann es zu Änderungen kommen, d. h. die vom G-BA beschlossene Fassung kann von dem jetzt vom IQWiG vorgelegten Entwurf abweichen.

    In die Bearbeitung des Projekts waren sowohl externe Sachverständige in beratender Funktion eingebunden als auch externe Dienstleister, die den Nutzertest durchführten.


    Weitere Informationen:

    https://www.iqwig.de/de/projekte-ergebnisse/projekte/gesundheitsinformation/p17-... Addendum und Broschüre


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).