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05.09.2003 15:40

Fortschritte im Kampf gegen Rheuma

Dr. Cornelia Rufenach Geschäftsstelle der DGRh
Kompetenznetz Rheuma in der Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh)

    Im Kompetenznetz Rheuma sind Forscher den Ursachen entzündlich-rheumatischer Erkrankungen auf der Spur. Von ihren Erkenntnissen profitieren bereits etliche Patienten.

    Der Fall ist vertrackt. Seit Jahrtausenden versuchen Ärzte zu ergründen, warum Menschen an Rheuma erkranken. Doch noch immer ist unklar, welche Übeltäter hinter den verschiedenen Krankheitsbildern stecken. Forschern des Kompetenznetzes Rheuma ist es jedoch in jüngster Zeit gelungen, mehr Licht ins Dunkel entzündlich-rheumatischer Krankheiten zu bringen, an denen allein in Deutschland rund 1,3 Millionen Menschen leiden, darunter Tausende von Kindern. Dank ihrer Erkenntnisse stehen Medizinern neuerdings Verfahren zur Verfügung, mit denen sich diese Leiden zuverlässiger diagnostizieren und wirksamer therapieren lassen. Erstmals rückt nun zudem die Möglichkeit in greifbare Nähe, entzündliches Rheuma an seiner Wurzel zu bekämpfen, statt - wie bisher - Symptome zu behandeln. Wie der Sprecher des Netzwerks, Andreas Radbruch, auf dem 32. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie mitteilte, haben die Wissenschaftler sogar Hinweise dafür gefunden, "dass eine rheumatische Erkrankung im Prinzip geheilt werden kann".

    Die Hoffnung stützt sich auf erste viel versprechende Ergebnisse mit einer Stammzelltherapie bei Patienten mit schwersten Autoimmunerkrankungen, die Zellforscher des Deutschen Rheumaforschungs-Zentrums in Berlin gemeinsam mit Medizinern des Netzwerks entwickelt hat. Bei dem Verfahren wird das fehlreagierende Immunsystem zunächst durch eine Hochdosischemotherapie zerstört und dann mit Hilfe der zuvor konservierten körpereigenen Blutstammzellen wieder neu aufgebaut. "Einige der ersten Stammzell-Patienten sind seit fünf Jahren beschwerdefrei und haben definitiv keine Autoimmunerkrankung mehr", berichtete Radbruch.

    Der Eingriff ist zwar noch immer hochriskant. Schließlich werden mit der dabei eingesetzten Hochdosischemotherapie nicht nur fehl reagierende Immunzellen, sondern auch das gesamte immunologische Gedächtnis zerstört. Die Kranken sind damit einer erhöhten Gefahr für Infektionen ausgesetzt. Doch bei bestimmten Patienten mit systemischem Lupus erythrematodes oder multipler Sklerose scheint der Eingriff zu einer kompletten Heilung zu führen. Zudem haben die Forscher inzwischen Strategien entwickelt, um die Ursachen der Erkrankungen zu modulieren und Langzeitremissionen auch große Risiken für die Patienten zu erreichen. Im Labor konnten die Forscher zum Beispiel zeigen, dass eine direkte und effiziente Isolierung jener Immunzellen aus dem Blut möglich ist, die auf die Bekämpfung krankmachender Viren spezialisiert sind. Sollte es gelingen, diese zu konservieren und nach der Chemotherapie wieder zurück zu übertragen, könnte zumindest das immunologische Gedächtnis gegen die häufigsten Krankheitsviren für die Patienten erhalten bleiben. Erste klinische Studien dazu sind bereits geplant.

    Dennoch: Auch auf Dauer wird ein so radikaler Ansatz wie die Stammzelltherapie nur für wenige, lebensbedrohlich erkrankte Patienten in Frage kommen. Je mehr die Wissenschaftler jedoch darüber lernen, welche Zellen des Immunsystems bei den verschiedenen Arten von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen eine Schlüsselrolle spielen, desto größer sind auch die Chancen, gezielter und schonender gegen sie vorzugehen. Auch auf diesem Gebiet konnten die Forscher des Netzwerks - vor allem durch die enge Zusammenarbeit zwischen behandelnden Ärzten und Grundlagenforschern - bedeutende Fortschritte erzielen. So gelang es einem Netzwerk-Team um Harald Burkhardt von der Universität Erlangen, bei Patienten mit rheumatoider Arthritis spezifische Autoimmunreaktionen gegen definierte molekulare Strukturen des Knorpelgewebes nachzuweisen. Aus dem Laborverfahren wird jetzt ein Routinetest entwickelt, der die Treffsicherheit der Diagnose gerade in frühen Krankheitsstadien erheblich verbessert.

    In einem weiteren Projekt des Kompetenznetzes ist es zudem erstmals gelungen, genau jene Immunzellen (so genannte T-Helferzellen) aus der Gelenkflüssigkeit von Patienten mit rheumatoider Arthritis zu isolieren und zu charakterisieren, die nachweislich aktiv an der Auslösung der Entzündung beteiligt sind. Damit wird es nun möglich, diese Zellen im Labor gezielt zu untersuchen und so mehr über deren Rolle bei der Aufrechterhaltung der Krankheit zu ermitteln. Vor allem aber versprechen sich die Forscher dadurch auch Aufschluss darüber, welche körpereigenen Strukturen an den Orten der Entzündung von den Helferzellen attackiert werden.

    Daraus ergeben sich vor allem zwei mögliche Strategien, um die Krankheit zu stoppen: Zum einen versuchen die Forscher, jene Übeltäter unter den Immunzellen aus dem Körper zu entfernen, welche die rheumatischen Entzündung vorantreiben. Beispielsweise über eine Art Dialyse, mit der man gezielt die zerstörerischen Zellen aus dem Blut "herausfischt". Zum anderen arbeiten sie an der Entwicklung von Strategien, mit denen sich das Immunsystem womöglich insgesamt normalisieren lässt.

    Die Chancen dafür, so Radbruch, stehen nicht schlecht. Seit wenigen Jahren weiß man nämlich, dass im Körper jedes Menschen ein paar Immunzellen zirkulieren, die eigentlich ständig bestimmte eigene Organe oder Gewebe attackieren könnten. Jeder gesunde Organismus verfügt jedoch über eine Art Polizeitruppe unter den Immunzellen, die das verhindert.

    Bei Rheumakranken ist diese Kontrolle - aus bislang ungeklärten Gründen - offenbar verloren gegangen: Das Kräftespiel zwischen "Übeltätern" und "Polizisten" - auch das ein Ergebnis der Forschung innerhalb des Netzwerks - ist so aus dem Gleichgewicht geraten, dass die fehlgeleiteten Immunzellen körpereigenes Gewebe tatsächlich teilweise zerstören. Ziel der Wissenschaftler ist es nun, Wege zu finden, um dem Körper seine ursprünglichen Selbstschutzmechanismen wieder zurück zu verleihen.

    Weitere Informationen erhalten Sie von:
    Prof. Dr. rer. nat. Andreas Radbruch
    Deutsches Rheuma-Forschungszentrum,
    Schumannstr. 21/2210115 Berlin
    Tel.: 030/ 2846 0600
    Fax: 030/ 2846 0603
    E-Mail: radbruch@drfz.de

    Pressestelle: Cornelia Stolze
    Tel.: 030/ 6140 2852
    Fax: 030/ 6140 2980
    E-Mail: stolze@drfz.de
    www.rheumanet.org


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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