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11.12.2017 17:00

Sport ist gut fürs Herz, Bluthochdruck schlecht – Forscher finden Gründe

Christine Vollgraf Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung e.V.

    Wird das Herz durch Sport belastet, gilt das als gesund. Eine Belastung durch Bluthochdruck jedoch macht es krank. Warum ist das so? Und stimmt das immer? Forscher des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) und des Universitätsklinikums Heidelberg haben neue Erkenntnisse gewonnen, wonach ein bislang nicht erkannter Signalweg vor Herzschwäche schützt oder diese auslöst - je nach Art der Belastung. Sie berichten darüber in der aktuellen Ausgabe von Nature Medicine.

    Die Forscher haben eine Kette von Stoffwechselvorgängen im Herzen untersucht, an deren Anfang ein epigenetischer Schalter namens histone deacetylase 4 (HDAC4) steht. Die Epigenetik erforscht, wie Umwelteinflüsse Gene regulieren. Der neu entdeckte Signalübertragungsweg kann in Mäuseherzen je nach Belastung herauf oder herunter geregelt werden. Das erkannten die Forscher daran, dass am Ende des Signalweges ein Bruchstück von HDAC4 in gesunden Mäuseherzen nach physiologischer Belastung, also nach Sport, vermehrt vorkommt. Mäuseherzen, welche einer pathologischen Belastung ausgesetzt waren, zum Beispiel einer dauerhaft erhöhten Druckbelastung, bildeten das Bruchstück jedoch nicht.

    Vorrübergehende Herzschwäche

    Die Forscher wollten den Effekt näher untersuchen und stellten deshalb genetisch veränderte Mäuse her, die das HDAC4-Bruchstück nicht bilden können. Die Tiere wurden einer physiologischen Belastung ausgesetzt und überraschenderweise hatte der Sport bei ihnen nicht mehr die gesunde Wirkung. Stattdessen entwickelten sie nach dem intensiven Training eine temporäre Herzschwäche, die zu einer deutlich verminderten Leistungsfähigkeit führte. Diese Herzschwäche bildete sich allerdings wieder zurück.

    „Wir fanden eine vorübergehende Herzerschöpfung, auch ‚cardiac fatigue‘ genannt“, sagt DZHK-Professor Johannes Backs vom Universitätsklinikum Heidelberg, seit 2015 Direktor der neu eingerichteten Abteilung Molekulare Kardiologie und Epigenetik (Innere Medizin VIII). Das Syndrom findet sich auch bei Patienten und wird nach Meinung von Dr. Lorenz Lehmann, dem Erstautor der Studie aus der Abteilung für Kardiologie (Innere Medizin III) am Universitätsklinikum Heidelberg, aber unterschätzt. Denn es könne nur erkannt werden, wenn man die Herzfunktion während des Sports oder in den ersten Minuten danach untersuche, so Lehmann.

    Auf die Pausen kommt es an

    Das HDAC4-Bruchstück kann das Herz also vor Schäden durch temporäre physiologische Belastungen schützen. Aber warum nicht auch vor Belastungen durch Bluthochdruck oder anderen krankmachenden Stress? „Der entscheidende Unterschied sind die Pausen“, sagt Backs. Bei Sport gibt es immer wieder Ruhephasen für das Herz. Ein Enzym namens Proteinkinase A erholt sich in diesen Pahsen und sorgt dann dafür, dass an einem Scheideweg der Stoffwechselkette der gesunde Weg über die Aktivierung des HDAC4-Bruchstücks, eingeschlagen wird.

    Bei Dauerbelastung durch starken Bluthochdruck folgen die Signale in den Herzellen hingegen dem neu gefundenen, krankmachenden Weg: Die Aktivität der Proteinkinase A lässt durch die Dauerbelastung irgendwann deutlich nach und das Bruchstück verschwindet. Der Stoffwechsel der Herzmuskelzellen verwendet dann mehr Zucker als Fett für die Energieproduktion. Aber nicht die veränderte Energieproduktion macht das Herz krank. Es liegt vielmehr daran, dass Zuckerreste auch an Proteine angehängt werden. Einige dieser durch Zucker veränderten Proteine hemmen schließlich den Kalzium-Stoffwechsel und dadurch die Kontraktilität des Herzmuskels. Es kommt zur Pumpschwäche.

    „Diese Befunde sind neuartig und ändern unsere Denkweise darüber, wie eine Herzmuskelzelle versagen kann. Wir konnten zeigen, dass es eine Verbindung von der Epigenetik über den Stoffwechsel hin zur Kontraktilität, also zur Herzfunktion, gibt“, sagt Backs. Die Forscher zeigen auch, dass eine Gentherapie mit dem HDAC4-Bruchstück bei Mäusen vor dieser Pumpschwäche schützt. Dieses gänzlich neue Therapieprinzip wird jetzt intensiv untersucht.

    Extremer Ausdauersport kann das Herz schädigen

    Auch aus evolutionärer Sicht scheint den Forschern der Mechanismus plausibel. Unsere Vorfahren, die Sammler und Jäger, mussten oft viele Stunden körperlich aktiv sein, um Nahrung zu suchen und nach Hause zu bringen. Der neu gefundene Signalweg könnte dann das Herz geschützt haben. Die Ergebnisse erklären auch, warum extremer Ausdauersport ohne Ruhepausen das Herz schädigen kann. „Wir wissen intuitiv alle, dass Pausen wichtig sind. Vielleicht haben wir jetzt die molekularen Ursachen dafür gefunden“, so Backs.

    Dass lang andauernder Stress am Herzen zu Veränderungen von Signalwegen führt, kann auch die Ursache für das Broken Heart Syndrom (Takotsubo Syndrom) sein. Bei diesem entsteht, vor allem durch emotionalen Stress, eine vorrübergehende Herzschwäche. Die Forscher um Johannes Backs nehmen dieses Phänomen gerade genauer unter die Lupe.

    Originalarbeit:
    A proteolytic fragment of histone deacetylase 4 protects the heart from failure by regulating the hexosamine biosynthetic pathway, Nature Medicine, doi: 10.1038/nm.4452

    Kontakt:
    Christine Vollgraf, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), Tel.: 030 3465 529 02, presse@dzhk.de


    Bilder

    Die Autoren der Studie: Dr. med. Lorenz Lehmann (re., Kardiologe) und DZHK-Professor Johannes Backs (Direktor der Inneren Medizin VIII, Abteilung für Molekulare Kardiologie und Epigenetik).
    Die Autoren der Studie: Dr. med. Lorenz Lehmann (re., Kardiologe) und DZHK-Professor Johannes Backs ...
    Foto: Universitätsklinikum Heidelberg
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Sportwissenschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Die Autoren der Studie: Dr. med. Lorenz Lehmann (re., Kardiologe) und DZHK-Professor Johannes Backs (Direktor der Inneren Medizin VIII, Abteilung für Molekulare Kardiologie und Epigenetik).


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