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08.09.2003 16:51

"Bullying an Schulen" (II) - Täterkarrieren beginnen oft schon in der Grundschule

Cornelia Glees-zur Bonsen Stabsstelle Kommunikation und Presse
Ludwig-Maximilians-Universität München

    München 8. September 2003 - Bullying heißt das Phänomen, das so manchem Schüler das Leben zur Hölle macht. Das Repertoire der Täter ist umfassend und reicht von verbalen Attacken und Demütigungen bis zu körperlichen Angriffen auf die Opfer. Am Institut für Pädagogische Psychologie und empirische Pädagogik der LMU München wurden jetzt unter der Leitung von Dr. Mechthild Schäfer mehrere Studien zu verschiedenen Aspekten des Phänomens Bullying durchgeführt.

    Teil II

    Lässt sich am Verhalten und den Rollen von Kindern in der Grundschule vorhersagen, ob sie in weiterführenden Schulen auch Bullies oder/und Opfer sein werden? Nach einer Langzeitstudie, die von Dr. Mechthild Schäfer und Stefan Korn am Institut für Pädagogische Psychologie und empirische Pädagogik der LMU durchgeführt wurde, sind derartige Einschätzungen in manchen Fällen möglich. "Wir haben Schulkinder in der Grundschule und später dann an weiterführenden Schulen erneut befragt", so Schäfer. "Zu Beginn der Studie waren die Schüler im Schnitt acht Jahre alt, am Ende 13,6 Jahre. Im Vergleich zu anderen Studien lief unsere Untersuchung damit länger, und das Einstiegsalter der Kinder war niedriger - was uns wertvolle Einsichten geliefert hat."

    Denn bislang wurde angenommen, dass Opfer von Bullies in der Grundschule auch später in diese Rolle gezwungen werden, was sich nicht bestätigt hat und vermutlich mit den sozialen Klassenstrukturen an verschiedenen Schultypen zu tun hat. Bullies dagegen bleiben oft ihrer Rolle treu, werden in der Grundschule in der Regel von ihren Klassenkameraden abgelehnt, in höheren Schulen jedoch zunehmend akzeptiert. Opfer sind nur in höheren Schulen durch dramatisch sinkende Popularität charakterisiert..

    Das soziale Gefüge in Grundschulklassen besteht weitgehend aus Zweierbeziehungen, in denen die Kinder stark nach Symmetrie suchen. Sie beenden die Kontakte, sobald sie sich ungünstig unsymmetrisch für sie entwickeln. Bullies gibt es schon in diesem frühen Alter, allerdings konzentrieren sie sich selten auf nur eines oder wenige Opfer. Daher gibt es kaum Kinder, die über längere Zeit attackiert werden. Dies wird unterstützt durch starken sozialen Druck durch die Mitschüler. Bullies sind in der Grundschule sehr unbeliebt und unpopulärer als ihre Opfer oder nicht betroffene Schüler. Erst gegen Ende der Grundschulzeit entwickeln die Kinder die Fähigkeit, komplexere Beziehungsgeflechte auszubilden, die den Aufbau hierarchischer Gruppenstrukturen möglich machen.

    Diese hierarchische Struktur ist typisch für Klassen in höheren Schulen. Die "Einteilung" der Schüler nach Popularität erleichtert es Bullies, geeignete Opfer zu erkennen. Ihre Angriffe richten sich spezifisch gegen die, die nicht viel Unterstützung erwarten können, leicht zu isolieren und schnell in eine stabile Opferrolle zu drängen sind. "Das hat mit der Klassenhierarchie zu tun", so Schäfer. "Attacken erfolgen meist gegen Kinder mit niedrigem Status, so dass die Klassenkameraden das Verhalten des Bullies als nicht ganz so außerhalb der Norm empfinden und leichter akzeptieren als die hilflosen Versuche des Opfers, sich gegen die Attacken zu wehren." Die Bullies dagegen werden beliebter und ziehen sogar mit den nicht betroffenen Schülern an Popularität gleich.
    Bullying als systematischer Machtmissbrauch kommt meist in stabilen sozialen Gruppen mit klarer Hierarchie und geringer Kontrolle vor, etwa in Schulen, der Armee oder in Gefängnissen. Ein aggressives Individuum kann in einer hierarchischen Struktur, wo Personen mit geringem Status sichtbar und leicht isolierbar sind, eher Dominanz ausüben. Ältere Studien haben oft eine Stabilität der Opferrolle ausgemacht, sich aber meist auf die Zeit nach dem Übertritt in eine höhere Schule konzentriert, wenn sich schon eine Klassenhierarchie ausgebildet hat. Das hat Vorhersagen über zukünftige Opfer anhand der aktuellen Rollen der Kinder möglich gemacht.

    "Insgesamt lässt sich sagen, dass Opfer in der Grundschule zu sein, kein Risikofaktor ist, der eine Opferrolle in der weiterführenden Schule wahrscheinlicher macht. Die wenigen stabilen Opfer die wir gefunden haben, waren alle Opfer in Grundschulklassen mit klaren Anzeichen von Dominanzstrukturen", so Schäfer. "Bullies in der Grundschule dagegen werden sehr wahrscheinlich diese Rolle beibehalten - möglicherweise weil aggressives Verhalten Teil ihrer Sozialisation und ihrer Persönlichkeit ist."

    Sehr stabil ist auch die soziale Ablehnung. Kinder, die in der Grundschule unpopulär sind, tragen im Vergleich zu beliebten Schülern ein viermal so hohes Risiko, auch später unpopulär zu sein - obwohl sie dann in der Regel auf fast ausschließlich neue Klassenkameraden treffen. "Daraus läßt sich schließen, daß die Opferrolle sehr stark vom sozialen Kontext abhängt, während soziale Ablehnung eher mit dem individuellen sozialen Verhalten verknüpft ist, das von Klassenkameraden als unpassend oder unkonventionell empfunden wird", meint Korn. (suwe)

    Ansprechpartner:

    Dr. Mechthild Schäfer
    Institut für Pädagogische Psychologie und Empirische Pädagogik der LMU
    phon: ++49-89-2180-5240 und ++49-89-2180-5146 (Sekretariat)
    E-Mail: mechthild.schaefer@gmx.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Pädagogik / Bildung
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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