idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
14.12.2017 11:22

Deutsche Wirtschaft unter Volldampf

Mathias Rauck Kommunikation
Institut für Weltwirtschaft (IfW)

    Die wirtschaftliche Dynamik in Deutschland ist ungebremst und nochmals stärker als bislang erwartet. Die Konjunkturforscher des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) heben ihre Prognose für die Zuwachsrate des Bruttoinlandsproduktes (BIP) auf 2,3 Prozent in diesem Jahr und 2,5 Prozent im nächsten Jahr an. Die Verzögerung in der Regierungsbildung auf Bundesebene stellt kein entscheidendes Konjunkturrisiko dar, die hohen Überschüsse in den öffentlichen Kassen hingegen schon.

    Die deutsche Wirtschaft hat einen nachhaltigen Wachstumspfad verlassen und steuert mit hohem Tempo in die Hochkonjunktur. Die Überauslastung der Produktionskapazitäten nimmt somit weiter zu und steuert ihrem Spitzenwert im Boomjahr 2007 entgegen. Damit steigen auch die Risiken eines Konjunkturumschwungs. Dies geht aus der heute veröffentlichten Konjunkturprognose des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) bis 2019 hervor, in der die Konjunkturforscher ihre bisherigen Prognosen, die ohnehin schon kräftige Zuwächse anzeigten, noch etwas anheben.

    Für das Jahr 2017 erwarten sie nun eine Zuwachsrate des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 2,3 Prozent, für das Jahr 2018 von 2,5 Prozent (beide +0,3 Prozentpunkte) und für 2019 von 2,2 Prozent (+ 0,1 Prozentpunkte). Ursache für die Aufwärtsrevision sind Nachmeldungen in der amtlichen Statistik und das starke dritte Quartal. „Die deutsche Wirtschaft fährt unter Volldampf. Die Zuwachsraten liegen deutlich über der Wachstumsrate der Produktionskapazitäten, so dass die ohnehin schon über dem Normalniveau liegende Kapazitätsauslastung weiter steigt“, sagte Stefan Kooths, Leiter des IfW-Prognosezentrums.

    „Je weiter die ökonomische Aktivität über das Normalmaß hinaus zulegt, desto größer werden die Risiken für eine Anpassungsrezession, durch die Geschäftsmodelle korrigiert werden, die nur im Boom funktionieren. Ein Boom mag sich gut anfühlen, er trägt aber den Keim der Krise in sich. Die Ansicht, eine Hochkonjunktur sei harmlos, solange die Verbraucherpreise noch nicht aus dem Ruder laufen, greift daher viel zu kurz.“

    In der verzögerten Regierungsbildung auf Bundesebene sehen die Konjunkturforscher kein konjunkturelles Risiko und stützen sich dabei auf eine empirische Untersuchung zu ähnlichen Phasen in anderen Ländern (IfW-Box „Regierungsbildung mit Hindernissen: Hemmt die Unsicherheit die deutsche Konjunktur?“: https://www.ifw-kiel.de/wirtschaftspolitik/prognosezentrum/konjunkt/ifw-box/2017...). „Regierungsunsicherheit und Politikunsicherheit sind nicht dasselbe. Politische Unsicherheit hemmt nur dann die Wirtschaftsleistung, wenn der wirtschaftspolitische Kurs des Landes in fundamentaler Weise in Frage gestellt wird“, sagte Kooths. „Dies zeichnet sich bislang in Deutschland jedoch nicht ab.“

    Angespannter Arbeitsmarkt

    Deutschlands Aufschwung ist breit aufgestellt. Neben dem Exportgeschäft kommen auch von der Binnenwirtschaft kräftige Impulse. Die privaten Haushalte bleiben dank der ausgezeichneten Beschäftigungs- und Einkommensperspektiven in Konsumlaune. Ihre Käufe von Konsumgütern legten im ersten Halbjahr so stark zu wie seit 15 Jahren nicht mehr und expandieren in den kommenden Jahren voraussichtlich mit Raten um die 1,75 Prozent.

    Die Lage am Arbeitsmarkt spannt sich zunehmend an, so die Forscher. Die Arbeitslosigkeit geht bis auf 5,1 Prozent im Jahr 2019 zurück. Für Unternehmen wird es immer schwieriger, qualifiziertes Personal zu finden. Die Anzahl der Betriebe, die dadurch ihre Produktion beeinträchtigt sehen, ist auf ein Rekordniveau gestiegen. (IfW-Box: „Deutliche Anzeichen für Anspannungen am Arbeitsmarkt“: https://www.ifw-kiel.de/wirtschaftspolitik/prognosezentrum/konjunkt/ifw-box/2017...)

    Die Effektivlöhne dürften mit Raten um 3 Prozent steigen. „Wegen zunehmender Knappheiten sitzen immer mehr Beschäftigte bei Lohnverhandlungen am längeren Hebel und können sich so über merkliche Kaufkraftzuwächse freuen“, so Kooths. Die Überauslastung der deutschen Wirtschaft wird nach und nach aber auch den Preisdruck verstärken. Die Teuerungsrate für die Verbraucher steuert auf zwei Prozent zu. In Engpassbereichen wird es deutlich mehr sein. So müssen sich Bauherren auf jährliche Preissteigerungen von über drei Prozent einstellen – Tendenz steigend.

    Investitionen ziehen an

    Die Unternehmensinvestitionen legen laut Prognose aufgrund der sehr guten Absatz- und Ertragsaussichten auch im internationalen Umfeld spürbar zu. Schon im vergangenen Jahr waren diese stärker gestiegen als zunächst ausgewiesen, wie sich nach einer umfangreichen Revision in der amtlichen Statistik herausgestellt hat
    .
    Der Boom in der Baubranche geht weiter. Aufgrund äußerst anregender Finanzierungsbedingungen, dem hohen Bedarf an Wohnraum und hoher öffentlicher Einnahmenzuwächse dürften die Bauinvestitionen nochmals kräftig ausgeweitet werden.

    Die Exporte werden dank der guten Lage auf den Absatzmärkten weiter zunehmen, wenn auch aufgrund der Aufwertung des Euro in abnehmendem Tempo. Die Zuwächse im laufenden Jahr dürften 4,3 Prozent, in den beiden kommenden Jahren etwa 5 Prozent betragen.

    Konjunktur könnte noch stärker zulegen

    Der deutsche Staat kann aufgrund der guten Konjunktur weiter hohe Einnahmen aus Steuern und Abgaben verzeichnen, die Experten rechnen in diesem Jahr mit einem Überschuss von 45 Mrd. Euro. Angesichts der guten Kassenlage könnten wirtschaftspolitische Beschlüsse eines neu gewählten Bundestages die Konjunktur in Deutschland zusätzlich stimulieren und zu noch höheren Zuwachsraten führen als hier prognostiziert. Deutliche Mehrausgaben bzw. Abgabensenkungen wären auch mit Blick auf die Schuldenbremse rechtlich zulässig. Da bislang unklar ist, welche konkreten finanzpolitischen Beschlüsse im Bundestag nach der Neuwahl der Regierung getroffen werden, bildet die vorliegende Prognose im Wesentlichen den finanzpolitischen Status quo ab.

    „Eine neue Regierung wäre gut beraten, nicht ihrerseits dazu beizutragen, die konjunkturellen Anspannungen zu befeuern. Ein expansives Finanzgebaren des Staates läuft in Zeiten der Überauslastung dem makroökonomischen Stabilitätsziel zuwider“, sagte Kooths. „Die Wirtschaftspolitik sollte jetzt vor allem die sich abzeichnenden Verteilungskonflikte der alternden Gesellschaft in den Blick nehmen. Immer weniger Erwerbstätige müssen künftig immer höhere Ansprüche an die öffentlichen Versorgungssysteme finanzieren. Eine Politik nach Kassenlage würde das Land teuer zu stehen kommen.“

    Weltwirtschaft kräftig

    Für die Weltwirtschaft geben die Konjunkturforscher einen positiven Ausblick. Die Konjunktur ist in nahezu allen großen Volkswirtschaften gleichzeitig aufwärts gerichtet. Für das gesamte Jahr 2017 zeichnet sich ein Anstieg der Weltproduktion um 3,8 Prozent ab. Dies ist ein Zehntel mehr als noch in der Herbstprognose erwartet und der stärkste Anstieg seit 2011. Auch für 2018 haben die Konjunkturforscher die Prognose leicht, auf nunmehr 3,9 Prozent, angehoben, für 2019 rechnen sie mit einem globalen Produktionsanstieg um 3,6 Prozent.

    „Trotz der lebhaften Konjunktur wird sich der Preisauftrieb in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften nur allmählich verstärken. Die niedrige Kerninflation ist wesentlich strukturellen Faktoren geschuldet und auch noch mit der Diagnose deutlich geschrumpfter freier Kapazitäten vereinbar“, so Kooths. Risiken für die Weltkonjunktur ergeben sich insbesondere aus dem finanzwirtschaftlichen Umfeld. So könnte es im Zuge der anstehenden Normalisierung der Geldpolitik zu einer plötzlichen Verunsicherung an den Kapitalmärkten kommen, mit der Folge schubartiger Korrekturen bei Vermögenspreisen, Renditen und Wechselkursen.

    Zur vollständigen Konjunkturprognose: https://www.ifw-kiel.de/wirtschaftspolitik/prognosezentrum/konjunkt/

    Fachlicher Ansprechpartner:
    Prof. Dr. Stefan Kooths
    Leiter Prognosezentrum IfW
    T +49 431 8814-579 (Büro Kiel)
    T +49 30 2067-9664 (Büro Berlin)
    stefan.kooths@ifw-kiel.de

    Medienansprechpartner:
    Mathias Rauck
    T +49 431 8814-411
    mathias.rauck@ifw-kiel.de

    Institut für Weltwirtschaft
    Kiel Institute for the World Economy
    Kiellinie 66 | 24105 Kiel, Germany

    www.ifw-kiel.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
    Gesellschaft, Politik, Wirtschaft
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).