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19.01.2018 09:39

Nicht einfach nur Rohstoffe: Leistungen der Natur für die Menschen brauchen mehr Anerkennung

Volker Hahn Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig

    Vielfältiges Essen, sauberes Wasser und gesunde Luft gehören zu den sichtbarsten Vorteilen, welche die Natur den Menschen bietet. Dies hat zu der kontroversen Überzeugung geführt, dass die Natur hauptsächlich eine Quelle von Leistungen oder Rohstoffen ist.

    In der renommierten Fachzeitschrift Science haben 30 Fachleute, die mit dem Weltbiodiversitätsrat (IPBES) in Verbindung stehen einen neuen Ansatz präsentiert: die Idee, alle Leistungen der Natur für die Menschen zu nutzen, um sie in Politik und Entscheidungsfindungen einzubringen.

    Unter den Autoren der Studie sind auch die zwei iDiv-Wissenschaftler Carlos A. Guerra und Matthias Schröter.

    „Seit mehr als einem Jahrzehnt wird die Umweltpolitik von Wissen aus den Natur- und Wirtschaftswissenschaften dominiert“, sagte Sandra Díaz. „Die aus diesem Ansatz der „Ökosystemleistungen“, der durch die wegweisende Studie „Millennium Ecosystem Assessment“ aus dem Jahr 2005 bekannt wurde, entstandene dynamische Forschung hat Nachhaltigkeit gefördert, aber Erkenntnisse und Werkzeuge aus den Sozialwissenschaften, Geisteswissenschaften und anderen wichtigen Weltanschauungen weitgehend ausgeschlossen. Der wesentlich umfassendere Begriff der Leistungen der Natur für die Menschen betont, dass Kultur für alle Verbindungen zwischen Mensch und Natur von zentraler Bedeutung ist. Zudem schenkt er anderen Wissenssystemen, zum Beispiel jenen von lokalen Gemeinden und Ureinwohnern, deutlich mehr Anerkennung.“

    Sir Robert Watson, Vorsitzender der IPBES und ehemaliger Mitvorsitzender des Millennium Ecosystem Assessment, sagte dazu: „Die Leistungen der Natur für die Menschen sind sowohl in Industrieländern als auch in Entwicklungsländern von entscheidender Bedeutung für die Reichen und die Armen. Die Natur untermauert das Wohlbefinden und die Ambitionen jedes einzelnen Menschen – von Gesundheit und Glück bis hin zu Wohlstand und Sicherheit. Die Menschen müssen ein besseres Verständnis für den vollen Wert der Natur entwickeln, um ihren Schutz und ihre nachhaltige Nutzung zu gewährleisten.“

    „Dieser neue integrative Rahmen zeigt, dass die Natur nicht nur eine Vielzahl an unerlässlichen Gütern und Leistungen bietet, wie z. B. Nahrung, Schutz vor Überschwemmungen und vieles mehr, sondern auch jede Menge soziale, kulturelle, spirituelle und religiöse Bedeutung hat, welche die Politik ebenso wertschätzen sollte.“

    Viele Menschen sind der Meinung, die Natur biete ihnen Vorteile in Form von Geldströmen, Getreide oder Holz aus Ökosystemen – der neue Ansatz lässt dies zu, bietet aber auch Raum für diejenigen, die andere Vorstellungen über ihre Beziehungen zur Natur haben. „Nahrung ist ein prima Beispiel“, sagte Unai Pascual, „die Natur versorgt uns alle mit Nahrung und Nahrungssicherheit ist ein wichtiger Aspekt, der in der Politik und bei Entscheidungen überall auf der Welt eine Rolle spielt und häufig zum Beispiel in Kalorien pro Tag, biologischen Vorgängen und einem wirtschaftlichen Wert gemessen wird. Aber wir wissen, dass Nahrung so viel mehr ist. Sie steht im Mittelpunkt kultureller Identitäten, von Kunst und grundlegendem menschlichem Genuss. Es sind diese nicht materiellen Leistungen der Natur, die der neue Ansatz repräsentieren und in Entscheidungen über unseren Umgang mit der Natur einfließen lassen soll.“

    Eine der vielen konkreten Anwendungen dieses neuen Ansatzes ist seine Einbindung in groß angelegte Expertengutachten und deren Durchführung. Professors Díaz und Pascual stimmen überein, dass die Leistungen der Natur für die Menschen ein wissenschaftlicher Fortschritt sind, der über den Ansatz der Ökosystemleistungen hinausgeht und die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit von Politik und Entscheidungen über die Natur steigern wird. „Diese Einschließung und Ausgewogenheit zwischen Wissenssystemen und Sichtweisen wird nicht nur zu einer höheren Rechtmäßigkeit von Expertengutachten, sondern auch zu besseren politischen Ergebnissen führen, da wir auf eine viel umfassendere und breitere Informationsbasis zurückgreifen können.“

    Vier regionale Gutachten des IPBES (https://goo.gl/KqMeJo) über Biodiversität und Ökosystemleistungen, die voraussichtlich im März dieses Jahres veröffentlicht werden, haben bereits beispiellose Anstrengungen unternommen, um indigenes und lokales Wissen zu erschließen, und die Leistungen der Natur für die Menschen sind bereits ein zentraler Bestandteil des globalen Gutachtens des IPBES, welches für 2019 erwartet wird.

    „Die Leistungen der Natur für die Menschen sind eine wichtige Weiterentwicklung und Ergänzung zum Konzept der Ökosystemleistungen“, so Anne Larigauderie, Executive Secretary des IPBES und eine der Autorinnen des Artikels. Sie können dazu beitragen, dass wir die Vielfalt und die komplexen Beziehungen zwischen Mensch und Natur besser gestalten und verstehen. Dieser umfassendere Ansatz wird auch die Relevanz und den Wert von Sachverständigengutachten über die Natur steigern, wenn internationale Entwicklungsverpflichtungen, wie die Ziele für nachhaltige Entwicklung, angegangen werden.“

    Über IPBES:
    IPBES ist ein unabhängiges zwischenstaatliches Gremium, das 127 Mitgliedsregierungen umfasst. Es wurde im Jahr 2012 von Regierungen ins Leben gerufen und bietet politischen Entscheidungsträgern objektive wissenschaftliche Gutachten über den Wissensstand im Hinblick auf die Biodiversität des Planeten, Ökosysteme und deren Leistung für die Menschen sowie die Werkzeuge und Methoden zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung dieser lebenswichtigen Naturschätze. Auf gewisse Weise tut der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) für Biodiversität das, was der Weltklimarat (IPCC) für den Klimawandel tut. Weitere Informationen zum Weltbiodiversitätsrat und uns seinen Gutachten finden Sie auf www.ipbes.net



    Originalpublikation:
    Díaz et al. (2018): An inclusive approach to assess nature’s contributions to people. SCIENCE, 19 JANUARY 2018, VOL 359 ISSUE 6373. DOI: 10.1126/science.aap8826



    Mehr über iDiv-Aktivitäten bei IPBES:
    https://www.idiv.de/de/ipbes.html



    Kontakt:

    Dr. Carlos António Guerra (spricht nicht deutsch)
    Forschungsgruppe „Biodiversität und Naturschutz“ bei iDiv und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
    +49 341 9733123
    https://www.idiv.de/groups_and_people/employees/details/eshow/guerra_carlos_anto...

    Dr. Matthias Schröter
    Forschungsgruppe „Ökosystemleistungen“ beim Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ und iDiv, jetzt in der Forschungsgruppe „Landschaftsökologie“ beim UFZ
    https://www.ufz.de/index.php?de=40349


    Weitere Informationen:

    https://www.idiv.de/de/ipbes.html
    https://www.idiv.de/de/news/news_single_view/news_article/not_just_com.html


    Bilder

    Kleinräumige, selbstversorgende Landwirtschaft auf einer Flussinsel des Mekong im Süden von Laos.
    Kleinräumige, selbstversorgende Landwirtschaft auf einer Flussinsel des Mekong im Süden von Laos.
    Roland Krämer, UFZ & iDiv
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Kleinräumige, selbstversorgende Landwirtschaft auf einer Flussinsel des Mekong im Süden von Laos.


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