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23.01.2018 15:34

Verwandlungskünstler Flüssigkristalle

Petra Giegerich Kommunikation und Presse
Johannes Gutenberg-Universität Mainz

    Scheibchenförmige Flüssigkristalle wandeln sich bei höheren Temperaturen von der Schaufelrad-Form in Propeller um

    Sei es im Fernseher, im Smartphone oder im Taschenrechner: Flüssigkristalle sind uns vor allem über die Bildschirmtechnologie bekannt. Forscher der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) untersuchten nun scheibchenförmige Flüssigkristalle. Das überraschende Ergebnis: Diese sind nicht so temperaturstabil wie bislang vermutet, sondern wandeln sich ab etwa 150 Grad Celsius in andere Moleküle um. Dabei entsteht eine ganz neue Klasse flüssigkristalliner Substanzen – denen hohe Temperaturen zudem nichts anhaben können.

    Kristalle, da denken die meisten Menschen an funkelnde Edelsteine und glitzernde Diademe, vielleicht auch noch an Zucker- oder Salzkristalle. Flüssige Kristalle dagegen sind bei den meisten Menschen weniger im Gedächtnis verankert. Dabei sind sie allgegenwärtig: Jedes LCD-Display basiert auf diesen Molekülen, etwa im Flachbildfernseher, im Taschenrechner oder im Smartphone. Schließlich bedeutet LCD nichts weiter als Liquid Crystal Displays, also Flüssigkristalldisplays. „Unsere heutigen Elektronik- und Kommunikationssysteme sind von Flüssigkristallen dominiert“, sagt Prof. Dr. Heiner Detert von der JGU.

    Flüssigkristalle – zwischen Flüssigkeit und Kristall…

    Doch was genau hat man sich unter Flüssigkristallen vorzustellen? Während die Moleküle in einer Flüssigkeit ungeordnet umher schwimmen, sind sie in einem Kristall in festen Positionen angeordnet. Der Flüssigkristall hat – wie der Name schon sagt – Eigenschaften, die zwischen denen der Flüssigkeit und des Kristalls liegen. Die Nahordnung bleibt erhalten, die Fernordnung dagegen nicht. Sprich: Ein Molekül in einem Flüssigkristall „spürt“ noch das nächste und vielleicht auch noch das übernächste Molekül und orientiert sich an diesem. Von einem Molekül dagegen, das sich zehn oder elf „Plätze“ weiter befindet, spürt es dagegen nichts – dieses Molekül kann daher gänzlich anders ausgerichtet sein als unser Beispielmolekül.

    In den LCD-Bildschirmen werden stäbchenförmige Flüssigkristallmoleküle eingesetzt. Es gibt jedoch auch scheibenförmige Pendants, sogenannte Diskoten. Zu dieser Gruppe gehören die flüssigkristallinen Tris[1,2,4]triazolo-[1,3,5]triazine, die 2008 von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sowie von brasilianischen Kollegen entdeckt wurden. Diese scheibenförmigen Flüssigkristallmoleküle haben ebenfalls ihre Vorteile: Sie lassen sich wie Bierdeckel aufeinander stapeln und könnten somit als eine Art „Stromkabel“ in organischen Leuchtmitteln dienen oder auch in Photovoltaik-Modulen eingesetzt werden.

    Flüssigkristalle wandeln sich bei hohen Temperaturen um

    Das Team um Prof. Dr. Heiner Detert fand nun heraus, dass die scheibenförmigen Moleküle mit dem sperrigen Namen Tris[1,2,4]triazolo-[1,3,5]triazine eine interessante Verwandlung durchlaufen, wenn man sie mehrfach erhitzt und wieder abkühlt. „Die Moleküle bleiben zwar gleich schwer – sie behalten also die gleiche Masse – werden jedoch Stück für Stück in andere Moleküle umgewandelt“, erläutert Prof. Detert. Das widerlegt bisherige Experimente: Diese kamen zu dem Ergebnis, die Moleküle seien bis zu einer Temperatur von 400 Grad Celsius stabil. Allerdings beruhten diese Experimente auf einer fehlerhaften Annahme, wie Detert und seine Mitarbeiter zeigen konnten. „In bisherigen Experimenten untersuchte man die Masse der Flüssigkristalle. Werden Moleküle durch hohe Temperaturen zersetzt, ändert sich üblicherweise auch die Masse um einige Prozent. Nicht so jedoch bei den untersuchten Flüssigkristallen – daher ging man davon aus, dass diese temperaturstabil sind“, sagt Detert.

    Er und sein Team nahmen die Flüssigkristalle nun mit der differentiellen Thermoanalyse genauer unter die Lupe. Bei diesem Verfahren werden die Phasenübergänge detektiert, beispielsweise von einer flüssigkristallinen Phase hin zu einer normalen Flüssigkeit. Das Ergebnis: Bereits bei 150 Grad Celsius wird die Temperatur für die Flüssigkristalle zum Problem. Zwar behalten sie – wie gesagt – exakt die gleiche Masse, allerdings wandeln sie sich in andere Moleküle um und verändern damit das Phasenverhalten, auf diese Weise konnte Detert ihnen auf die Schliche kommen.

    Eine neue Klasse von flüssigkristallinen Substanzen

    Diese neuen Produkte wurden von der Arbeitsgruppe aufgeklärt und auch auf Flüssigkristalleigenschaften untersucht. Manche zeigen ein „normales“ Schmelzverhalten, andere dagegen die Eigenschaften von Flüssigkristallen. Eine Voraussage, ob die entstehenden Moleküle die Eigenschaften von Flüssigkeiten oder Flüssigkristallen haben werden, ist derzeit nicht möglich, hier sind Experimente gefragt. „Für uns ist das ein wichtiger Ausgangspunkt, um eine neue Klasse von flüssigkristallinen Substanzen zu untersuchen“, sagt Prof. Detert. Denn die entstehenden Moleküle sind – im Gegensatz zur Ausgangssubstanz – auch bei hohen Temperaturen stabil. Eine interessante Frage, die sich dabei unter anderem stellt: Reagieren die Flüssigkristalle ebenso auf UV-Strahlung wie auf hohe Temperaturen? Sprich: Werden sie durch Sonnenstrahlung ebenfalls in andere Moleküle umgewandelt? Das wäre für eine mögliche Anwendung in Solarmodulen wissenswert. „Wir wissen jetzt, dass die Tris[1,2,4]triazolo-[1,3,5]triazine nicht so temperaturstabil sind wie angenommen, sondern sich bei höheren Temperaturen in Tristriazolotriazine anderer, flacherer Struktur umwandeln“, fasst Detert die Ergebnisse zusammen.

    Bildmaterial:
    http://www.uni-mainz.de/bilder_presse/09_organische_chem_fluessigkristalle.jpg
    Vom Schaufelrad zum Propeller
    Abb./©: AG Heiner Detert, JGU

    Veröffentlichung:
    Thorsten Rieth et al.
    Isomerisation of Liquid-Crystalline Tristriazolotriazines
    Chemistry, 6. Dezember 2017
    DOI: 10.1002/chem.201705095
    http://dx.doi.org/10.1002/chem.201705095

    Kontakt:
    Prof. Dr. rer. nat. Heiner Detert
    Institut für Organische Chemie
    Johannes Gutenberg-Universität Mainz
    55099 Mainz
    Tel. +49 6131 39-24189
    Fax +49 6131 39-25338
    E-Mail: detert@uni-mainz.de
    http://www.blogs.uni-mainz.de/fb09ak-detert/home/kontakt/

    Weiterführende Links:
    https://www.blogs.uni-mainz.de/fb09ak-detert/ - Wissenschaftliche Arbeitsgruppe Prof. Dr. Heiner Detert


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Chemie, Elektrotechnik, Informationstechnik, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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