Die Umsetzung des Pariser Klima-Abkommens wird bei Investoren auf der einen Seite und Eignern von fossilen Brennstoffen auf der anderen Seite gegensätzliche Reaktionen auslösen. Manche befürchten, entschiedene politische Maßnahmen zur CO2-Reduktion könnten – ein 'grünes Paradox' – eben diese Emissionen in die Höhe treiben: die Eigner fossiler Brennstoffe beschleunigen deren Ausbeutung, um noch maximale Profite zu erzielen, bevor die neuen Regeln greifen. Andererseits könnten aber Investoren auch ihr Geld aus der Kohle-Industrie abziehen, um einem Wertverlust ihrer Investitionen zuvor zu kommen.
Dieses Abziehen und Umschichten von Kapital findet als Divestment bereits heute statt. In einer Studie wurden jetzt die beiden Effekte, die bislang nur unabhängig voneinander diskutiert wurden, erstmals gemeinsam untersucht. Unter dem Strich schlägt das Divestment das grüne Paradox, wenn ein substantieller CO2-Preis glaubhaft angekündigt wird, fand ein Team von Energie-Ökonomen heraus. Im Ergebnis würden die CO2-Emissionen insgesamt effektiv verringert.
„Starke zukünftige Klimapolitik kann Emissionen reduzieren, sogar bevor sie in Kraft tritt, wenn sie glaubwürdig angekündigt wird“, sagt Leitautor Nico Bauer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Das Pariser Klima-Abkommen ist kurzfristig eher schwach; langfristig aber wird es wegen der von den fast 200 Ländern vereinbarten Begrenzung des weltweiten Temperaturanstiegs auf deutlich unter zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellem Zeitalter erhebliche Emissionsminderungen erfordern. „Unsere Studie zeigt, dass Investoren bereits zehn Jahre vor der Einführung einer vorher beschlossenen CO2-Bepreisung damit beginnen, ihr Geld aus der Kohle-Industrie abzuziehen“, sagt Bauer. „Wenn Investoren bewusst wird, dass der Zeitraum, in dem mit Kohle-Kraftwerken Geld verdient werden kann, durch zukünftige Klimapolitik verkürzt wird, dann scheuen sie vor Investitionen in diesem Sektor zurück. Sobald die Investoren ihr Geld aus der Kohle-Industrie abziehen, können die CO2-Emissionen um 5 bis 20 Prozent sinken und zwar bevor die CO2-Bepreisung eingeführt wird. Die Stärke des Effekts hängt maßgeblich von der Höhe der zukünftigen CO2-Bepreisung ab.“
„Ein Preis von 20 US-Dollar pro Tonne CO2 verdoppelt die Kosten der Kohle“
Kohle ist besonders anfällig für CO2-Bepreisung. „Schon bei einem Preis von 20 US-Dollar pro Tonne CO2 verdoppeln sich die Kosten der Kohlenutzung“, sagt Ko-Autor Christophe McGlade vom University College London (UCL) und der Internationalen Energieagentur (IEA). „Investoren in der Energiewirtschaft erkennen, dass Kohlekraftwerke bei einer wirkungsvollen CO2-Bepreisung nicht mehr wettbewerbsfähig sind, und schichten ihre Investitionen um, in Richtung weniger emissionsintensiver Elektrizitätserzeugung.“ McGlade fügt hinzu: „Öl reagiert weniger sensibel auf eine CO2-Bepreisung als Kohle. Unsere Studie zeigt, dass der Effekt des grünen Paradox auf dem Ölmarkt durchaus auftreten kann, da Inhaber großer Ölreserven die heutige Produktion in die Höhe treiben, weil sie Angst vor dem Verlust ihrer Vermögenswerte in der Zukunft haben. Dieser Effekt ist wahrscheinlich jedoch sehr viel kleiner als die Wirkung des Divestment, welche die Nutzung von Kohle reduziert.“
Computersimulationen zu den zukünftigen Dynamiken der Energiemärkte sind ein verbreitetes Verfahren, um die wirtschaftlichen Auswirkungen politischer Maßnahmen zu ermitteln. „Wir haben unsere Simulationen mit verschiedenen CO2-Preisniveaus durchgeführt. Dabei wurden bis zum Jahr 2050 durchgängig 25 bis 300 US-Dollar pro Tonne CO2 erreicht, bei einem mittleren Szenario von 100 US-Dollar. Diese haben wir mit verschiedenen Szenarien der zeitlichen Verzögerung eingeführt, um unterschiedliche Szenarien des Nachdrucks und der Glaubwürdigkeit der Klimapolitik darzustellen, und um zu sehen, wie die Märkte für fossile Brennstoffe in Erwartung einer solchen Klimapolitik reagieren", sagt Ko-Autor Jérôme Hilaire vom PIK und dem Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC). Er fügt hinzu: „Dadurch sollen Unsicherheiten berücksichtigt werden. Aber es hat sich gezeigt, dass in fast allen untersuchten Fällen der Divestmenteffekt den Green Paradox-Effekt überbietet, unabhängig von Verzögerungen bei der Umsetzung. Im Ergebnis verringern sich die Gesamtemissionen. Nur wenn die CO2-Bepreisung sehr spät beginnt, zum Beispiel nicht vor 2050, und dann nur auf einem sehr niedrigen Niveau, führen die Marktkräfte in der Zeit vor Inkrafttreten der Regulierung zu einem Anstieg der CO2-Emissionen statt zu einem Rückgang.“
Emissionsbepreisung in China, der EU, Großbritannien, Kanada und sogar in Kalifornien
„Unsere Ergebnisse hängen von einigen entscheidenden Annahmen ab – nämlich dass politische Entscheidungsträger sich mehrere Jahre im Voraus auf die Einführung wirksamer Klimaschutzmaßnahmen festlegen können; dass die CO2-Preise über die Regionen hinweg einheitlich sind; dass Investoren glauben, dass politische Entscheidungsträger auch umsetzen werden, was sie ankündigen; und dass Investoren ihre Strategien smart anpassen“, sagt Ko-Autor Paul Ekins vom UCL, der auch Mitglied der Expertengruppe für Dekarbonisierung der Europäischen Kommission ist, die von PIK-Direktor Hans Joachim Schellnhuber geleitet wird.
Sollten in einzelnen Ländern unterschiedliche CO2-Preisregelungen mit unterschiedlichem Preisniveau eingeführt werden, würden sich einige emissionsintensive Produktionsstätten zwar von Standorten mit hoher Regulierung zu solchen mit niedrigeren Standards verlagern. Dieser Effekt wäre jedoch begrenzt, stellen die Autoren fest. „CO2-Emissionspreissysteme entstehen gerade in China; die EU ist dabei, ihr Handelssystem auszubessern; und CO2-Bepreisung gibt es in Großbritannien, in Chile, in Kanada und sogar in Kalifornien, der sechstgrößten Volkswirtschaft der Welt", so Ekins. „Das Pariser Klima-Abkommen war ein starkes Signal dafür, dass die Entscheider in der Politik den Klimawandel ernst nehmen und bereit sind, die nötigen Emissionsminderungen umzusetzen. Die Marktkräfte werden mit hoher Wahrscheinlichkeit Emissionen reduzieren, wenn sie mit der Einführung politischer Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels rechnen, und uns so helfen, den ersten Schritt in Richtung tiefgreifender Emissionsminderung zu gehen – vorausgesetzt, die politischen Signale sind stark, klar und glaubwürdig.“
Artikel: Nico Bauer, Christophe McGlade, Jérôme Hilaire, Paul Ekins (2018): Divestment prevails over the green paradox when anticipating strong future climate policies. Nature Climate Change [DOI:10.1038/s41558-017-0053-1]
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