US-amerikanische Patienten geben nach identischen orthopädischen Operationen eine deutlich höhere Schmerzintensität an als Patienten in Europa. Obwohl die Patienten in den USA mehr Schmerzmittel erhielten, war ihr Wunsch nach mehr Schmerztherapie sogar noch höher als bei der Vergleichsgruppe aus 13 europäischen und außereuropäischen Ländern. Bei anderen Fragen zur Schmerztherapie, z.B. nach schmerzbedingten Bewegungseinschränkungen, gab es dagegen kaum Unterschiede.
Diese Erkenntnisse sind das Ergebnis einer Auswertung von fast 14.000 Patientenbefragungen im Rahmen des weltweit größten Akutschmerzregisters PAIN OUT, das am Universitätsklinikum Jena koordiniert wird. „Bisher gibt es keine Studie, die so viele Patienten aus verschiedenen Ländern auf so standardisierte Art und Weise befragt hat“, betont Ruth Zaslansky, Erstautorin der Studie und Mitarbeiterin an der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin des Universitätsklinikums Jena. Neben Ruth Zaslansky waren Richard Chapman, University of Utah, und Winfried Meißner, Koordinator des PAIN OUT Netzwerks vom Universitätsklinikum Jena an der Studie beteiligt.
Ein Teil der Ergebnisse ließe sich eventuell dadurch erklären, dass in den USA mehr Patienten bereits vor der Operation Opioide eingenommen haben, so die Autoren. Dies könne zu einer verringerten Wirkung der Schmerzmittel nach der Operation führen. Aber auch Patienten ohne vorbestehende Schmerztherapie geben in den USA höhere Schmerzen an als ihre europäischen Leidensgenossen. Die Autoren ziehen dafür zwei mögliche Erklärungen in Betracht: In den USA werden Patienten viel häufiger vom Pflegepersonal zu ihrer Schmerzintensität befragt als in Europa. Dies könnte zu einer stärkeren Fokussierung auf die eigenen Schmerzen führen und verhindern, dass Ablenkung vom Schmerz gelingt. Richtet sich die Schmerztherapie hauptsächlich nach der vom Patienten berichteten Schmerzintensität, könnte dies deshalb eine Übertherapie zur Folge haben. „Der Parameter Schmerzintensität ist daher vielleicht nicht der beste Parameter, um die Qualität der Schmerztherapie zu beurteilen“, so Winfried Meißner.
Eine weitere Erklärung könnte in den kulturellen Unterschieden hinsichtlich der Schmerzerwartung liegen. Möglicherweise sind US-Patienten weniger bereit, auch nur mäßige Schmerzen zu tolerieren – eine Haltung, die durch das werbewirksame Versprechen vieler Kliniken, die Patientenzufriedenheit in den Mittelpunkt zu stellen, verstärkt wird. Hinzu kommen die Versprechungen der modernen Medizin, jegliche Zumutungen von Patienten fernzuhalten.
„Die Ergebnisse dieser Studie weisen darauf hin, dass die Frage nach der Schmerzintensität weder eine gute Basis für schmerztherapeutische Entscheidungen ist, noch als alleiniger Indikator für die Qualität der Versorgung in der Schmerztherapie dienen sollte“, betont Ruth Zaslansky. Natürlich sollte nicht auf die Messung von Schmerzaspekten verzichtet werden – aber möglicherweise eignen sich für Therapieentscheidungen und Qualitätsbewertung andere Indikatoren besser: Beispielsweise die Frage, ob Schmerz die Bewegung oder die Atmung behindert. Diese Hypothese muss jedoch noch weiter untersucht werden.
Originalliteratur:
Ruth Zaslansky, et al. Pain after orthopaedic surgery: differences in patient reported outcomes in the United States vs internationally. An observational study from the PAIN OUT dataset. British Journal of Anaesthesia, 2018, https://doi.org/10.1016/j.bja.2017.11.109
Kontakt:
Ruth Zaslansky, Ruth.Zaslansky[at]med.uni-jena.de
apl. Prof. Dr. Winfried Meißner, Winfried.Meissner[at]med.uni-jena.de
Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Universitätsklinikum Jena
Tel.: 03641/ 9323353
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Foto: Michael Szabó/ UKJ
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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