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17.09.2003 12:58

Zwischen Hysterie und echter Bedrohung: Welche Gefahren bergen alte und neue Infektionserreger?

Petra Giegerich Kommunikation und Presse
Johannes Gutenberg-Universität Mainz

    Welche Gefahren gehen tatsächlich von altbekannten oder neuartigen Infektionserregern aus? Reagieren Öffentlichkeit und Politik sachgemäß auf Bedrohungen wie BSE, Milzbrand, Pocken oder SARS? Bei dem Symposium "Infektionskrankheiten im neuen Millennium" werden namhafte Experten am 19. und 20. September in Mainz über diese und darüber hinausgehende Fragen referieren und diskutieren.

    Im Rahmen dieses Symposiums lädt die Johannes Gutenberg-Universität Mainz ein zum Podiumsgespräch mit Ministerpräsident Kurt Beck und Wissenschaftsminister Prof. Dr. Jürgen Zöllner

    am Samstag, 20. September 2003, um 11.15 Uhr
    in den Frankfurter Hof, Mainz.

    Das Podiumsgespräch unter der Leitung von Prof. Dr. Volker Hentschel, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, steht unter der Überschrift "Eine Infektionspolitik für Rheinland-Pfalz". Im Anschluss daran stehen Ihnen Prof. Dr. Dr. Ernst Th. Rietschel, Leiter des Forschungsinstituts Borstel, Prof. Dr. Hans W. Doerr, Direktor des Instituts für Medizinische Virologie der Universität Frankfurt, und Prof. Dr. Hartmut Lode, Direktor der Abteilung für Pulmologie und Infektiologie der FU Berlin als Gesprächspartner zur Verfügung sowie - als Experten der Johannes Gutenberg-Universität Mainz - Prof. Dr. Sucharit Bhakdi, Leiter des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene, Prof. Dr. Markus Maeurer, ebenfalls vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene, und Prof. Dr. Markus F. Neurath von der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik.

    Die Bedrohung durch Infektionen scheint allgegenwärtig - und immer wieder kommt Angst vor neuen Seuchen auf: Innerhalb von nur wenigen Monaten breitete sich die Lungenentzündung SARS zu einer weltweiten Epidemie aus. Während die Welt nach dem 11. September über Terrorangriffe mit Milzbrand oder Pocken spekulierte, warnen US-Experten heute vor Grippeviren als einer viel gefährlicheren Biowaffe. Der Rinderwahnsinn BSE bedrohte nicht nur die europäischen Rinderherden, sondern ließ Befürchtungen aufkommen, die Nervenerkrankung könnte auf den Menschen übergehen. Drei Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit, die zeigen, dass sich auch westliche Gesellschaften mit ihrer leistungsfähigen medizinischen Versorgung der Angst vor alten und neuen Infektionserregern nicht entziehen können. Aber sind die Bedrohungen real? Sind die Reaktionen angemessen? Reagieren Öffentlichkeit und Politik sachgemäß?

    "Wir stehen zu Beginn des neuen Jahrtausends bisher unbekannten Herausforde-rungen gegenüber", bestätigt Prof. Dr. med. Sucharit Bhakdi von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. "Allerdings werden oft vermeintliche Gefahren in den Medien und der Öffentlichkeit hochgespielt und in der Folge für nicht existente Bedrohungen Gelder vergeudet." Der Leiter des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene will Missverhältnisse im Umgang mit Infektionen aufzeigen und Öffentlichkeit und Politik auf tatsächliche Bedrohungen aufmerksam machen. Bei einer Tagung mit dem Titel "Infektionskrankheiten im neuen Millennium" werden am 19. und 20. September in Mainz namhafte Experten zu aktuellen Fragen der Infektionserkrankungen und Infektionserreger Stellung nehmen und u.a. mit Ministerpräsident Kurt Beck über eine angemessene Infektionspolitik diskutieren. "Wir wollen einen Gedankenaustausch zwischen Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit anregen und dazu aufrufen, in Deutschland und Rheinland-Pfalz den Handlungsspielraum für eine moderne Infektionspolitik zu nutzen", erläuterte Prof. Bhakdi.

    Zunächst werden die Referenten die globale Bedeutung von Infektionskrankheiten herausstellen. Wie Prof. Dr. Ernst Th. Rietschel, Leiter des Forschungsinstituts Borstel, darlegt, sterben derzeit jährlich etwa 20 Millionen Menschen an Infektionskrankheiten. Infektionen stehen damit weltweit hinsichtlich Morbidität und Mortalität deutlich vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs an erster Stelle. Nach Auffassung von Prof. Rietschel sind Forscher und Ärzte demgegenüber zwar nicht machtlos, sie können derzeit aber mit den Mikroben bestenfalls Schritt halten. Seiner Ansicht nach sind daher globale und kontinuierliche Anstrengungen in der Bekämpfung von Unwissen nötig sowie eine besondere Förderung der weiteren Erforschung von Krankheitserregern.

    Prof. Dr. Hans W. Doerr ist Direktor des Instituts für Medizinische Virologie an der Universität Frankfurt und Leiter des deutschen Teams, das den SARS-Erreger entdeckte. Diese neue Infektionskrankheit der menschlichen Lunge ist erstmals in der südchinesischen Provinz Guangdong aufgetreten und breitete sich epidemiehaft in einigen Nachbarländern sowie in Kanada und in Einzelfällen auch auf den übrigen Kontinenten aus. In nur wenigen Wochen gelang die weitgehende ätiologische Aufklärung und epidemiologische Bekämpfung des "Severe Acute Respiratory Syndrome", das durch einen neuen Coronavirus ausgelöst wird. Prof. Doerr wird u.a. diese Untersuchungen sowie therapeutische Optionen darstellen.

    BSE und biologische Waffen haben gerade in jüngster Zeit die westlichen Gesellschaften geschockt und auf ihre latente Bedrohung durch Infektionen aufmerksam gemacht. Prof. Dr. Sucharit Bhakdi zufolge war die Reaktion darauf guten Teils aus Unkenntnis fehlgeleitet, streckenweise hysterisch und unnötig kostspielig. "Aufklärung im Interesse richtigen Handelns tut Not", so der Mediziner, der den DFG-Sonderforschungsbereich "Invasion und Persistenz bei Infektionen" in Mainz leitet.

    Ein großes Problem der Medizin ist nach Darstellung von Prof. Bhakdi, dass Infektionskrankheiten häufig nicht erkannt und dann auch nicht behandelt werden. "Es gibt keine Ausbildung zum Infektiologen in Deutschland", so Bhakdi. Mit Prof. Dr. Hartmut Lode, Direktor der Abteilung für Pulmologie und Infektiologie an der FU Berlin, kommt auf dem Symposium einer der wenigen Infektiologen, die es in Deutschland gibt, zu Wort. Prof. Lode plädiert insbesondere für eine bessere infektiologische Ausbildung und die Schaffung von universitären infektiologischen Abteilungen. "Über 250 Infektionsdepartments in den USA demonstrieren seit vie-len Jahren die beträchtlichen Fortschritte in der infektiologischen Forschung und auch in der individuellen optimierten Patientenversorgung."

    Gerade im Hinblick auf die Patientenversorgung gilt es nach Darstellung von Prof. Bhakdi insbesondere die Anzahl der Krankenhausinfektionen zu reduzieren. Nach seiner Auffassung ließen sich dadurch kurzfristig mehrere hundert Millionen Euro einsparen. Nicht nur Unkenntnis verhindert oft die effektive Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Viele Krankheiten, so Bhakdi, entpuppten sich erst mit ihrer Erforschung als Infektionserkrankungen. Hierzu zählen die Gastritis, einige rheumatische Erkrankungen, aber auch wichtige Tumoren wie das Gebärmutterkarzinom.

    Zu dem öffentlichen Symposium in Mainz laden der Sonderforschungsbereich 490 "Invasion und Persistenz bei Infektionen", die Landeszentrale für Gesundheitsför-derung, die Landesärztekammer Rheinland-Pfalz, die Bezirksärztekammer Rhein-hessen und die Zukunftsinitiative Rheinland-Pfalz (ZIRP) ein. Die Veranstaltung richtet sich an alle interessierten Bürgerinnen und Bürger, an Verantwortliche in Wirtschaft, Verwaltung und Politik, Angehörige von Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen sowie Vertreter medizinischer Berufe. Die Teilnahme ist kostenfrei.

    Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an:
    Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene
    Prof. Dr. med. Sucharit Bhakdi,
    Sekretariat: Ingrid Makowiecki
    Tel. 06131/39-37342, Fax 06131/39-32359, E-Mail: sbhakdi@uni-mainz.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Politik, Recht
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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