Diese Zahl irritiert: 109 deutsche Fußballclubs der Ligen eins bis fünf haben in den vergangenen 21 Jahren einen Insolvenzantrag gestellt. Sechs Kultvereine waren es allein im Jahr 2017; gestern (14.3.) erwischte es den FC Rot-Weiß Erfurt. Grund für die Sportökonomen Dr. Daniel Weimar, Universität Duisburg-Essen (UDE) und Stefan Szymanski, University of Michigan, sich die Pleiten genauer anzuschauen. Sie wollten wissen: Ist das deutsche Fußballsystem wirklich gesünder als das seiner Nachbarn? Die beiden haben da ihre Zweifel.
Es ist nämlich eine Frage der Perspektive: Geht es allein um die beiden höchsten Spielklassen, spricht vieles für eine gute Lizenzordnung der Deutschen Fußballliga (DFL). Im untersuchten Zeitraum – von der Saison 1995/1996 bis zur Saison 2016/2017 – gab es lediglich zwei Insolvenzanträge in Deutschland. In England und Frankreich hingegen waren es deutlich mehr: 20 bzw. 12 Clubs waren zahlungsunfähig.
Die Autoren der Studie glauben allerdings, dass die Stabilität auf Kosten der unterklassigen Vereine erreicht wurde. „Schaut man bis runter in die fünfte Liga, relativieren sich die Zahlen schnell; in allen drei Ländern tauchen hier ähnlich viele Finanzprobleme auf“, erklärt Daniel Weimar. „Was für uns heißt: Der deutsche Profi- und semiprofessionelle Fußball steht finanziell nicht auf stärkeren Füßen.“
Die schönste Nebensache der Welt ist zwar auch ein knallhartes Geschäft, „dennoch gilt im Fußball oft die Devise: „to popular to fail“, kritisiert Sportökonom Weimar. „Sponsoren, Fans und Investoren belohnen Misswirtschaft immer wieder mit zusätzlichem Kapitel.“ So ist die Quote der zurückgezogenen Insolvenzanträge im Fußball auch etwa viermal höher als in der Realwirtschaft.
Für die Daten mussten die Forscher mühsam in Insolvenzstatistiken und Pressemitteilungen recherchieren („andere Länder halten das offener“): Von den 109 beantragten Insolvenzen wurden 19 zurückgezogen; 55 Clubs führten eine Planinsolvenz durch; komplett von der Bildfläche verschwanden nur 32 Vereine. Von den 32 eliminierten Vereinen starteten jedoch 21 unter ähnlichem Namen in niedrigeren Ligen, nicht immer wechselten sie dabei Management und Mannschaft aus.
„Diese Zahlen könnten nur die Spitze des Eisberges sein. Denn Daten zu Insolvenzen sind nur schwierig nachzuvollziehen, und Pressemeldungen werden gerne wieder aus dem Netz genommen“, so Weimar.
Drei Ereignisse haben die Entwicklung entscheidend beeinflusst: Der Bankrott der Sportwelt GmbH brachte jene Vereine in Bedrängnis, an denen das Fußball-Imperium beteiligt war. Andere gerieten 2008 ins Schlingern, als die 3. Liga eingeführt wurde. Außerdem änderten DFL und DFB vor zwei Jahren die Lizenz- und Spielordnung. Ist ein Club zahlungsunfähig, steigt er nicht mehr automatisch ab. Er wird mit neun Punkten Abzug bestraft.
Dass die sportlichen Konsequenzen geringer sind als früher, sehen Weimar und Szymanski kritisch. Sie befürchten, dass Vereine die Insolvenz künftig vermehrt als Sanierungsmaßnahme nutzen. „Es ist wesentlich wahrscheinlicher, dass ein Fußballverein gerettet wird als ein Unternehmen, das nichts mit Kicken zu tun hat. Anteilseigner und Fans scheinen hier eine geringere Schmerzgrenze zu haben“, meint Weimar.
Pleite geht keiner einfach so. Es ist eine jahrelange Abwärtsspirale, die in ein bis zwei Abstiegen gipfelt. Die lösen letztlich die Insolvenz aus. Übrigens: 17 Vereine haben schon mehrmals den Gang zum Amtsgericht angetreten. Ungeschlagen mit drei Insolvenzanmeldungen sind der KFC Uerdingen, SC Fortuna Köln und der SSV Ulm 1846.
Weitere Informationen: http://udue.de/fussballinsolvenz
Das Arbeitspapier ist auf Anfrage verfügbar bei: Dr. Daniel Weimar, Mercator School of Management, Tel. 0203/379-4598, daniel.weimar@uni-due.de
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