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17.09.2003 14:30

Schwerverletzte leiden lange an den Folgen ihres Unfalls

Dr. Arnd Schweitzer Stabsstelle Kommunikation
Medizinische Hochschule Hannover

    MHH und E+S Rückversicherungs-AG stellen heute weltweit größte Studie vor

    Schwerverletzte Menschen haben große Probleme - nicht nur sofort nach ihrem Unfall. Auch zehn Jahre danach spüren sie deutlich die Folgen, vor allem im beruflichen und sozialen Leben. Dies ist das Ergebnis einer Studie der Unfallchirurgischen Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und der E+S Rück, Hannover.

    Unter der Leitung von Professor Dr. Christian Krettek, MHH, und Dr. Nicola-Alexander Sittaro, E+S Rück, untersuchte ein Team 637 Patienten mit einem Polytrauma, die vor mindestens zehn Jahren schwer verletzt wurden und in der MHH versorgt worden waren. Die statistische Auswertung erfolgte bei der E+S Rück, die im Hannover Rück-Konzern für den deutschen Markt zuständig ist. Die Studie ist damit die weltweit einzige, in der eine so große Zahl von Patienten länger als zehn Jahre nach dem Unfall beobachtet wurde. "Die langfristigen Folgen sind bislang unterschätzt worden", sagt Professor Krettek. Die Finanzierung der Studie übernahmen die E+S Rück und die Provinzial Nord Brandkasse AG, Kiel. Heute werden die Ergebnisse auf einer Veranstaltung im Hause der E+S Rück vorgestellt.

    "Für die Assekuranz ist diese Studie von hoher Bedeutung", sagt Dr. Michael Pickel, Vorstandsmitglied der E+S Rück. "Die Erst- und Rückversicherer haben wichtige Daten gewonnen, um Schadensverläufe und Kosten besser vorhersagen zu können. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass die derzeitigen Produkte in der Unfallversicherung nicht in vollem Maße eine adäquate Absicherung gewährleisten. Mit den vorliegenden Ergebnissen können wir wertvolle Impulse zur Risikoabsicherung und Produktentwicklung geben."

    Als Polytrauma bezeichnen Mediziner mehrere schwere Verletzungen verschiedener Körper-regionen oder Organe, die einzeln oder in Kombination lebensbedrohlich sind. Gleich nach einem Schwerstunfall setzen die Ärzte alles ein, um das Leben der Patienten zu retten. Hat der Mensch den Unfall überlebt, so ist dies zunächst einmal ein großer Erfolg. Doch was geschieht danach? Welche langfristigen gesundheitlichen, sozialen und finanziellen Folgen hat der Unfall? Davon wusste man bislang wenig. Diese Fragestellungen sind nicht nur aus medizinischer Sicht, sondern auch unter versicherungstechnischen und sozialen Aspekten interessant.

    In der großen Langzeitstudie untersuchten die MHH-Unfallchirurgen 637 Polytrauma-Patienten, die vor zehn Jahren oder länger schwer verletzt in die MHH eingeliefert und dort versorgt wurden. Die meisten Studienteilnehmer hatten durch den Unfall schwere Verletzungen an den unteren Extremitäten (insgesamt 82,7 Prozent der Beteiligten) oder schwere Kopfverletzungen (65,5 Prozent).

    Die Studie beleuchtete neben den medizinischen Aspekten auch das soziale Umfeld, den Beruf, die Rentensituation, Sport und Hobbys der Patienten, die finanzielle Situation, Rehabilitationsmaßnahmen und Versicherungsbelange.

    Die Auswertung zeigte unter anderem, dass eine höhere Zahl von Verstorbenen zu registrieren war als ursprünglich angenommen. Besonders auffällig waren soziale Probleme. Fast die Hälfte der Patienten hatte nach dem Unfall weniger Freunde als zuvor, bei mehr als 60 Prozent schränkten die Unfallverletzungen die Freizeitaktivitäten ein. Nahezu 40 Prozent beklagten, dass ihre Partnerschaft oder das Familienleben unter den Folgen des Unfalls gelitten haben. Eine gleich hohe Zahl steht nach der Schwerstverletzung finanziell schlechter da als vor dem Unfall.

    Die Verletzungen wirkten sich auch gravierend auf das Berufsleben aus. 16,6 Prozent der Patienten mussten umgeschult werden, und etwa 20 Prozent waren als Folge des Unfalls erwerbs-unfähig und mussten in Rente gehen. Für die Berufsunfähigkeit waren meist Verletzungen des Beckens oder der unteren Extremitäten verantwortlich. 30 Prozent der Patienten waren in Folge des Unfalls arbeitslos geworden. Wenn es den Betroffenen gelungen war, in das Berufsleben zurückzukehren, dauerte die Rehabilitation länger als zwei Jahre. Trotz der negativen Einflüsse bewerteten die Teilnehmer ihre derzeitige Situation als gut oder befriedigend. Gleichwohl berichteten 56 Prozent der Patienten über Probleme mit ihrer Lebenssituation nach dem Unfall.

    "Bislang gingen wir davon aus, dass nach einer solchen Schwerstverletzung eine Rehabilitations-Zeit von etwa ein bis zwei Jahren notwendig ist", sagt Professor Dr. Hans-Christoph Pape aus der Unfallchirurgischen Klinik der MHH. "Unsere Studie gibt klare Hinweise, dass Schwerverletzte deutlich länger an den Folgen ihres Unfalls leiden und dass wir trotz moderner Medizin nur einen Teil der Probleme beheben können." Sein Appell: Die Vorbeugung vor Unfällen muss eine noch größere Rolle als bisher spielen.

    Weitere Informationen geben gern Dr. Nicola-Alexander Sittaro, Leiter der medizinischen Abteilung der E+S Rückversicherungs-AG, Telefon: (0511) 5604-1450, E-Mail: nicola-alexander.sittaro@hannover-re.com und
    Professor Dr. Hans-Christoph Pape, Oberarzt der Unfallchirurgischen Klinik der MHH, Telefon: (0511) 532-2028, E-Mail: Pape.Hans-Christoph@mh-hannover.de.


    Weitere Informationen:

    http://www.mhh-unfallchirurgie.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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