Die Mehrzahl der baulichen Großprojekte in Deutschland mit einem Investitionsvolumen von mehr als 100 Millionen Euro werden nicht termingerecht fertig gestellt, übersteigen das angesetzte Budget um ein Vielfaches oder scheitern komplett. Gastgeber Prof. Dr. Peter Wotschke berief sich bei einer Tagung zur „Gesellschaftlichen Akzeptanz von Großprojekten“ mit internationaler Beteiligung an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin auf eine aktuelle Studie, wonach lediglich 34 Prozent solcher Vorhaben eine solide Zeitplanung zugrunde liege.
Referentinnen und Referenten aus Deutschland und Kanada diskutierten auf ihrer Tagung im März 2018 an konkreten Beispielen, ob ohne die frühzeitige Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern Mega-Vorhaben wie der Berlin-Brandenburgische Flughafen BER überhaupt planmäßig in Richtung Take-Off gesteuert werden können. Nicht zuletzt wegen unzureichender Berücksichtigung der Interessen aller Stakeholder und der fehlenden sozialen Akzeptanz kommen bauliche Großprojekte terminlich und finanziell immer wieder vom Kurs ab.
Das Wissen darum sei in Deutschland zwar Konsens, weiß Dr. Werner Reh, Leiter Verkehrspolitik der Umweltorganisation BUND, beanstandete in seinem Vortrag jedoch, dass die Erkenntnis noch unzureichend in Gesetzesvorlagen einfließe. Inzwischen ist verbindlich festgelegt, dass Bürgerinnen und Bürger in Deutschland einbezogen werden müssen. Allerdings gilt das lediglich für zukünftige Vorhaben. Wie weit primär von wirtschaftlichen Interessen getriebene Planung und öffentliche Zustimmung auseinander liegen können und mit welchen Folgen, zeigt das Bahnprojekt in Stuttgart. Konflikte um das milliardenschwere Bauvorhaben bremsen „Stuttgart 21“ aus. Verantwortliche haben neben der Kostenentwicklung vor allem die ökologischen Auswirkungen und den öffentlich Widerstand der Bevölkerung dagegen im Vorfeld falsch beurteilt und die damit verbundenen Risiken und politische Konsequenzen unterschätzt. Das kostet Glaubwürdigkeit, Akzeptanz und viel Geld. Gleiches trifft zu auf den Ausbau des Hauptstadtairports Berlin-Brandenburg (BER). Christian Michael Seel vom Bezirksamt Neukölln, Experte für Vergabe- und Staatsrecht, dokumentierte und reflektierte die Ursachen des holprigen Wegs zum neuen Flughafenstandort unter dem Titel „’Wutbürger’ versus ‘Made in Germany’“.
Solche Planungsfehler sind global zu beobachten. Master-Studierende des Studiengangs „Prozess- und Projektmanagement“ an der HWR Berlin und der kanadischen Partnerhochschule Université du Québec à Montréal (UQAM) untersuchten den Einfluss und die Auswirkungen der Bürgermobilisierung rund um öffentliche Großprojekte auf beiden Seiten des Atlantiks. In der Analyse, die sie in einem internationalen Workshop zur Tagung vorstellten, ging es um die Korrelation ökonomischer, ökologischer und sozialer Aspekte. Sie zeigten auf, wie am Ende des dynamischen Prozesses durch Bürgerbeteiligung idealerweise alle beteiligten Parteien (Stakeholder) sich auf einen (Minimal)-Konsens einigen können.
Sichtbarkeit, Legitimität und schnelles Reagieren auf potentielle oder sich anbahnende Kontroversen identifizierten die Forscher/innen als Schlüssel, um den Zugang zu weiten Teilen der Bevölkerung zu garantieren und auf deren Unterstützung bauen zu können. Überzeugungsarbeit gelinge nur durch vollständige Information und Transparenz und umfassendes Wissen über regionale Gegebenheiten. Im Vergleich zu Kanada, so das Ergebnis der Untersuchung, engagieren sich in Deutschland mehr Bürgerinnen und Bürger sowohl für, als auch gegen Projekte. Bürgerinitiativen artikulieren und vertreten ihre Interessen öffentlich und nehmen so Einfluss. In diesem Engagement liegt großes Potenzial.
„Der Bedarf an gut ausgebildeten und fähigen Projektmanagerinnen und Projektmanagern, die das Ziel eines Großvorhabens klar definieren und im Blick behalten, ist enorm“, so Wotschke. Der Professor für Baubetrieb und Bauwirtschaft Technik leitet den dualen Masterstudiengang „Prozess- und Projektmanagement“ an der HWR Berlin. Die Fähigkeit, Bürgerinnen und Bürger ins Boot zu holen, ihr Interesse zu wecken und die Bereitschaft zur konstruktiven Teilhabe zu fördern und zu nutzen, gewinne zunehmend an Bedeutung, sagt er. Projektmanager/innen definieren die Debattenkultur, schaffen Bürgerbewusstsein und verhindern so Fehlentwicklung von Großprojekten.
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
Die Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin ist mit über 11 000 Studierenden eine der großen Hochschulen für angewandte Wissenschaften – mit ausgeprägtem Praxisbezug, intensiver und vielfältiger Forschung, hohen Qualitätsstandards sowie einer starken internationalen Ausrichtung. Das Studiengangsportfolio umfasst Wirtschafts-, Verwaltungs-, Rechts- und Sicherheitsmanagement sowie Ingenieurwissenschaften in insgesamt mehr als 50 Studiengängen auf Bachelor-, Master- und MBA-Ebene. Die HWR Berlin unterhält aktuell rund 160 aktive Partnerschaften mit Universitäten auf allen Kontinenten und ist Mitglied im Hochschulverbund „UAS7 – Alliance for Excellence“. Als eine von Deutschlands führenden Hochschulen bezüglich der internationalen Ausrichtung von BWL-Bachelorstudiengängen belegt die HWR Berlin Spitzenplätze im deutschlandweiten Ranking des CHE Centrum für Hochschulentwicklung und nimmt auch im Masterbereich vordere Plätze ein. Aus einer bundesweiten Umfrage von DEUTSCHLAND TEST ist die Hochschule 2018 wiederholt als eine der „TOP Business Schools“ im Weiterbildungsbereich hervorgegangen. Die HWR Berlin unterstützt die Initiative der Hochschulrektorenkonferenz „Weltoffene Hochschulen – Gegen Fremdenfeindlichkeit“.
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Viele große Bauvorhaben laufen durch fehlende gesellschaftliche Akzeptanz nicht nach Plan. In einem ...
Foto: Rieloff, HWR Berlin
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Bauwesen / Architektur, Gesellschaft, Politik, Umwelt / Ökologie, Wirtschaft
überregional
Kooperationen, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
Viele große Bauvorhaben laufen durch fehlende gesellschaftliche Akzeptanz nicht nach Plan. In einem ...
Foto: Rieloff, HWR Berlin
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