In einem in der Zeitschrift „Science“ erschienenen Artikel verbinden Forscher des Vienna BioCenter Spitzentechnologien, um die Funktionen wichtiger Krebsgene zu entschlüsseln. Der Schlüssel zu diesem Erfolg ist eine innovative Methode namens „SLAMseq“, die plötzliche Änderungen in der Genexpression einfach messbar macht. Hierdurch ergeben sich neue Möglichkeiten zur Erforschung von krankheitsassoziierten Genen und zielgerichteten Medikamenten.
Alle Zellen in unserem Körper enthalten ein komplettes Verzeichnis genetischer Informationen, das menschliche Genom. Ihre Form und Funktion werden jedoch dadurch bestimmt, welche Gene aus diesem Verzeichnis ausgelesen und in Proteine, die Bausteine einer Zelle, übersetzt werden. Dieses „Auslesen“ aktiver Gene beginnt mit ihrer Transkription in sogenannte Messenger-RNAs (mRNAs), ein Prozess, der durch ein komplexes Netzwerk von Regulatoren gesteuert wird. Mutationen in diesen Regulatoren können Funktion und Identität von Zellen verändern und so zu Krebs und anderen Krankheiten führen. Gleichzeitig können Krebszellen durch die Hemmung abnormer Transkription getötet werden, was bestimmte Transkriptionsregulatoren zu attraktiven Zielen für die Arzneimittelentwicklung macht.
Um die Funktionsweise von Transkriptionsregulatoren zu verstehen, müssen die von ihnen gesteuerten Gene aufgeklärt werden. Mit üblichen Methoden wie der mRNA-Sequenzierung ist dies jedoch schwierig, da diese nicht zwischen direkten Zielgenen eines Regulators und indirekten Effekten unterscheiden können. Anstatt alle mRNAs in einer Zelle zu messen, ermöglicht eine neue Profilierungsmethode namens „SLAMseq“ den Forschern, diejenigen mRNAs zu erkennen, die in einem bestimmten Zeitraum neu gebildet wurden.
Der Erfinder dieser Methode, Stefan Ameres, und sein Team (Institut für Molekulare Biotechnologie – IMBA) haben sich nun mit dem Labor von Johannes Zuber (Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie – IMP) zusammengeschlossen, um SLAMseq weiterzuentwickeln und direkte Ziele von Krebsgenen und gegen sie gerichtete zielgerichtete Medikamente zu erforschen.
Wie in der Zeitschrift „Science“ berichtet, verwendete das Team diesen Ansatz, um die Funktion von zwei wichtigen Transkriptionsregulatoren, BRD4 und MYC, zu beleuchten, die als vielversprechende Angriffspunkte für Arzneimittel gegen Krebs gelten. Um direkt von BRD4 und MYC gesteuerte Gene zu entschlüsseln, kombinierten die Wissenschaftler SLAMseq mit neuen Werkzeugen zum gezielten Proteinabbau, wodurch sie BRD4 und MYC innerhalb von 30 Minuten eliminieren und die daraus resultierenden Änderungen in der mRNA-Produktion in der darauffolgenden Stunde messen konnten. Durch diese Experimente wurden die primären Funktionen von BRD4 und MYC in der Transkription geklärt, die bereits seit Langem Gegenstand einer kontroversen Debatte in der Wissenschaft sind.
Aufgrund seiner Einfachheit ermöglichte SLAMseq dem Team außerdem, die direkte Wirkung von Krebstherapeutika mit beispielloser Genauigkeit zu untersuchen. Es zeigte sich, dass BRD4-Inhibitoren, die aktuell in mehreren klinischen Studien untersucht werden, abhängig von der verabreichten Dosis entweder sehr spezifischen oder umfassende Änderungen in der Transkription führten. In Zusammenarbeit mit dem Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim haben die Wissenschaftler außerdem begonnen, SLAMseq zur Untersuchung von Kombinationstherapien zu verwenden, was eine der zahlreichen Anwendungen dieser neuen Methode darstellt.
„Wir sind fasziniert von den Möglichkeiten, die unsere Methode in der zukünftigen Krebsforschung eröffnet“, meint Matthias Muhar, Doktorand im Labor von Zuber, unter dessen Federführung die Studie durchgeführt wurde. „Mit SLAMseq erhält jedes biologische und klinische Forschungslabor ein einfaches Werkzeug, um die direkten Transkriptionsziele von bestimmten Genen, Zellprozessen und Arzneimitteln aufzuklären“. Seiner Meinung nach wird die Methode rasch von Wissenschaftlern auf der ganzen Welt übernommen werden, z.B. um neue Krebstherapien zu erforschen.
Darüber hinaus zeigt diese Studie auch die wissenschaftliche Kompetenz und den Teamgeist am Vienna BioCenter. Die beitragenden Labors sind an den drei Instituten IMP, IMBA und MFPL angesiedelt, in denen die wissenschaftliche Zusammenarbeit aktiv gefördert wird; eine Partnerschaft mit Lexogen, einem Biotechnologieunternehmen am Vienna BioCenter, hat bereits zur Entwicklung eines SLAMseq-Kits geführt, um die Methode der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen.
Originalveröffentlichung
Muhar, M., et al. (2018): „SLAMseq defines direct gene-regulatory functions of the BRD4-MYC axis.“ Science. doi: 10.1126/science.aao2793
Informationen zum Doktorandenprogramm des VBC
Das dieser Veröffentlichung zugrunde liegende Projekt wurde unter der Federführung eines Doktoranden des Vienna BioCenter ausgeführt. Interessieren Sie sich für eine erstklassige Ausbildung in der Molekularbiologie? Dann finden Sie mehr über die Ausbildungsmöglichkeiten am VBC unter: https://training.vbc.ac.at/
Bildlegende
Wissenschafter in Wien haben wichtige Krebsgene mit Hilfe der innovativen SLAMseq Methode charakterisiert, die plötzliche Änderungen in der Gentranskription sichtbar macht. Dieses und weitere Bilder unter https://imp.ac.at/supplements (Copyright: IMP).
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Über das Vienna BioCenter
Das Vienna BioCenter (VBC) ist einer der führenden Life Science-Standorte Europas.
Herausragende Forschungseinrichtungen, Bildungseinrichtungen und Unternehmen sind hier auf einem Campus vereint. Rund 1700 Angestellte, 1300 Studierende, 90 Forschungsgruppen,18 Biotech-Unternehmen und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 70 Ländern schaffen ein internationales und dynamisches Umfeld. www.viennabiocenter.org
Über das IMP
Das Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie betreibt in Wien biomedizinische Grundlagenforschung. Hauptsponsor ist der internationale Unternehmensverband Boehringer Ingelheim. Mehr als 200 Forscherinnen und Forscher aus 40 Nationen widmen sich am IMP der Aufklärung grundlegender molekularer und zellulärer Vorgänge, um komplexe biologische Phänomene im Detail zu verstehen. www.imp.ac.at
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Das IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie gehört zu den führenden biomedizinischen Forschungsinstituten in Europa. Im Fokus stehen medizinisch relevante Fragestellungen aus den Bereichen Stammzellbiologie, RNA-Biologie, Molekulare Krankheitsmodelle und Genetik. Das IMBA ist ein Tochterunternehmen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der führenden Trägerin außeruniversitärer Forschung in Österreich. www.imba.oeaw.ac.at
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
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