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23.05.2018 17:06

„Dauerhafter Frieden gelingt nicht ohne Vertrauen“

Viola van Melis Zentrum für Wissenschaftskommunikation
Exzellenzcluster „Religion und Politik“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster

    Internationale Friedens-Tagung des Exzellenzclusters in Münster eröffnet –Historiker Gerd Althoff im Eröffnungsvortrag zur Wirksamkeit vertrauensbildender Maßnahmen in Friedensprozessen – Praktiken und Strategien ähneln einander stark über Epochen hinweg –Uni-Rektor Johannes Wessels zur Aktualität geisteswissenschaftlicher Forschung – Teil der Ausstellung „Frieden. Von der Antike bis heute“ an fünf Orten in Münster – Kostenlose, öffentliche Vorträge noch bis Freitag

    Friedensschlüsse sind in der Geschichte Historikern zufolge vor allem durch demonstrative Maßnahmen der Vertrauensbildung gelungen. „Dazu gehörten die persönliche Zuwendung und Freundschaft, das gemeinsame Mahl und Scherzen oder Geschenke, wie sich an zahlreichen Beispielen gelungener Friedensschlüsse aus verschiedenen Epochen ablesen lässt“, sagte der Historiker Prof. Dr. Gerd Althoff am Dienstagabend zur Eröffnung der Tagung „FRIEDEN. Theorien, Bilder und Strategien von der Antike bis heute“ des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der WWU. „In einen Frieden, der auf Versöhnung zielt, investierten alle Konfliktparteien Vertrauen. Nur so gelang dauerhafter Frieden.“ Die früheren Feinde gaben sich so das Versprechen, dass ein freundschaftliches Verhältnis auch in Zukunft herrschen solle. „Vertrauensbildende Maßnahmen sind kein Patentrezept, erhöhen aber nach epochenübergreifenden Untersuchungen die Wahrscheinlichkeit für Frieden.“ Auch nach Verhandlungsende bedürfe der Frieden der Pflege. Jüngste Krisen zwischen Ost und West zeigten, man habe die Vertrauensbildung nach dem Kalten Krieg vernachlässigt. „Die Pflege des Friedens ist anstrengend, anspruchsvoll und darf nicht Routine werden“, so Althoff im Eröffnungsvortrag „Vertrauensbildung. Zur Geschichte einer elementaren Strategie der Friedensherstellung“.

    Der Rektor der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU), Prof. Dr. Johannes Wessels, würdigte in seinem Grußwort zur Tagungseröffnung die gesellschaftliche Relevanz geisteswissenschaftlicher Forschungen an der WWU. Das Thema Frieden zeige ihre hohe Aktualität. Durch zahlreiche Transfer-Aktivitäten wie öffentliche Tagungen, Ausstellungen und nicht zuletzt die Museen der Universität stelle diese der Gesellschaft wertvolles Wissen zur Verfügung. Der Sprecher des Exzellenzclusters „Religion und Politik“, der Religionssoziologe Prof. Dr. Detlef Pollack, unterstrich in seinem Grußwort, der Forschungsverbund befasse sich seit Jahren mit Fragen von Religionen, Frieden und Gewalt. Einerseits könnten Religionen Frieden stiften und zur Versöhnung auffordern, andererseits aber auch zu Gewalt aufrufen oder als gewalttätige Akteure auftreten. Während es in den bisherigen Forschungen intensiv um die religiöse Rechtfertigung von Gewalt in verschiedenen Epochen gegangen sei, würden künftig auch die Delegitimation von Gewalt sowie religiöse Utopien in den Blick genommen.

    Interessierte zu öffentlichen Vorträgen über Frieden eingeladen

    International ausgewiesene Forscherinnen und Forscher widmen sich auf der Tagung noch bis Freitag in Münster in 21 Vorträgen der Frage, warum Menschen zu allen Zeiten den Frieden wünschten, seine Bewahrung auf Dauer aber nie gelang. Interessierte sind zu den kostenlosen Vorträgen eingeladen. Die Tagung ist Teil der Ausstellung „Frieden. Von der Antike bis heute“, die die Themen in einer Vielzahl von Exponaten bis 2. September 2018 an fünf Orten in Münster präsentiert. Der Direktor des LWL-Museums, Dr. Hermann Arnhold, hob bei der Tagungseröffnung die gute interdisziplinäre Zusammenarbeit mit dem Exzellenzcluster hervor. Idee und Konzept der Ausstellung entstanden aufgrund der langjährigen Untersuchungen am Exzellenzcluster zum Frieden.

    Beispiel Westfälischer Frieden

    Alle Vorträge der öffentlichen Tagung sind im Auditorium des LWL-Museums für Kunst und Kultur, Domplatz 10, in Münster zu hören. Der Abendvortrag des Marburger Frühneuzeit-Historikers Prof. Dr. Christoph Kampmann beschäftigt sich am Donnerstag um 20.15 Uhr mit dem Thema „Friedensnorm und Sicherheitspolitik: Grundprobleme frühneuzeitlicher Friedensstiftung am Beispiel des Westfälischen Friedens“. Prof. Althoff veranstaltet die Tagung gemeinsam mit der Kunsthistorikerin Prof. Dr. Eva-Bettina Krems, der Philologin Prof. Dr. Christel Meier-Staubach und dem Historiker Prof. Dr. Hans-Ulrich Thamer vom Exzellenzcluster.

    Über Epochen hinweg lassen sich einander überraschend ähnliche Prinzipien und Praktiken der Vertrauensbildung erkennen, wie Prof. Althoff an einem Beispiel ausführte: „Ob im frühen 10. Jahrhundert oder im Kalten Krieg der 1970er und 1980er Jahre: In Krisensituationen schenkte man der Vertrauensbildung große Aufmerksamkeit, weil Feindschaft und Misstrauen Spuren hinterlassen hatten.“ So unterwarf der deutsche König Heinrich I. (919–936) in einer solchen Krisensituation zwar zunächst die mächtigen Fürsten seines Reiches, machte sie dann aber zu Freunden und gewährte ihnen weitgehend Unabhängigkeit. Eine besondere Rolle spielte stets das gemeinsame Mahl, wie der Historiker sagte. „Im Mittelalter wurde das Mahl vielfach als Mittel genutzt, um Bindungen herzustellen, zu festigen und zu verstetigen.“

    Vertrauensbildung von Heinrich I. bis zu Breschnew

    Zwei Friedens-Typen lassen sich in der Geschichte unterscheiden: der Verständigungs- oder Versöhnungsfrieden sowie der Diktat- oder Siegfrieden. Der erste war weit beständiger als der zweite, so Althoff. „Der Siegfrieden demütigte die Verlierer und glorifizierte die Sieger. Das war selten von langer Dauer.“ Beispiele waren die Zeit nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1871 und nach dem Ersten Weltkrieg vor 100 Jahren. Beim ersten Typ Frieden legte man Wert auf Vergebung, begnügte sich mit Genugtuungsleistungen und suchte Kompromisse.

    Beispiele für die Wirksamkeit vertrauensbildender Maßnahmen lassen sich auch im 20. Jahrhundert finden: Betont freundschaftlich etwa zeigten sich der deutsche Bundeskanzler Willy Brandt und der sowjetische Staatschef Leonid Breschnew. „In den 70er Jahren war die öffentlich sichtbare Vertrauensbildung von hohem Stellenwert: Man besuchte sich gegenseitig in Bonn oder auf der Krim, fuhr gemeinsam Schnellboot und ging schwimmen.“ Auch in der Gorbatschow-Ära wurden nach den Worten von Gerd Althoff vertrauensbildende Kontakte intensiviert, die das Ende des Kalten Krieges und die Wiedervereinigung brachten. „Fischen an der Wolga, Saumagen in Oggersheim und andere Akte der Vertrauensbildung sind bis heute im kulturellen Gedächtnis zumindest der Deutschen fest verankert.“ Dabei sei Frieden auch langfristig zu pflegen, wie im engen Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich seit dem Zweiten Weltkrieg. (sca/vvm)


    Weitere Informationen:

    https://www.uni-muenster.de/Religion-und-Politik/aktuelles/2018/apr/News_Multime...


    Bilder

    Prof. Dr. Hans-Ulrich Thamer, Prof. Dr. Detlef Pollack, Prof. Dr. Christel Meier-Staubach, Prof. Dr. Gerd Althoff, Prof. Dr. Eva-Bettina Krems, Prof. Dr. Johannes Wessels, Dr. Hermann Arnhold
    Prof. Dr. Hans-Ulrich Thamer, Prof. Dr. Detlef Pollack, Prof. Dr. Christel Meier-Staubach, Prof. Dr. ...
    Exzellenzcluster "Religion und Politik"/Martin Zaune
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Geschichte / Archäologie, Politik, Religion
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

    Prof. Dr. Hans-Ulrich Thamer, Prof. Dr. Detlef Pollack, Prof. Dr. Christel Meier-Staubach, Prof. Dr. Gerd Althoff, Prof. Dr. Eva-Bettina Krems, Prof. Dr. Johannes Wessels, Dr. Hermann Arnhold


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