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01.10.2003 16:00

Freies Häm "geht fremd" und blockiert Ionenkanäle

Stefanie Hahn Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Internationales Wissenschaftlerteam beschreibt in "Nature" eine neue Hemmfunktion der Häm-Gruppe

    Sperrfrist: 1. Oktober 2003, 19.00 Uhr

    Jena (01.10.03) Häm kennt fast jeder von uns. Es ist z. B. im roten Blutfarbstoff Hämoglobin eingebunden und gibt unserem Blut die Farbe. Doch dass die nicht-eiweißartige Häm-Gruppe "fremdgeht" und mit Proteinen von Ionenkanälen eine stabile Verbindung eingeht, verblüfft die Wissenschaftsgemeinde. In der morgen (02.10.) erscheinenden Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift "Nature" kann dieses spektakuläre Ergebnis nachgelesen werden.

    Ein internationales Forscherteam - angeführt von Wissenschaftlern der amerikanischen University of Pennsylvania, Philadelphia - wies nach, dass freie Häm-Moleküle sich an Kalzium-abhängige Ionenkanäle der Zellmembran binden und so lebenswichtige Transportmechanismen in Körperzellen lahm legen. Die zweite Besonderheit: Der Einbau des Häms in die Kanäle erfolgt ohne die bisher übliche Beihilfe von Biokatalysatoren (Enzymen). "Diese Erkenntnis ist ein Novum", berichtet Prof. Dr. Stefan Heinemann von der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der einer der Koautoren des Nature-Beitrags ist. Der Jenaer Biophysiker erforscht seit 1992 gemeinsam mit den amerikanischen Wissenschaftlern die Funktionsweise der Ionenkanäle. Diese sind in der Membran aller Körperzellen vorhanden und dienen dem Transport von geladenen Teilchen. Dabei wirken die Ionenkanäle wie eine Schleuse im zellulären Informationsstrom.

    Heinemann hat theoretische Hintergründe für die neuen Ergebnisse geliefert. "Die wichtigen Experimente sind jedoch in den USA durchgeführt worden", gibt er zu. "Es war bisher kein Protein bekannt, das Häm ohne Hilfe binden kann", erläutert der Jenaer Forscher. "Um so erstaunlicher war es für uns, dass es zu einer stabilen Bindung zwischen den Proteinen des Ionenkanals und des Häm kommt", so Heinemann weiter. Über die Bedeutung dieser Entdeckung im menschlichen Körper können die beteiligten Wissenschaftler nur spekulieren. "Wir wissen noch nicht wann und warum das freie Häm an die Kanäle andockt", sagt Heinemann. "Vielleicht ist es eine akute Gegenmaßnahme, wenn plötzlich die Konzentration des Häms im Blut schlagartig steigt", mutmaßt der Jenaer Grundlagenforscher.

    Um die Tragweite der neuen Erkenntnisse zu verstehen, muss man sich tiefer in die Funktionswelten der Ionenkanäle begeben. Kalzium-abhängige Kalium-Kanäle, von den Fachleuten Slo1 oder BK genannt, sind in der Oberfläche vieler Körperzellen vorhanden und helfen beim Informationsaustausch zwischen den einzelnen Zellen. In Nervenzellen spielen sie eine wichtige Rolle bei der Weiterleitung von Signalen. Sie helfen u. a. auch bei der Regulierung des Blutdrucks, indem sie für die Entspannung der glatten Muskelzellen sorgen. Essenziell für diesen Vorgang ist, dass sie Kalium-Ionen aus der Zelle hinauslassen. "Werden die Kanäle jedoch blockiert, könnten sich die Zellen nicht ,entspannen', wären also in einer Dauerkontraktion gefangen", veranschaulicht Heinemann ihre wichtige Funktion. Defekte Ionenkanäle sind beispielsweise die Ursache für vaskuläre oder auch neurodegenerative Erkrankungen. Bei der Aktivierung und Deaktivierung der Kanäle spielen z. B. bestimmte Oxidationsprozesse eine Rolle. Da die Häm-Gruppe üblicherweise auch beim Sauerstofftransport im Blut zum Einsatz kommt, könnte durch die neuentdeckte Verbindung mit dem Ionenkanal, der Kanal zum "Gassensor" werden. Doch dies ist bisher ebenfalls nur eine Arbeitshypothese Heinemanns.

    Der Leiter der Arbeitsgruppe Molekulare und zelluläre Biophysik der Universität Jena ist jedenfalls hocherfreut, dass er sein theoretisches Schärflein zu der "Nature-Publikation" beitragen konnte. Für ihn sind die neuen Ergebnisse ein Ansporn, sich weiter mit der Physiologie und Biophysik des ionalen Membrantransportes zu beschäftigen, was an der Friedrich-Schiller-Universität auch Thema des Graduiertenkollegs "Biomolekulare Schalter" ist, dessen Sprecher Stefan H. Heinemann heißt.

    Kontakt:
    Prof. Dr. Stefan H. Heinemann
    AG Molekulare und zelluläre Biophysik der Universität Jena
    Drackendorfer Str. 1, 07747 Jena
    Tel.: 03641 / 9325680
    E-Mail: ite@rz.uni-jena.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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