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23.06.2018 12:41

Mittelalterliche Handschrift kehrt nach 77 Jahren nach Berlin zurück

Jeanette Lamble Generaldirektion - Pressestelle
Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz

    In gemeinsamer Anstrengung gelang es vier Institutionen in Frank-reich, Deutschland und den U.S.A., eine mittelalterliche Handschrift wieder dorthin zurückzubringen, von wo aus sie vor 77 Jahren ihren über viele Jahre unbekannten Weg genommen hatte: in die Staats-bibliothek zu Berlin, Unter den Linden. Beteiligt waren die Pariser Société des manuscrits des assureurs français, die Bibliothèque Nationale de France mit Sitz in Paris, die B.H. Breslauer Foundati-on, New York, und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit der Staatsbibliothek zu Berlin.

    Im Jahr 1852 schenkte das Preußische Königshaus die kostbare mittelalterliche französische Handschrift, die sich zuvor im Besitz des Prinzen Heinrich befunden hatte, der damals Königlichen Biblio-thek, später Preußische Staatsbibliothek, heute Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. 1941 kam die Handschrift zu-sammen mit anderen Pretiosen der Bibliothek nach Schlesien ins Schloß Fürstenstein, um vor möglichen Kriegsschäden geschützt zu sein. Jedoch verlor sich dort ihre Spur, die mittelalterliche Hand-schrift galt jahrzehntelang als verschollen.

    Als die Pariser Société des manuscrits des assureurs français, SMAF, im Jahr 1980 eben diese Handschrift erwarb, war deren wahre Herkunft nicht feststellbar, denn schon Jahre zuvor waren Besitzstempel und Signaturen entfernt und der originale Einband durch einen anderen ersetzt worden. Die SMAF hatte, ebenso wie schon im Jahr 1972 ein anderer Käufer, die Handschrift im guten Glauben erworben. Erst 1996 konnte die Provenienz durch For-schungsarbeiten zweifelsfrei als Altbestand der Staatsbibliothek zu Berlin geklärt werden.

    Als sich die SMAF entschied, ihre inzwischen zum nationalen Kul-turgut Frankreichs erklärte Handschriftensammlung zu verkaufen, wurde diese von der BnF nahezu vollständig erworben, nicht jedoch die Handschrift mit der Berliner Provenienz, die zwischenzeitlich bekannt geworden war. Später bot die SAMF der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz den Rückerwerb der Hand-schrift an. Kürzlich nun gelang dank der Vermittlung und finanziert durch die B. H. Breslauer Foundation, New York, gegenüber der SMAF ein angemessener finanzieller Ausgleich.

    Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbe-sitz und Executive President Europa Nostra, erklärt, dass „noch mehrere Generationen mit den Folgen des Zweiten Weltkrieges, der von Deutschland ausging, werden umgehen müssen. In ganz Eu-ropa wurden Kulturgüter verlagert, gingen verloren oder wurden nachweislich zerstört, andere unterlagen unrechtmäßigen Aneig-nungen und vielerlei anderen Umständen. Dabei entstanden auch solche komplexen Rechtslagen, die wie im Fall der mittelalterlichen Handschrift nach einer pragmatischen Lösung verlangen. Ich bin dankbar, dass dies zwischen Paris und Berlin mithilfe unserer ame-rikanischen Freunde gelungen ist.“

    Bertrand de Feydeau, Präsident der Société des manuscrits des assureurs français, Paris, betont, dass „der Rat der SMAF sich mit der Entscheidung, der Staatsbibliothek zu Berlin die Handschrift zu einem Viertel des geschätzten Preises zu überlassen, insbesonde-re für die deutsch-französische Freundschaft aussprach. Damit würdigte die SMAF auch die enge Kooperation beider Länder, die trotz früherer schmerzhafter Phasen der gemeinsamen Geschichte ein fester Bestandteil der einstigen Gründung und des Gedeihens der Europäischen Union ist.“

    Der Präsident der B.H. Breslauer Foundation, New York, Felix de Marez Oyens: "Die spätmittelalterliche Handschrift über ‚das gute Regieren‘ wurde zu jener Zeit von Berlin aus in Sicherheit gebracht, in der kurz zuvor auch die Familie Breslauer gezwungen war, von eben hier zu fliehen und sich ebenfalls in Sicherheit zu bringen, al-lerdings in die entgegengesetzte Richtung. Die Folgen solcher Er-eignisse werden auch weiterhin den Kunst- und Antiquariatsmarkt verfolgen und beeinflussen. Wir können sicher sein, dass Martin und Berndt Breslauer, die dieser großartigen Berliner Bibliothek aufs Engste verbunden waren und deren Archive hier auf Dauer ihren Platz gefunden haben, es sehr begrüßt hätten, welche ent-scheidende Rolle ihre Stiftung bei der Rückführung der Handschrift Ms.gall.fol.177 jüngst gespielt hat."

    Barbara Schneider-Kempf, Generaldirektorin der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, würdigt vor allem „das kon-struktive Aufeinander-Zugehen der drei Präsidenten der Société des manuscrits des assureurs français, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz wie auch der B. H. Breslauer Foundation, die es ge-meinsam schafften, für die ungewöhnliche Problemlage eine ein-vernehmliche Lösung zu finden.“

    Die Handschrift Ms. gall. fol. 177

    Die Handschrift aus dem 15. Jahrhundert enthält auf 100 Perga-ment-Seiten zwei prachtvoll mit drei großen und 18 kleinen Miniatu-ren ausgemalte „Fürstenspiegel“. Fürstenspiegel sind Texte mah-nender und belehrender Art, die für Adlige und ihre Erzieher ver-fasst wurden, um den künftigen Regenten das Rüstzeug für gutes Regieren und Handeln mitzugeben. Enthalten sind
    a) Ghillebert de Lannoy (1386-1462), ein flämischer Adliger, schrieb zur Erziehung des jungen Karls des Kühnen (1433-1477), des Soh-nes des Herzogs von Burgund, einen Fürstenspiegel, die Instruction d’un jeune prince pour se bien gouverner envers Dieu et le monde. Eine überarbeitete Version seines Textes ist in der Berliner Hand-schrift überliefert.
    b) Auch Olivier de la Marche (1425-1502) war ein Adliger im Bur-gundischen Dienst, war Page, Sekretär und Gesandter. Sein Che-valier délibéré („Der entschiedene Ritter“) umfasst 2.704 Verse, die er Franz Phoebus (1466-1483), König von Navarra, einem Neffen des französischen Königs Ludwig XI., widmete.


    Weitere Informationen:

    http://Honorarfreie Abbildungen: http://staatsbibliothek-berlin.de/aktuelles/presse-news/pressebilder/aktuelle-th... || http://sbb.berlin/d0ayln


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    fachunabhängig
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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