Kieler Forschungsteam beschreibt erstmals fundamentale Mechanismen zur Steuerung der symbiotischen Beziehung von Algen und Nesseltieren
Bei der Entwicklung des Lebens auf der Erde hat sich bereits vor Millionen von Jahren das Konzept der Symbiose als erfolgreiche Strategie entwickelt, mit der sich Lebewesen unterschiedlicher Arten als eng verbundene Gemeinschaften im Kampf ums Dasein erfolgreich behaupten können. Warum sie diese Partnerschaften eingehen, was ihr eigentlicher Vorteil ist und welche molekularen Mechanismen dafür wichtig sind, ist allerdings noch weitgehend unerforscht.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1182 „Entstehen und Funktionieren von Metaorganismen“ an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) haben nun gemeinsam mit japanischen Forschenden vom Okinawa Institute of Science and Technology (OIST) und der Universität Okayama erstmals eine umfassende Charakterisierung symbiotischer Interaktionen am Beispiel der Kooperation des Süßwasserpolypen Hydra mit in seinem Zellinneren lebenden Chlorella-Algen vorgelegt. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in der aktuellen Ausgabe des international renommierten Fachjournals eLife.
Um die grundlegenden Mechanismen dieser Symbiose zu untersuchen, konzentrierte sich das Forschungsteam auf die Stoffwechselbeziehungen zwischen Hydra und den sie besiedelnden Algen. Die Organismen leben in einer sogenannten photosynthetischen Symbiose: Die Algen stellen also ihrem Wirt bestimmte Stoffwechselprodukte zur Verfügung, die sie aus der Umwandlung von Sonnenenergie gewinnen. Im Gegenzug beziehen sie vom Süßwasserpolypen Nährstoffe, die sie selber nicht erschließen können. „Diese Form des Zusammenlebens von Nesseltieren und Algen bildet eine extreme Form der Symbiose, in der die Algen ohne ihren Wirt nicht mehr lebensfähig sind. Die symbiotischen Algen geben dabei sogar Teile der Erbinformation auf und nutzen stattdessen die entsprechenden Strukturen des Süßwasserpolypen“, beschreibt Professor Thomas Bosch, Zell- und Entwicklungsbiologe an der CAU und Sprecher des SFB 1182, die Tragweite der zwischenartlichen Abhängigkeit. Auch Hydra selbst ist stark abhängig von den Symbionten, da die Chlorella-Besiedlung ihren Reproduktionserfolg fördert und den Tieren daher ohne die Algen deutliche Fitness-Nachteile entstehen würden.
„Unsere Ergebnisse zeigen zudem, welche konkreten Werkzeuge auf genetischer und molekularer Ebene notwendig sind, damit sich eine dauerhafte und stabile Symbiose im Laufe der Evolution herausbilden kann“, so Bosch weiter. Die Laboruntersuchungen ergaben zum einen, dass die Anwesenheit der Symbionten dazu führt, dass bestimmte für den Stoffwechsel verantwortliche Gene bei Hydra hochreguliert werden und so den Nährstofftransport zwischen Wirt und Symbiont begünstigen. Andererseits zeigte die Analyse der Algen-Gene, dass dem Symbionten die genetische Ausstattung fehlt, die zur Verwertung von Stickstoff notwendig ist und die Nährstoffversorgung daher zum Teil vom Wirt übernommen werden muss.
Insgesamt ist mit der nun vorgelegten Veröffentlichung eine der wichtigen Forschungsfragen der ersten Förderphase des SFB 1182 beantwortet: Ziel des damit verbundenen Teilprojekts war es, die treibenden Kräfte hinter der Ausbildung und dauerhaften Stabilität einer Symbiose zu identifizieren. Die Analyse der Interaktionen von Süßwasserpolypen und Algen verdeutlicht, dass die Entstehung der gegenseitigen existenziellen Abhängigkeit von Organismen vor allem von der Möglichkeit des gegenseitigen Nährstoffaustauschs und den damit verbundenen Vorteilen vorangetrieben wird. Die an relativ übersichtlichen Wechselwirkungen zwischen zwei einfach aufgebauten Lebewesen gewonnenen Erkenntnisse möchten die Forschenden in Kiel gemeinsam mit ihren internationalen Kolleginnen und Kollegen nun an komplexeren, multiorganismischen Interaktionsnetzen weiter vertiefen.
Das bessere Verständnis der symbiotischen Beziehungen von Nesseltieren und Algen ist über den reinen Erkenntnisgewinn hinaus auch als Modell für die Abschätzung der mit dem Klimawandel verbundenen Veränderungen von Meeresökosystemen relevant: Korallen sind zum Beispiel massiv von den Auswirkungen des globalen Wandels bedroht, da ein veränderter Nährstoffgehalt des Meereswassers ihre Fähigkeit zur Nahrungsaufnahme dramatisch beeinflusst. Von Gesundheit und Wachstum der Korallen hängen wiederum besonders umfangreiche, in den tropischen Korallenriffen angesiedelte Lebensgemeinschaften ab. Da Korallen ähnlich wie Süßwasserpolypen von bestimmten symbiotischen Bakterien für ihre Nährstoffaufnahme abhängig sind, ist eine genauere Kenntnis der zugrundeliegenden Mechanismen notwendig. Weiterführende Forschungsarbeiten müssen zeigen, ob das nun gewonnene Wissen auch auf die Symbiose von Korallen und Bakterien übertragbar ist und sich daraus künftig mögliche Anpassungsstrategien zum Schutz bedrohter tropischer Korallenriffe ableiten lassen.
Originalarbeit:
Mayuko Hamada, Katja Schröder, Jay Bathia, Ulrich Kürn, Sebastian Fraune, Mariia Khalturina, Konstantin Khalturin, Chuya Shinzato, Nori Satoh, Thomas C G Bosch (2018): Metabolic co-dependence drives the evolutionarily ancient Hydra-Chlorella symbiosis eLife
https://dx.doi.org/10.7554/eLife.35122
Ein Bild steht zum Download bereit:
http://www.uni-kiel.de/fileadmin/user_upload/pressemitteilungen/2018/207-hydra-c...
Bildunterschrift: Mikroskopische Abbildung von Hydra-Epithelzellen (Zellkerne in grün), die jeweils etwa 20-30 symbiotische Chlorella-Algen enthalten (in orange).
Abbildung: Jay Bathia
Kontakt:
Prof. Thomas Bosch
Zoologisches Institut, CAU Kiel
Tel.: 0431-880-4170
E-Mail: tbosch@zoologie.uni-kiel.de
Weitere Informationen:
Forschungsschwerpunkt „Kiel Life Science“, CAU Kiel
http://www.kls.uni-kiel.de
Sonderforschungsbereich 1182 „Entstehen und Funktionieren von Metaorganismen“, CAU Kiel:
http://www.metaorganism-research.com
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
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© Jay Bathia
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
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© Jay Bathia
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