450 Jahre Hohe Schule Jena:
Aus der Krise in den Fortschritt
Jena (14.10.98) Die Universität in Jena verdankt ihre Existenz dem bewußten Aufbruch aus einer Krise. Als in der Mitte des 16. Jahrhunderts wirtschaftliche, politische, geistige und religiöse Interessen aufeinander prallten, verloren die ernestinischen Herzöge zwar viel von ihrer Machtstellung im Reich, doch sie nutzten den äußeren Zusammenbruch ihrer Herrschaft für einen Neuanfang - darin stellt die Gründung einer lutheranischen Reformhochschule in Jena eines der wichtigsten Elemente dar. Diesen Aufbruch thematisiert die Ausstellung, die die Friedrich-Schiller-Universität Jena vom 18. Oktober bis 8. November, 10-18 Uhr, im Senatssaal anläßlich des 450. Jubiläums ihrer Gründung als Hohe Schule zeigt.
Jena trat an die Stelle der Universität Wittenberg. Diese verlor Johann Friedrich I. (1503-1554) zusammen mit seinem sächsischen Kurfürstentum nach der Niederlage im Schmalkaldischen Krieg. Johann Friedrich - im Volksmund nur Hanfried genannt - unterlag als Haupt des 1531 zur Verteidigung des Protestantismus geschlossenen Schmalkaldischen Bundes dem Heer Kaiser Karls V. am 24. April 1547 in der Schlacht bei Mühlberg an der Elbe. Er geriet in Gefangenschaft und büßte etwa zwei Drittel seiner Länder ein: Ihm blieben nur die Gebiete um Eisenach und Gotha sowie Weimar, Jena, Saalfeld und Coburg.
Selbst in dieser von politischen, territorialstaatlichen, wirtschaftlichen, sozialen und religionspolitischen Faktoren geprägten Krisensituation, die den Fortbestand ihrer Dynastie täglich in Frage stellte, wollten die Ernestiner bewußt die Tradition, die wahre lutherische Lehre zu verteidigen, fortsetzen. Obwohl Philipp Melanchthon an die vom neuen Kurfürsten Moritz von Sachsen wiedereröffnete Universität Wittenberg zurückgekehrt war, sahen die Ernestiner das wahre Luthertum nur durch die neue Jenaer Hohe Schule vertreten: Sie galt ihnen nun als das "bessere Wittenberg".
Aus der heutigen Perspektive erscheint es sonderbar, daß für Hanfrieds Söhne, die im Namen ihres gefangenen Vaters regierten, die Errichtung einer neuen Hohen Schule so wichtig war. Doch diese Gründung löste zahlreiche Schwierigkeiten mit einem Schlag. Für die Ernestiner war der Besitz einer Universität Tradition. Schon aus Gründen der Reputation ihrer Dynastie und in Konkurrenz zu ihren albertinischen Vettern wollten sie darauf nicht verzichten. Die Hohe Schule in Jena war darüber hinaus als geistig-kulturelles Zentrum das Gegenstück zum neuen herrschaftlichen Mittelpunkt ihrer Hauptresidenz in Weimar. Motiviert wurden sie auch dadurch, daß mit dieser neuen protestantischen Bildungsinstitution ihr landesherrlicher Anspruch gesichert werden konnte. Die Hochschulgründung war für die Ernestiner somit ein geeignetes Mittel, um die Krisen erfolgreich zu bewältigen.
Doch die Neugründung in Jena gewann trotz aller politischer und wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Herzöge schnell feste Fundamente. Philipp Melanchthon - nach Luthers Tod der "Star" in Wittenberg - sollte zunächst nach Jena geholt werden, um die institutionelle Kontinuität zu Wittenberg auch personell zu wahren. Da der Gelehrte jedoch die politischen und finanziellen Risiken fürchtete, blieb er seiner bisherigen Universität treu. Im neuen Akademischen Gymnasium in Jena ersetzten ihn zwei seiner Schüler: der Theologe Victorin Strigel (1524-1569) und der Rhetoriker und Dichter Johannes Stigel (1515-1562). Unterstützung fanden sie in den folgenden Jahren durch zahlreiche neuberufene Gelehrte, die das "richtige Luthertum" verteidigen und deshalb nicht in Wittenberg lehren wollten.
Bereits im März 1548 hatten die Söhne Hanfrieds eine rasche Entscheidung zur Neugründung in Jena getroffen. Sie befürchteten sonst den Verlust Strigels und seiner (zahlenden) Studenten. Außerdem hatten zahlreiche weitere Untertanen die Gründung der Einrichtung gefordert. Am 19. März 1548 wurde deshalb das akademische Gymnasium feierlich eröffnet. Ob dies tatsächlich ohne Zustimmung des noch immer gefangenen Vaters geschah, der sich erst brieflich am 22. März äußerte, läßt sich anhand der Quellen nicht entscheiden.
171 Personen schrieben sich im Jenaer Dominikanerkloster, dem späteren Collegium Jenense, für das erste Semester ein und wurden von Strigel und Stigel unterrichtet. Für das Renommee der jungen Hohen Schule war wichtig, daß die kurfürstliche Bibliothek Hanfrieds (Bibliotheca Electoralis) mit rund 3.000 Bänden, die in Wittenberg als Universitätsbibliothek gedient hatte, dem Jenaer Akademischen Gymnasium zur Verfügung gestellt wurde. Damit wurde ein weiteres Zeichen für den Anspruch gesetzt, daß die Neugründung in Jena die Kontinuität der alten ernestinischen Universität in Wittenberg fortsetzen sollte.
Die zahlreichen Krisen im Reich hatten also die Neugründung einer Hohen Schule in Jena eher gefördert als sie verhindert. Die von neuen religions- und reichspolitischen Auseinandersetzungen geprägten Folgejahre konnten die junge Bildungseinrichtung zwar gefährden. Aber im Endergebnis trugen auch sie dazu bei, daß die Hohe Schule 1557 mit einem Privileg des römischen Königs Ferdinand I. im Reich allgemein als Universität anerkannt wurde. Damit konnte sie sich 1558 offiziell als führende lutheranische Reform-Universität präsentieren, als welche sie die Ernestiner bereits 1548 konzipiert hatten.
Hinweis für die Redaktionen:
Zur Ausstellung "Aufbrüche - 450 Jahre Hohe Schule Jena", die vom 18. Oktober bis 8. November, 10.00-18.00 Uhr, im Senatssaal des Jenaer Universitätshauptgebäudes (Fürstengraben 1) zu sehen ist, können Farb- und Schwarz-Weiß-Fotos einiger Exponate angefordert werden. Bestellungen richten Sie bitte an das Referat Öffentlichkeitsarbeit der Universität Jena, 07740 Jena, Tel.: 03641/931030, Fax: 03641/931032.
Friedrich-Schiller-Universität
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Axel Burchardt M. A.
Fürstengraben 1
07743 Jena
Tel.: 03641/931041
Fax: 03641/931042
e-mail: hab@sokrates.verwaltung.uni-jena.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, fachunabhängig
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Organisatorisches, Wissenschaftspolitik
Deutsch
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