Slawist der Friedrich-Schiller-Universität Jena legt mit neuem Band zu „Natur und Mensch im Donaudelta“ einen Reiseführer der etwas anderen Art vor
Für Botaniker und Ornithologen ist derzeit Hochsaison. Viele von ihnen können auf ein Füllhorn an Fachliteratur zurückgreifen. Nicht so jene Naturliebhaber und Wissenschaftler, denen es Europas größtes Feuchtgebiet, das in Rumänien und der Ukraine gelegene Donaudelta mit seiner Gesamtfläche von 5.640 Quadratkilometern, angetan hat. Für diese einzigartige, ständigen Veränderungen unterworfene Landschaft gebe es in jüngerer Zeit erfreulicherweise eine wachsende Zahl an Publikationen, erläutert Prof. Dr. Thede Kahl von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Dabei würden jedoch, so der Slawist, „Bildbände über die Natur und wissenschaftliche Aufsätze zu sehr spezifischen Themen überwiegen“. Für den Spezialisten für die Minderheiten Südosteuropas und ihre Sprachen Grund genug, selbst aktiv zu werden. Mit „Natur und Mensch im Donaudelta“ (Reihe Forum: Rumänien 36) hat er nun die erste länderkundliche Übersicht für diesen Lebensraum vorgelegt. Dabei habe er „nach Ausdrucksformen der Liebe für eine Landschaft gesucht. Es ist eine Annäherung, die Raum und Mensch über die wissenschaftliche Sicht hinaus verständlicher machen soll“, betont Kahl.
Der Fluss bestimmt den Lebensraum stärker als die Menschen
Der handliche Band passt in jedes Reisegepäck. Zwar bietet er keine touristischen Informationen im herkömmlichen Sinn, dafür jedoch – dem länderkundlichen Schema folgend – für jedermann eine Menge Wissenswertes über Lage und Gestalt, Klima und Vegetation, Geschichte und Architektur, Flora und Fauna sowie die ethnische und wirtschaftliche Struktur der Bevölkerung in einem Lebensraum, der stärker von dem Fluss als von den Menschen bestimmt wird. Das Buch erhebt den Anspruch, alle einheimischen Vögel, die regelmäßig im Delta vorkommen, und einen Großteil der Pflanzenarten zu verzeichnen. Bei anderen Tieren – insgesamt wurden allein im Biosphärenreservat über 4.000 Arten bestimmt – finden die Leser vor allem die bedrohten und augenfälligsten, etwa Goldschakal, Bisam, Wasserbüffel und die Nachkommen der Huzulenpferde.
Die in der Natur zu erlebende Vielfalt spiegelt sich auch in der ethnischen Struktur wider, leben doch in der Umgebung des Deltas zahlreiche Minderheiten. Bei der für das Buch notwendigen Auswahl konzentrierte sich der Autor auf jene Ethnien, die historisch gesehen am längsten für die Region von Bedeutung sind. Dazu gehören die ab dem 17. Jahrhundert aus Glaubensgründen eingewanderten Russen, die Lipowaner. Sie sind heute eine Minderheit, während die erst später ins Delta eingewanderten Rumänen inzwischen die Mehrheit bilden. Doch ganz gleich, ob Lipowaner, Rumänen oder die ursprünglich aus der Ukraine stammenden Chacholen – sie alle halten trotz der inzwischen internationalen wirtschaftlichen Bedeutung des Flusses an Lebensformen fest, die sich in den zurückliegenden 400 Jahren kaum verändert haben, etwa der Subsistenzwirtschaft.
Bedrohung von Natur und Mensch
Neben dem Kapitel zur wirtschaftlichen Situation widmet der Autor ein weiteres der Bedrohung von Natur und Mensch sowie bereits ergriffenen und geplanten Maßnahmen zu ihrem Schutz. Ein Beispiel sind die Schäden, die durch das Trockenlegen großer Flächen des Deltas zur Gewinnung von Ackerland entstanden und die begonnene Renaturierung. Aber auch das Aussterben alter Lebensformen durch eine neue, zugewanderte Gesellschaft spielt eine Rolle.
Übersichtlich aufgebaut, mit unzähligen, teils vergleichenden Fotos, Karten sowie einem Verzeichnis wissenschaftlicher Tier- und Pflanzennamen ausgestattet, ist das Buch natürlich eine wissenschaftliche Abhandlung. Darüber hinaus aber erweist es sich trotz naturgemäß vieler Fachbegriffe als eine wahre Fundgrube für all jene, die sich für Land und Leute eben dieser Region interessieren – und ist damit ein Reiseführer der etwas anderen Art.
Bibliographische Angaben:
Thede Kahl: Natur und Mensch im Donaudelta, Reihe Forum: Rumänien 36; Frank & Timme - Verlag für wissenschaftliche Literatur, Berlin 2018, 244 Seiten, 272 Fotos, 8 Karten, 24,80 Euro, ISBN: 978-3-7329-0438-9 (auch als E-Book erhältlich)
Kontakt:
Prof. Dr. Dr. h. c. Thede Kahl
Institut für Slawistik und Kaukasusstudien der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Ernst-Abbe-Platz 8, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 944725
E-Mail: thede.kahl[at]uni-jena.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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