idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
02.08.2018 17:00

Wie faltet sich das menschliche Gehirn?

Katrin Boes Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik

    Dresdner Forscher finden molekularen Mechanismus der menschlichen Hirnfaltung

    Im Laufe der Evolution hat sich das menschliche Gehirn immer mehr vergrößert, insbesondere in dem als Neokortex bezeichneten Teil der Großhirnrinde. Dieser Teil des Gehirns ist für höhere kognitive Funktionen wie Sprache oder Denken zuständig. Damit eine solche Vergrößerung überhaupt möglich ist, faltet sich das Gehirn während der fötalen Entwicklung. Diese Faltung ermöglicht es erst, den vergrößerten Neokortex in dem beengten Schädelraum unterzubringen. Dabei ist die richtige Anzahl und Position der Faltungen während der Entwicklung entscheidend dafür, dass das Gehirn richtig funktionieren kann. Wenn bei diesem Faltungsprozess Fehler unterlaufen, wie es bei einer Entwicklungsstörung namens Lissenzephalie („glattes Gehirn“) der Fall ist, kann dies zu kognitiven Funktionsstörungen führen. Bisher wussten Forscher allerdings nur sehr wenig darüber, welche Moleküle die Faltung des menschlichen Gehirns auf welche Art und Weise beeinflussen. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden haben nun, in Zusammenarbeit mit Kollegen vom Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden e. V. (IPF) und am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden (UKD), einen neuartigen Mechanismus identifiziert, der für die Faltung des menschlichen Neokortex essenziell ist und von der extrazellulären Matrix aus gesteuert wird. Die Forscher veröffentlichten ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift Neuron.

    Vom Neokortex aus werden viele der höheren kognitiven Funktionen gesteuert, die charakteristisch für den Menschen sind, wie unsere Sprache oder die Fähigkeit zu lernen. Dieser Teil des Gehirns hat sich während der menschlichen Evolution stark vergrößert. Ein wesentlicher Aspekt dieser Vergrößerung ist die Faltung der Hirnrindenoberfläche. Daher ist es wichtig, besser zu verstehen, wie sich das menschliche Gehirn faltet. Um dies zu erforschen, untersuchten Wissenschaftler des MPI-CBG in Zusammenarbeit mit Kollegen des IPF und des UKD eine mögliche Rolle der extrazellulären Matrix bei der Hirnfaltung. Die extrazelluläre Matrix ist ein dreidimensionales makromolekulares Netzwerk außerhalb der Zellen und wurde in vergangenen Studien bereits mit der Vergrößerung des Neokortex in Verbindung gebracht. Die Forscher konzentrierten sich dabei auf drei Proteine in der extrazellulären Matrix: Hyaluronan und Proteoglycan Link Protein 1 (HAPLN1), Lumican und Kollagen I. Dr. Katherine Long, die Erstautorin der Studie, erklärt: „Als wir diese drei Proteine zu Gewebekulturen von fötalem menschlichen Neokortex hinzufügten, begann sich die kortikale Oberfläche zu falten! Diese Faltung war mit einem lokalen Anstieg an Hyaluronsäure verbunden, die sich als wesentlich für die Faltung erwies.“ Weitere Experimente zeigten: Wenn Hyaluronsäure im Hirngewebe reduziert wurde, wurde die Wirkung der drei Proteine auf den Faltungsprozess blockiert und die Faltung entweder gestoppt oder sogar rückgängig gemacht.

    Prof. Wieland Huttner, der die Studie leitete, fasst zusammen: „Unsere Forschungsergebnisse sind ein bisher fehlendes Bindeglied zwischen früheren genetischen und biophysikalischen Studien. Wir haben damit ein neues Modellsystem zur Untersuchung der Faltung des menschlichen Neokortex entwickelt. Dieses System gibt auch Aufschluss über Störungen der menschlichen Gehirnentwicklung.“

    -------------------

    Das Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) ist eines von 84 Instituten der Max-Planck-Gesellschaft, einer unabhängigen gemeinnützigen Organisation in Deutschland. 500 Menschen aus 50 Ländern aus den verschiedensten Disziplinen arbeiten am MPI-CBG und lassen sich von ihrem Forscherdrang antreiben, um die Frage zu klären: Wie organisieren sich Zellen zu Geweben?


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Wieland Huttner
    +49 (0) 351 210 1500
    huttner@mpi-cbg.de

    Katie Long
    +49 (0) 351 210 1483
    long@mpi-cbg.de


    Originalpublikation:

    Katherine R. Long, Ben Newland, Marta Florio, Nereo Kalebic, Barbara Langen, Anna Kolterer, Pauline Wimberger, Wieland B. Huttner: “Extracellular Matrix Components HAPLN1, Lumican, and Collagen I Cause Hyaluronic Acid-Dependent Folding of the Developing Human Neocortex.” Neuron, 02. August, 2018.


    Bilder

    Fötales menschliches Neokortex-Gewebe in Kultur, einerseits ohne Behandlung mit glatter Hirnrinde (Bild oben), andererseits nach ECM-induzierter Faltung mit gefalteter Hirnrinde (Bild unten).
    Fötales menschliches Neokortex-Gewebe in Kultur, einerseits ohne Behandlung mit glatter Hirnrinde (B ...
    Long / Huttner, MPI-CBG, Neuron 2018
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Fötales menschliches Neokortex-Gewebe in Kultur, einerseits ohne Behandlung mit glatter Hirnrinde (Bild oben), andererseits nach ECM-induzierter Faltung mit gefalteter Hirnrinde (Bild unten).


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).