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09.10.2003 09:25

Wenn Fledermäusen lila vor Augen wird - Neuer Mechanismus des UV-Sehens bei Säugetieren

Cornelia Glees-zur Bonsen Stabsstelle Kommunikation und Presse
Ludwig-Maximilians-Universität München

    München, 8. Oktober 2003 - Viele Fische, Reptilien, Vögel und Insekten tun es: Sie sehen UV-Licht. Die meisten Säugetiere aber haben diese Fähigkeit im Laufe ihrer Entwicklung verloren. Nachgewiesen wurde sie bisher nur bei Beutel- und kleinen Nagetieren. PD Dr. York Winter vom Department Biologie II der LMU konnte jetzt in Zusammenarbeit mit einem deutschen und einem guatemaltekischen Kollegen nachweisen, dass Blütenfledermäuse dank eines einzigartigen Mechanismus ebenfalls über diese Fähigkeit verfügen (Nature, Bd. 425, S. 612-614, 2003). "Im Laufe ihrer Entwicklung haben die Plazentalier, die zusammen mit den Beuteltieren die Gruppe der Säuger bilden, die bei anderen Wirbeltieren noch vorhandene Anpassung an das UV-Sehen verloren", so Winter. "Wegen der vorwiegend nachtaktiven Lebensweise war diese Fähigkeit bei den evolutiv ersten Säugetieren überflüssig." Der Bedarf entstand aber wieder bei einigen Arten, etwa Nektar fressenden Fledermäusen, die damit UV-reflektierende Blüten besser wahrnehmen können. Das kalte Nachtlicht ist reich an UV. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass eine Fledermausart die Fähigkeit zur UV-Wahrnehmung nachträglich noch einmal entwickeln konnte, obwohl die ursprünglich dafür nötigen Körperstrukturen nicht mehr vorhanden sind.

    Die Säugetiere bestehen aus zwei großen Gruppen: Beuteltieren und Plazentaliern. Beuteltiere bringen ihre Jungen sehr früh zur Welt und lassen sie in einer Art Tasche außerhalb des mütterlichen Körpers weiterwachsen. Die höher entwickelten Plazentalier dagegen tragen ihre Jungen für sehr viel länger im Körper, wobei eine Plazenta als Kontaktorgan zwischen dem mütterlichen Körper und den Jungen gebildet wird. Früher war wohl beiden Gruppen die Fähigkeit der UV-Wahrnehmung eigen. Die Beuteltiere behielten sie bei, die Plazentalier nicht - mit der Ausnahme einiger weniger Arten.
    So konnte gezeigt werden, dass manche kleine Nagetiere UV-Licht sehen, wodurch sie vermutlich stark UV-Licht reflektierenden Urin besser wahrnehmen können. Dasselbe "Urin-Signal" nutzen aber auch Raubvögel, allerdings um die Nager als Beute aufzuspüren. Die Nagetiere selbst dagegen kommunizieren möglicherweise mit Hilfe dieser "sichtbaren" Hinterlassenschaft mit ihren Artgenossen. Bei ihnen konnten Zellen in der licht-empfindlichen Zellschicht im Hintergrund des Auges, der Netzhaut, nachgewiesen werden, die UV-Licht wahrnehmen. Manche dieser Arten sind allerdings nur nachts aktiv, wenn kein UV-Licht zu sehen ist. Wozu ihnen die UV-Wahrnehmung nutzt, ist bislang noch unklar.

    Überhaupt ist UV-Tüchtigkeit nicht nur von Vorteil. Die Strahlung ist zellschädigend, und die meisten Säuger haben Filter in den Augen, um sie abzublocken. York Winter konnte zeigen, dass bei der farbenblinden Blütenfledermaus nur ein einziger Rezeptortyp in der Netzhaut, in den Stäbchen, für die Wahrnehmung der Wellenlängen im UV-, aber auch im grünen Bereich zuständig ist. Dieser Mechanismus war bei Säugern bisher unbekannt. Anderen Tierarten ermöglicht das UV-Sehen ein anderer licht-empfindlicher Zelltyp, die Zapfen "Die Fledermäuse haben im Laufe ihrer Entwicklung die Zapfen wohl vollständig verloren", so Winter. "Als UV-Wahrnehmung wieder erwünscht war, blieb nichts anderes als der erweiterte Gebrauch der Stäbchen übrig." Damit bleiben sie aber farbenblind.

    Fledermäuse sind vor allem für die Echolokation, also Ultraschall-Ortung von Beutetieren, bekannt. Sie haben aber auch sehr gute Augen und einen hervorragenden Geruchssinn. Blütenfledermäuse, die von Mexiko bis Argentinien vorkommen, ernähren sich von Pollen und Nektar, aber auch Früchten und Insekten. Die Tiere können - ähnlich wie Kolibris - in der Luft vor Blüten stehen bleiben und haben keine Probleme damit, den Nektar aus den Blüten zu lecken, wie auch ihr Name verrät: Langzungenfledermäuse. Viele der tropischen Pflanzen, deren Befruchtung von Blütenfledermäusen vermittelt wird, haben violette oder weiße Blüten, die ultraviolettes Licht stark reflektieren. (suwe)

    Ansprechpartner:

    PD Dr. York Winter
    Department Biologie II der LMU
    Phone: 089/5902-284 und 08157/932-233
    E-Mail: winter@zi.biologie.uni-muenchen.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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