Welche Menschen sind es, die für höhere Tierwohl-Standards bereit sind, an der Supermarktkasse mehr für Eier und Fleisch zu zahlen? Erstmals haben Wissenschaftler der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) in einer Studie untersucht, ob und welche moralischen Haltungen beim Konsum zu Grunde liegen. Die überraschenden Ergebnisse: Es gibt einen großen Wertepluralismus in der Bevölkerung. Und es gibt zahlreiche Menschen, die zwar nichts zahlen wollen, sich aber dennoch um das Wohl von Tieren sorgen. Diese sehen aber vor allem die Politik in der Pflicht, in dieser Sache tätig zu werden und nicht den Konsumenten. Die Studie ist in der Fachzeitschrift "PLOS ONE" erschienen.
Die Ökonomik geht grundsätzlich davon aus, dass Menschen utilitaristisch handeln, das heißt in klarer Kosten-Nutzen-Abwägung das für sie Vernünftigste kaufen. Die Auswertung von rund 1.300 Datensätzen aus einer Umfrage zum Tierwohl an der Professur Agrar-, Umwelt- und Ernährungspolitik des Instituts für Agrar- und Ernährungswissenschaften der MLU zeigt jedoch, dass diese Annahme für die sogenannten "ethischen Konsumenten" zu kurz greift. "Es sind nicht alle Menschen gleich gestrickt, nicht alle denken immer an ihren Nutzen", sagt Ökonomin Dr. Frauke Pirscher, die mit dem Philosophen und Biologen PD Dr. Dr. Ulrich J. Frey die Studie durchführte. Besonders in Fragen des Tierwohls fänden sich in zunehmendem Maße altruistische Haltungen und Tierrechtspositionen in der Bevölkerung. Es stellte sich für die Forscher daher die Frage, ob sich in dieser moralischen Haltung auch eine Zahlungsbereitschaft widerspiegelt oder nicht.
In einer Online-Befragung verknüpften sie zum Beispiel Fragen zur Zahlungsbereitschaft für Eier mit denen nach mehr Platz in den Ställen für Legehennen oder der Bereitschaft, mehr Geld für Schweinefleisch zu zahlen, wenn sicher sei, dass Kastrationen an Schweinen nur mit Betäubung durchgeführt würden. "Wir konnten zeigen, dass vor allem solche Menschen mit einem allgemeinen Umweltbewusstsein auch bereit sind, am meisten für Tierwohl auszugeben", sagt Pirscher.
Es gibt aber auch eine Anzahl an Menschen - neun Prozent der insgesamt Befragten -, die nicht bereit ist, für Tierwohl zu zahlen. Eine nähere Untersuchung ihrer Motive zeigte jedoch, dass mehr als die Hälfte der Zahlungsverweigerer (60 Prozent) Tierschutz dennoch als moralische Frage ansieht. Sie lehnen es aber ab, moralische Fragen über den Markt - hier in Form von Zahlungsbereitschaft für höhere Tierschutz-Standards - zu lösen. "Das heißt, die Gruppe derjenigen, denen artgerechte Haltung aus moralischen Gründen wichtig ist, ist größer als die, die tatsächlich bereit ist, dafür zu zahlen. Moralische Haltungen spiegeln sich also nicht allein im Marktverhalten der Konsumenten wider", sagt Pirscher.
Was das bedeutet? "Für wissenschaftliche Untersuchungen zur Zahlungsbereitschaft von Konsumenten heißt das, dass fehlender Zahlungswille nicht automatisch mit Desinteresse gleichzusetzen ist. Für die Politik bedeutet es, dass die moralische Haltung die Akzeptanz oder Ablehnung marktbasierter Regulierungsinstrumente mit beeinflusst", sagt Pirscher. Bisher habe Ethik in der Betrachtung kaum eine Rolle gespielt.
Frey UJ, Pirscher F (2018) Willingness to pay and moral stance: The case of farm animal welfare in Germany. PLoS ONE 13(8): e0202193. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0202193
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, jedermann
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Philosophie / Ethik, Tier / Land / Forst
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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