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09.10.2003 12:35

Kiefer- Gesichtsschmerz

Markus Brakel Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde e.V.

    "Kiefer- Gesichtsschmerz verstehen - erkennen - behandeln" Unter diesem Generalthema steht die 127. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde vom 16.-18.10.2003 im Eurogress in Aachen.

    Die Veranstaltung der DGZMK erfolgt gemeinsam mit dem Interdisziplinären Arbeitskreis für Zahnärztliche Anästhesie der Akademie Praxis und Wissenschaft in der DGZMK.

    Schmerz als älteste Form der Wahrnehmung ist ein Warnsignal vor einer möglichen Schädigung von Geweben und Organstrukturen. Diese trockene Charakterisierung umreißt die biologische Funktion, wird aber aus Sicht der Patienten in erster Linie als Leiden, Beeinträchtigung der Lebensqualität und Minderung der Erwerbsfähigkeit erlebt.
    In der Bundesrepublik Deutschland leiden 6 - 7 Millionen Einwohner an dauerhaften Schmerz-zuständen, was sich auch im Analgetikaverbrauch der frei erwerbbaren Präparate niederschlägt. Durchschnittlich werden 60 Einzeldosen pro Einwohner und Jahr eingenommen. Neben den Schmerzen des Bewegungsapparates gehören Kopf-, Kiefer- und Gesichtsschmerzen zu den häufigsten Diagnosen in der Bevölkerung - so litten über 80% der Bevölkerung schon über längere Zahnschmerzattacken und über 70% unter länger dauernden Kopfschmerzen. Andererseits leiden mehr als 100.000 Einwohner in Deutschland durch langfristige Einnahme von Schmerzmitteln an analgetikainduziertem Kopfschmerz.
    Die Einstellung zum Schmerz und in der Konsequenz auch zur Schmerztherapie hat sich im Laufe der Zeit entscheidend gewandelt. Schmerz wird nicht mehr als Erduldung einer auferlegten Bürde akzeptiert, sondern als Fehlfunktion und damit als eine zu therapierende Krankheit.
    In der modernen Schmerztherapie unterscheidet man zwischen akuten Schmerzen und chronischen Schmerzerkrankungen. Akuter Schmerz ist überwiegend durch eine Gewebsschädigung ausgelöst und bildet sich parallel mit der Ausheilung wieder zurück. Er ist daher selbst begrenzend und erfüllt eine sinnvolle Warnfunktion. Behandlung dieser Schmerzzustände einschließlich der postoperativen Schmerztherapie ist heute ein gut beherrschbares Problem. Die zur Verfügung stehenden Analgetika einschließlich der Opioide können diese wirksam bekämpfen. Die wesentliche Herausforderung stellt jedoch der chronische Schmerz dar. Die Behandlung von chronischen Schmerzen wirft zunächst erhebliche diagnostische und in der Konsequenz therapeutische Probleme auf. Dies um so mehr, als sich chronischer Schmerz über die Zeit zu einem weitestgehend eigenständigen Krankheitsbild entwickelt und die körperlichen, seelischen und sozialen Fähigkeiten des Patienten weitestgehend einschränkt.
    Gerade für den chronischen Schmerzpatienten ist der Versorgungsgrad in Deutschland unzureichend. Dies liegt zum einen an einer zu geringen Zahl von Interdisziplinären Schmerzzentren und andererseits an der nicht ausreichenden regionalen Zahl von Schmerztherapeuten.
    Aufgrund der unterschiedlichen Ausgangsbedingungen erfordert Schmerz in der überwiegenden Zahl ein interdisziplinären Zugang.
    Mit seinem Jahresthema Kiefer- / Gesichtsschmerz möchte der Jahreskongress der DGZMK diese Interdisziplinarität des Schmerzverstehens herausarbeiten. Hierbei geht es weniger um die akuten Formen von Schmerzen, wie sie die Mehrheit der Bevölkerung mit dem Zahnarzt in Verbindung bringt, sondern weitaus mehr um die chronischen Schmerzformen unterschiedlicher Genese.
    Die Interdisziplinarität bei Kiefer- / Gesichtsschmerzen ist um so mehr gefordert, als durch die Nachbarschaft verschiedenster Strukturen im Kieferbereich die Diagnostik weitaus stärker als in anderen Bereichen limitiert ist. Die Komplexität erfordert häufig die Zusammenarbeit von Zahnärzten, Kieferchirurgen, Neurologen, Orthopäden, Augen- und HNO-Ärzten.
    Ein besonderes Augenmerk liegt zunächst auf dem modernen Verständnis der Schmerzentstehung und Chronifizierung. Diese Abläufe erfolgen nicht nur peripher mit einem Selbstunterhalt des Beschwerdebildes, sondern auch durch die in der Folge wiederholt auftretender Schmerzreizung erfolgende neuroplastische Veränderung im Zentralnervensystem, wodurch geringe periphere Reize bereits zu erheblichen Schmerzattacken führen können.
    Chronische Schmerzen entwickeln sich langfristig immer zu einem eigenständigen Erkrankungsbild und können häufig nicht mehr mit den auslösenden Faktoren in Zusammenhang gebracht werden. Erschwert wird dieser Umstand dadurch, dass Schmerz immer mit Leiden und psychischer Belastungssituation einhergeht, wodurch chronische Schmerzpatienten in der Regel psychische Alterationen aufweisen. In der Konsequenz können Diagnostik und Therapie nur in den seltensten Fällen unidisziplinär erfolgen. Die Erfahrungen mit den multidisziplinären Schmerzzentren zeigen, dass es zu einer deutlichen Verkürzung von diagnostischen Abläufen und nachfolgend therapeutisch Umsetzungen kommt.
    Zahnärzte werden häufig mit Schmerzbildern konfrontiert, die auf dentogene Ursachen hinweisen könnten. Häufig verbergen sich hierbei jedoch komplexere Beschwerdebilder.
    Kiefer- / Gesichtsschmerzen sind nicht nur durch die allgemein bekannten zahnmedizinischen Ursachen ausgelöst, es betrifft auch die Erkrankungen des Kiefergelenkes und der beteiligten Muskulatur, wobei hier nicht nur funktionelle, sondern auch stressinduzierte Wechselwirkungen im Vordergrund stehen. Abzugrenzen sind diese Beschwerdebilder nicht nur von den verschiedenen Formen des Kopfschmerzes, sondern auch gegenüber dem atypischen Gesichtsschmerz, der Trigeminusneurologie sowie psychosomatischen Erkrankungsformen. Moderne Schmerztherapie kann heute in vielen Fällen zu einer deutlichen Linderung der chronischen Schmerzzustände beitragen und in einem nicht unerheblichen Prozentsatz zu einer völligen Beschwerdefreiheit führen. Voraussetzung hierfür ist ein interdisziplinäres Verständnis von Schmerzen, die Kenntnis der Mechanismen der Schmerzentstehung und Chronifizierung und das Wissen um moderne Ansätze zur anästhesiologischen und analgetischen Schmerztherapie. Hierzu können Zahnärzte die häufig mit sehr differenten Schmerzbildern konfrontiert werden einen wesentlichen Beitrag leisten.

    Für Rückfragen wenden Sie sich an die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, 40237 Düsseldorf, Tel. 0211-61 01 98 0 oder den Tagungsleiter Herrn Prof. Dr. Raab, Universität Düsseldorf Tel. 0211-811 8144


    Weitere Informationen:

    http://www.dgzmk.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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