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09.10.2003 14:08

Medizinische Hochschule Hannover reformiert Medizinstudium

Dr. Arnd Schweitzer Stabsstelle Kommunikation
Medizinische Hochschule Hannover

    "HannibaL" soll eine praxisnahe Ausbildung gewährleisten

    "HannibaL" in Stichworten

    "HannibaL" steht für Hannoverscher integrierter, berufsorientierter und adaptiver Lehrplan.

    Vier wesentliche Merkmale des Curriculums sind: Unterricht in Form von Modulen, Aufteilung der rund 300 Studierenden eines Jahrgangs in drei Gruppen, mehr Interdisziplinarität und Praxisbezug in der klinischen Ausbildung sowie die Möglichkeit rascher Optimierungen.

    Module: Die klinische Ausbildung in den einzelnen Fächern wird in Blöcken von ein bis zehn Wochen abgehalten. Dies erlaubt den Studierenden, sich in der Zeit ausschließlich mit dem jeweiligen Fach zu beschäftigen. Die Hochschullehrer können dabei den für wichtig erachteten Stoff selbst auswählen und innovative Wege für dessen Vermittlung beschreiten.

    Tertiale: Durch die Aufgliederung in drei Gruppen verteilt sich die Zahl der Studierenden besser über das Studienjahr, der Unterricht in Kleingruppen lässt sich in den klinischen Abteilungen besser realisieren. Jedes dieser Tertiale dauert zehn Wochen. Die Aufteilung bedeutet aber auch, dass jedes Modul in jedem Tertial erneut auf dem Lehrplan stehen muss.

    Praxisbezug: Im ersten klinischen Studienjahr lernen die Studierenden unter anderem diagnostische Techniken und deren klinische Relevanz im interdisziplinär gestalteten Block "diagnostische Methoden". Im zweiten Jahr stehen die meisten klinischen Fächer auf dem Lehrplan. Dabei sollen auch benachbarte theoretische Disziplinen in die Ausbildung integriert werden (zum Beispiel Mikrobiologie und Pharmakologie in das Modul Innere Medizin). Im dritten Studienjahr erfolgt vor allem die Integration der vorher unterrichteten Fächer in den Tertialen "Allgemeinmedizin und Public Health" sowie "Differentialdiagnose und -therapie". Neben einer umfassenden Prüfung der klinischen Fähigkeiten der Studierenden schließt das dritte klinische Jahr eine vorlesungsfreie Zeit von sechs Monaten ein - um zu forschen oder längere Famulaturen (Praktika) im Ausland zu absolvieren.

    Weiterentwicklung: Weil jedes Modul in jedem Jahr drei Mal unterrichtet und am Ende evaluiert wird, bietet der Hannoversche Lehrplan künftig die in Deutschland einmalige Möglichkeit, innerhalb eines Jahres kurzfristig Verbesserungsvorschläge in der Lehre aufzugreifen und zu testen. Dabei ist die Evaluation selbstverständlicher Bestandteil des Curriculums, um eine möglichst effiziente Ausbildung und eine möglichst geringe Belastung der in die Ausbildung einbezogenen Patienten sicherzustellen.

    Interview mit Professor Dr. Hermann Haller, MHH-Studiendekan für Humanmedizin

    Das neue Studienmodell der MHH heißt "HannibaL" - ein ungewöhnlicher Name.

    Die ersten Buchstaben von "HannibaL" stehen natürlich für Hannover. Der zweite Teil des Namens beinhaltet die Schlagworte integriert, berufsorientiert und adaptiv. "HannibaL" steht aber auch für einen neuen Weg über die "Alpen," für die unerwartete Lösung eines großen Problems und den Angriff auf etablierte Strukturen in der Lehre. Die Studienkommission der MHH hat diese neue Studienordnung erarbeitet und hegt die Hoffnung, dass nach der "Alpenüberquerung" das Studienmodell seinen erfolgreichen Siegeszug antritt.

    Einer der Gründe für "HannibaL" sind die Anforderungen der neuen Approbationsordnung für die Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten. Was sind deren Ziele?

    Die neue Approbationsordnung versucht, eine größere Praxisnähe und integrierte Ausbildung zu gewährleisten. Kritiker warfen dem Medizinstudium bislang vor, theorielastig zu sein und wenig berufsbezogen. Um dagegen zu steuern, veränderte der Gesetzgeber wesentliche Punkte der Approbationsordnung. Neu sind nun praxisbezogene Blockpraktika und interdisziplinäre Querschnittsbereiche. Besonders wichtig: Die Ausgestaltung der Lehre und die Prüfungen in den einzelnen Fächern wurde an die Hochschule zurückgegeben. Dies bedeutet auf der einen Seite mehr Gestaltungsfreiheit, aber auch direkte Verantwortung der Hochschule für die Evaluation der Leistungen. Nun besteht die Chance einer profilbildenden Lehre in den einzelnen Hochschulen, die ein unterscheidbares Qualitätsmerkmal der Medizin in Hannover ausmachen kann.

    Wie wird die Lehre in der MHH künftig aussehen?

    Für die MHH sind eine Reihe von Veränderungen vorgesehen. Grundsätzlich gibt es zwei Wege zu einer integrierten, praxisbezogenen Ausbildung: Einmal eine komplexe Struktur, bei der die Ausbildungsinhalte zentral erarbeitet und in Seminaren und Gesprächsgruppen vermittelt werden - diesen Weg sind die Charité in Berlin oder die Medizinische Fakultät in Heidelberg gegangen. In der MHH haben wir uns bewusst für ein modulares Programm entschieden: In einer bestimmten Zeiteinheit steht in so genannten Modulen ein bestimmtes Fach im Vordergrund. Innerhalb dieses Moduls werden in Seminaren, Vorlesungen, Kleingruppen am Krankenbett und Lerngruppen die Inhalte des jeweiligen Faches vermittelt. Direkt am Ende jedes Lehrmoduls steht eine Prüfung.

    Wer organisiert die Lehre vor Ort?

    In Absprache mit der Studienkommission ist jedes Fach für die Durchführung der Lehre selbst verantwortlich und kann versuchen, die jeweiligen Inhalte möglichst interessant und praxisbezogen zu vermitteln. Die Modularisierung bedeutet nicht nur eine Konzentration der Studentinnen und Studenten während dieser Zeit auf ein Fach und die intensive Beschäftigung damit - sie ist auch ein Anreiz für die Abteilungen, avancierte Lehre zu betreiben und sich in einen internen Wettbewerb um die besten Lehrveranstaltungen zu begeben.

    Ein Problem sind ja die großen Studierendenzahlen ...

    Es war von Anfang an klar, dass wir hier für die Approbationsordnung neuartige Lösungen finden mussten. Andere Hochschulen haben komplizierte Lösungen mit sehr vielen Kleingruppen gewählt. In der MHH möchten wir den Weg über Tertiale gehen.

    Was verbirgt sich hinter den Tertialen?

    Wir teilen die Studierenden während der klinischen Ausbildung in drei Böcke à jeweils hundert auf. Diese hundert durchlaufen die klinische Ausbildung gemeinsam. Der große Vorteil: Nach dieser Drittelung können die Hochschullehrer eine überschaubare Studentenzahl betreuen, eine bessere persönliche Betreuung ist so möglich - auch in Kleingruppen. Allerdings bedeutet diese Dreiteilung, dass das jeweilige Fach in einem Studienjahr die modularisierte Lehrveranstaltung drei Mal anbieten muss. Dies wird durch eine interne Aufteilung in Tertiale ermöglicht. Die Tertiale orientieren sich an den Semestern mit einem jeweils zehnwöchigen Tertial vor Weihnachten, einem von Januar bis Anfang März und einem von Mitte April bis Ende Juni. Die verbleibende Zeit für eine Famulatur (Praktikum) oder ähnliche Aktivitäten ist damit gesichert.

    Wirkt sich das auf die Arbeit der klinischen Abteilungen aus?

    Für die klinischen Abteilungen an der MHH bedeutet das eine große Umstellung. Studierende sind in Zukunft nicht mehr nur während ihrer Kurse einmal im Jahr in der Abteilung anzutreffen, sondern werden Bestandteil des Stationsablaufs. Die Lehre läuft dann nicht mehr jenseits der täglichen Arbeit ab, sondern die tägliche, medizinische Arbeit muss in die Lehre integriert werden. Wir sollten uns daran gewöhnen, dass in der Regel Tag für Tag die klinische Arbeit auch an zwei oder drei Studierende vermittelt werden muss.

    Bedeutet dies den von Ihnen gewünschten Praxisbezug der klinischen Ausbildung?

    Unser Konzept stellt zumindest einen Anfang und einen Schritt in die richtige Richtung dar. Dadurch erleben die Studenten den praktischen Beruf und können das theoretisch vermittelte Wissen sofort umsetzen. Allerdings sind dies nicht die einzigen praxisorientierten Veränderungen. Wir legen außerdem Wert auf ein sehr gut strukturiertes Modul mit "diagnostischen Methoden". Dieser so genannte Klopfkursus soll diagnostische Techniken umfassen und deren klinische Relevanz vermitteln. Das Modul ist die Grundlage für eine spätere erfolgreiche klinische Tätigkeit.
    Außerdem werden wir in der klinischen Ausbildung zunehmend integrative Veranstaltungen anbieten. Die jeweiligen Fächer sollten, soweit nötig und sinnvoll, andere Disziplinen in ihre Ausbildung mit einbeziehen. Im dritten klinischen Jahr soll diese klinisch-praktische Integration in einem Block "klinische Syndrome" münden. Hier wird jeweils ein großes klinisches Syndrom aus den chirurgischen Fächern, den Neurowissenschaften oder der Inneren Medizin ausführlich und praxisorientiert gelehrt. Das - eigentlich selbstverständliche - Ziel unserer neuen Studienordnung sind klinisch geschulte Ärztinnen und Ärzte, die alle notwendigen Inhalte und Fähigkeiten gelernt haben, um Krankheiten erfolgreich zu diagnostizieren und Patienten dann optimal zu behandeln. Bislang ist diese Voraussetzung in Deutschland nicht immer gegeben.

    Weitere Informationen gibt gern Professor Dr. Hermann Haller, Telefon: (0511) 532-6320,
    E-Mail: nephrologie@mh-hannover.de


    Bilder

    Professor Dr. Hermann Haller, MHH-Studiendekan für Humanmedizin
    Professor Dr. Hermann Haller, MHH-Studiendekan für Humanmedizin

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Organisatorisches, Studium und Lehre
    Deutsch


     

    Professor Dr. Hermann Haller, MHH-Studiendekan für Humanmedizin


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