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22.09.2018 12:11

Wert der MINT-Studiengänge erhalten – MNFT widerspricht HRK-Präsident Alt

Prof. Dr. Ralf Meyer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Mathematisch-Naturwissenschaftlicher Fakultätentag Deutschlands

    Der Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultätentag (MNFT) und die Fakultätentage KBF, KFC, KMathF, KFP, KFPharm widersprechen Vorschlägen zum Umbau des Studiums in einem Interview von HRK-Präsident Alt.

    Die deutsche Wirtschaft benötigt Naturwissenschaftler mit Masterabschluss oder gar einer Promotion. Daher sollte die Zahl der Masterabschlüsse und Promotionen in den Naturwissenschaften nicht gesenkt werden. Ein auf 1 Jahr verkürztes Masterstudium könnte die für die Forschung und für die Wirtschaft benötigte Qualifikation nicht mehr erreichen. Die Einführung eines Studium Generale fördert weder Verantwortungsbewusstsein noch Studienerfolg der Absolvent(inn)en.

    Die folgende Kritik bezieht sich auf verschiedene Aussagen von Herrn Alt in einem Interview mit dem Handelsblatt am 4.9.2018, siehe https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/peter-andre-alt-im-interview-ho...

    Brauchen wir so viele Promotionen und Masterabschlüsse?

    Herr Alt schreibt, dass wir uns einen Gefallen täten, wenn wir die Zahl der Promotionen reduzierten. In die gleiche Richtung geht sein Vorschlag, man solle zum Masterstudium „im Prinzip nur noch die zulassen, die in die Forschung wollen.“ Es ist richtig, dass die Hochschulen viel mehr Doktorand(inn)en ausbilden, als sie benötigen. Nun bilden wir ja aber nicht nur für unseren eigenen Elfenbeinturm aus. Der derzeitigen Anzahl von Masterabschlüssen und Promotionen in den Naturwissenschaften und der Mathematik steht ein mindestens ebenso hoher Bedarf in der Wirtschaft gegenüber. Auf dem Stellenmarkt jobvector.de werden zur Zeit 215 Naturwissenschaftler(innen) gesucht, bei denen eine Promotion explizit verlangt wird; das sind etwa 20% aller Stellengesuche für Naturwissenschaftler(innen) mit akademischem Abschluss. Das Standardwerk „Education at a Glance“ der OECD belegt jährlich die persönlichen und gesamtwirtschaftlichen Vorteile eines hohen Ausbildungsniveaus. In Deutschland sind diese Vorteile in den letzten Jahren sogar gewachsen. Die Nachfrage nach Akademiker(inne)n ist also noch stärker gestiegen als das Angebot.

    Herr Alt stellt selbst fest, dass der „Doktortitel immer noch der Karriere hilft“. Zumindest bei Naturwissenschaftler(inne)n ist der Grund dafür nicht nur einfach der Titel, sondern die besonders hohe Qualifikation, die damit nachgewiesen wird. Viele anspruchsvolle und sehr komplexe Aufgaben in der Wirtschaft können nur mit dieser besonderen Qualifikation eigenständig bearbeitet werden. Hierzu lasse ich zwei Vertreter der Wirtschaft zu Wort kommen: Dr. Egbert Schark, Geschäftsführer von d-fine, schreibt: „Für d-fine stellt sowohl die anerkannte fachliche Expertise als auch die selbstständige Arbeitsweise und methodische Reife promovierter Naturwissenschaftler den zentralen Wert dar. Der Berufseinsteiger weist mit seiner Promotion nach, dass er eigenständig eine komplexe Fragestellung lösen kann, für die weder etablierte noch dokumentierte Lösungen verfügbar sind.“ Dr. Viola Bronsema, Geschäftsführerin der Biotechnologie-Industrie-Organisation Deutschland (BIO Deutschland e.V.) kommentiert: „Die Promotion in den Biowissenschaften ist für viele Positionen in der Biotechnologieindustrie unabdingbar. Denn in der Promotionsphase werden wichtige Erfahrungen und Kenntnisse erworben – z.B. in der experimentellen Forschung – die das Masterstudium derzeit nicht anbieten kann.“ Die hohe Nachfrage nach promovierten Naturwissenschaftler(inne)n entspricht also einem echten Bedarf der Wirtschaft.

    Wir widersprechen daher für diesen Bereich nachdrücklich dem Vorschlag von Herrn Alt, die Zahl der Studienplätze für Masterstudiengänge und Promotionen zu senken.

    Kann man das Masterstudium effizienter machen, vielleicht gar verkürzen?

    Der Höhepunkt des Masterstudiums ist die Masterarbeit. In ihr wird eine begrenzte Frage mit aktuellem Forschungsbezug untersucht. Diese intensive Forschungserfahrung zeichnet das Masterstudium gegenüber dem Bachelorstudium aus. Sie ist ein entscheidender Qualifikationssprung vom Bachelor- zum Masterabschluss. Für die Masterarbeit selbst ist ein Semester Vollzeitstudium vorgesehen. Davor stehen umfangreiche Vorbereitungen, um ausreichend tiefe Kenntnisse zumindest im entsprechenden Teilgebiet des Faches zu erwerben. Bei einer Reduktion des Masterstudiums auf 1 Jahr wie von Herrn Alt vorgeschlagen fehlte hierfür die Zeit. Die Studierenden könnten dann im Masterstudium keine echte Forschung mehr erleben. Ein so entkerntes Masterstudium wäre weder für die Forschung noch für das Berufsleben eine gute Vorbereitung. Die Promotion würde dann vermutlich entsprechend länger dauern und zum Regelabschluss in allen Naturwissenschaften und der Mathematik werden, so wie jetzt schon in Chemie und Biologie.

    Wie Verantwortungsbewusstsein als Lernziel stärken?

    Studierende sollen lernen, ihre Fähigkeiten und ihr Wissen verantwortungsvoll einzusetzen. Neben der fachlichen und beruflichen Qualifikation sind die „Befähigung zum gesellschaftlichen Engagement“ und die „Persönlichkeitsbildung“ seit langem als Lernziele des Studiums vorgeschrieben, vergleiche die „Regeln zur Akkreditierung von Studiengängen“ des Akkreditierungsrats von 2009. Und natürlich sind sie auch flächendeckend im naturwissenschaftlichen Studium integriert worden. Sicherlich kann man diesem Thema im Fachstudium eine noch höhere Priorität geben. Seit kurzem verlangt etwa der Akkreditierungsrat die Förderung von „Verantwortungsbewusstsein“ und „demokratischem Gemeinsinn“ als Voraussetzungen für die Akkreditierung von Studiengängen.

    Ein Studium Generale zu Beginn des Bachelorstudiums trüge jedoch nichts dazu bei, angehenden Wissenschaftler(inne)n ihre besondere Verantwortung bewusst zu machen. Denn diese entsteht ja erst aus ihren besonderen Fähigkeiten, die zu Studienbeginn noch gar nicht vorliegen. Deshalb muss das Verantwortungsbewusstsein zusammen mit dem Fachwissen im Laufe des Fachstudiums wachsen und kann auch nur in diesem Rahmen gefördert werden. Das Studium Generale wäre sogar kontraproduktiv, weil es die zeitlichen Spielräume im Fachstudium verengt. Es bliebe weniger Zeit, um ethische Aspekte zu betrachten. Studierenden, die ihr Fach nur oberflächlich verstehen, fehlt der Überblick, um ihr Wissen in die Gesellschaft einzubringen oder die entfernteren Konsequenzen ihres Handelns zu überblicken. Die von Herrn Alt beschriebene Gefahr, dass Akademiker(innen) „ideologisch, politisch oder aus Gewinnstreben missbraucht werden“, würde also tendenziell zunehmen.

    Studienerfolg trotz Heterogenität der Studienanfänger(innen)

    Herr Alt spricht mit der zunehmenden Heterogenität der Studienanfänger(innen) eine wichtige aktuelle Herausforderung für die Gestaltung der Studieneingangsphase an. Genauer sehen die Unterzeichner die Herausforderung darin, möglichst viele Studienanfänger(innen) in die Lage zu versetzen, ihr Fach erfolgreich studieren zu können. Viele Studienanfänger(innen) in den MINT-Fächern benötigen zusätzliche Angebote, um Defizite etwa in der Schulmathematik abzubauen. Ein Studium Generale würde ihnen nicht helfen, weil die Defizite, die ihren Studienerfolg gefährden, fachspezifisch sind und durch das Studium von Literatur und Philosophie nicht verkleinert werden. Hilfreich ist stattdessen die Möglichkeit, die Studiendauer individuell zu verlängern, um in der Studieneingangsphase des Fachstudiums zusätzliche vorbereitende Lehrveranstaltungen zu belegen und so das notwendige Eingangsniveau zu erreichen. Wir begrüßen daher entsprechende Modelle, die eine planmäßige, individuelle Verlängerung des Bachelorstudiums ermöglichen.

    Unterzeichner:
    Prof. Dr. Ralf Meyer, Universität Göttingen, Sprecher Mathematisch-Naturwissenschaftlicher Fakultätentag.
    PD Dr. Alois Palmetshofer, Universität Würzburg, Sprecher Konferenz Biologischer Fachbereiche (KBF).
    Prof. Dr. Arno Pfitzner, Universität Regensburg, Sprecher Konferenz der Fachbereiche Chemie (KFC).
    Prof. Dr. Herold Dehling, Universität Bochum, Sprecher Konferenz der Mathematischen Fachbereiche (KMathF).
    Prof. Dr. Gert-Ludwig Ingold, Universität Augsburg, Sprecher Konferenz der Fachbereiche Physik (KFP).
    Prof. Dr. Bernd Clement, Universität Kiel, Vorsitzender der Konferenz der Fachbereiche Pharmazie (KFPharm).


    Weitere Informationen:

    http://mnft.de/201809_Alt.html


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
    fachunabhängig
    überregional
    Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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