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28.09.2018 13:00

Wie lässt sich eine chronische Nierenkrankheit aufhalten?

Dr. Bettina Albers Pressearbeit
Deutsche Gesellschaft für Nephrologie e.V. (DGfN)

    Die chronische Nierenkrankheit ist eine progrediente Erkrankung, sie schreitet fort und verlorene Nierenfunktion lässt sich in aller Regel nicht wiedergewinnen. Allerdings lässt sich das Fortschreiten durch verschiedene Maßnahmen verlangsamen. Eine rechtzeitige Vorstellung beim Nierenexperten (Nephrologen) sorgt dafür, dass die Betroffenen optimal medikamentös versorgt werden, es gibt aber auch einige Dinge, die der Patient selbst machen kann, um die verbliebene Nierenfunktion bestmöglich zu schützen. Aber um gleich mit einem Vorurteil aufzuräumen: Über die Maßen viel Wasser und Tee trinken gehört nicht dazu.

    Eine chronische Nierenerkrankung (CKD) tritt häufig erst in der zweiten Lebenshälfte auf. Zwar ist es normal, dass die Organfunktion im Alter leicht abnimmt, wenn aber Diabetes mellitus, Bluthochdruck oder Rauchen die Gefäße zusätzlich schädigen – die Nieren bestehen aus vielen kleinen Gefäßknäuel – kann die Nierenfunktion rasant abnehmen. Liegt die Organfunktion unter 10% sind die Betroffenen auf eine Nierenersatztherapie, d.h. entweder auf eine Transplantation oder auf die Dialyse („Blutwäsche“), angewiesen. Das stellt einen tiefen Einschnitt im Leben der Patienten dar. Derzeit gibt es in Deutschland etwa 80.000 Dialysepatienten, sie müssen dreimal pro Woche vier Stunden lang dialysiert werden. Nur etwa 5% der Betroffenen führen die Dialyse als Heimverfahren (Bauchfelldialyse oder Heim-Hämodialyse) durch. Da ein dialysepflichtiges Nierenversagen nicht nur mit Einbußen in der Lebensqualität verbunden ist, sondern auch mit einem deutlich erhöhten Herz-Kreislauf-Risiko einhergeht, sollten Patienten mit einer noch leichtgradigen Nierenfunktionseinschränkung darauf achten, ihre Nieren möglichst lange funktionstüchtig zu erhalten.

    Wenn die Nierenfunktion (GFR) anhaltend unter 60 ml/mim/1,73 m2 fällt oder wenn strukturelle Schäden an den Nieren erkennbar sind (z.B. stark vergrößerte Nieren bei der erblichen Zystennierenkrankheit), liegt eine Nierenkrankheit vor. Die fachärztliche Mitbetreuung durch den Nierenarzt (Nephrologen) ist angeraten, sobald die GFR unter 45 ml/min/1,73 m2 abgefallen ist oder bei einer GFR von unter 60 ml/min/1,73 m2 und gleichzeitigem Auftreten von Kriterien, die auf einen strukturellen Nierenschaden hinweisen (Eiweiß im Urin (Proteinurie), Blut im Urin (Hämaturie), Änderungen im Erscheinungsbild der Nieren oder auch ein schwerer Bluthochdruck). Dann kann rechtzeitig mit einer medikamentösen Therapie, vornehmlich bestehend aus blutdrucksenkenden Mittel wie ACE-Hemmer, die nachweislich einen nierenschützenden Effekt haben, begonnen werden. Dass die rechtzeitige Einbindung eines Nephrologen tatsächlich den Krankheitsverlauf begünstigt, konnte eine Auswertung des CKD 3-5 Registers des DN e.V. [1] zeigen. Sie dokumentierte, dass in den ersten drei Jahren 70% der Patienten ihr CKD-Stadium hielten, d.h. unter fachärztlicher Mitbetreuung eine verringerte Progression der chronischen Niereninsuffizienz auftrat.

    Die Betroffenen können auch selbst aktiv werden, um ihre Nierenfunktion zu schützen. Doch dabei muss zunächst mit einem Vorurteil aufgeräumt werden: Viel trinken, um die Nieren „zu spülen“, bringt wenig, kann sogar kontraproduktiv sein. Eine randomisiert kontrollierte Studie aus Kanada [2] zeigte, dass die Erhöhung der täglichen Trinkmenge um täglich 1-1,5 Liter bei nierengesunden Menschen über zwölf Monate zu keinem signifikanten Unterschied gegenüber der Kontrollgruppe (Beibehaltung der bisherigen Trinkmenge) hinsichtlich Nierenfunktion (GFR), Albuminurie, Kreatinin-Clearance sowie dem Wohlbefinden führte. Bei Patienten mit kardialen oder renalen Erkrankungen sind Volumenüberladungen in der Regel sogar eher nachteilig – die Trinkmenge wird bei diesen Patienten individuell vom Arzt festgelegt und an diese Empfehlung sollten sich die Patienten unbedingt halten.

    Was effektiv gegen einen Nierenfunktionsverlust hilft:

    - Nichtrauchen
    Rauchen ist der Gefäßkiller Nr.1. Da zahlreiche Kleinstgefäße in den Nieren die lebensnotwendige Filterfunktion des Organs sicherstellen, ist Rauchen nicht nur ein „Gefäßgift“, sondern auch eine „Nierengift“.

    - Abnehmen bei Übergewicht
    Übergewicht (BMI > 25) ist nicht nur ein Risikofaktor für Herzkreislauferkrankungen, sondern geht auch an die Nieren. Seit langem ist bereits ein indirekter Zusammenhang bekannt: Übergewichtige Menschen leiden oft unter Bluthochdruck – und der schädigt die feinen Blutgefäße in den Nieren, welche die Giftstoffe aus unserem Körper filtern. Fettleibigkeit schädigt die Nieren aber auch ganz direkt. Das Fettgewebe sondert verschiedene Peptidhormone wie Adiponectin, Leptin und Resistin ab, die zu Inflammation und oxidativem Stress führen, den Fettstoffwechsel negativ beeinflussen und erhöhte Insulinspiegel, oft auch eine Insulinresistenz nach sich ziehen. Diese Mechanismen führen zu krankhaften Veränderungen des Nierengewebes (sogenannten Glomerulopathien) und in Folge zu einer Abnahme der Nierenfunktion.

    - Phosphatarme Ernährung, vegetarische Ernährung
    Es ist bekannt, dass eine phosphatarme Ernährung hilft, den Verlust der Nierenfunktion aufzuhalten [3, 4]. Im Klartext heißt das, dass Menschen mit einer Nierenfunktionseinschränkung bereits vor der Dialyse empfohlen wird, von phosphathaltigen Lebensmitteln abzusehen. Extrem viel Phosphat ist beispielsweise in Fertiggerichten und Fast Food enthalten, insbesondere in Geschmacksverstärkern und Konservierungsmitteln, empfohlen wird daher eine frisch zubereitete Kost, die auf solche Inhaltsstoffe ganz verzichtet.

    Ein neu publiziertes Review [5] zeigte, dass auch eine vegetarisch bzw. zumindest stark pflanzenbetonte Kost verschiedene Risikofaktoren der CKD-Progression verbessert, u.a. Bluthochdruck, urämische Toxine, Inflammation und oxidativen Stress – und auch Phosphatspiegel. Daher fordern die Autoren, Nierenpatienten zu empfehlen, auf Fleisch zu verzichten. Klare Belege für den Nutzen einer vegetarischen Kost für das Aufhalten der CKD in Form von prospektiven randomisierten Studien fehlen aber noch.

    Was höchstwahrscheinlich auch hilft:

    - Sport
    Sport verbessert zahlreiche Parameter, die gerade für den Erhalt der Nierenfunktion wichtig sind. Sport ist ein natürlicher Blutdrucksenker, auch profitieren Patienten mit chronischer Nierenkrankheit im Hinblick auf Inflammation und oxidativen Stress. Noch liegt aber keine prospektive Studie vor, die zeigt, dass Sport signifikant vor dem Nierenfunktionsverlust schützt, auch wenn vieles darauf hindeutet. Eine Metaanalyse [6] kam zu dem Ergebnis: „Although the current literature does not allow for definitive conclusions about whether exercise training slows the progression of kidney disease, no study has reported worsening of kidney function as a result of exercise training” (frei übersetzt: Auch wenn es keinen Nachweis gibt, dass Sport den Nierenfunktionsverlust aufhält, zeigte keine einzige Studie, dass sie durch Sport verschlechtert wird).

    Referenzen
    [1] Lonnemann et al. Abstract vom Nephrologischen Jahresgespräch des DN e.V. Mannheim Nov 2014
    [2] Clark W et al. Effect of Drinking More Water on Kidney Function Decline in Adults with CKD: A Randomized Clinical Trial. ASN 2017, FR-PO1068
    [3] Zoccali C, Ruggenenti P, Perna A et al. Phosphate may promote CKD progression and attenuate renoprotective effect of ACE inhibition. J Am Soc Nephrol. 2011 Oct;22(10):1923-30
    [4] Da J, Xie X, Wolf M et al. Serum Phosphorus and Progression of CKD and Mortality: A Meta-analysis of Cohort Studies. Am J Kidney Dis 2015; 66 (2): 258-65
    [5] Chauveau P, Koppe L, Combe C et al. Vegetarian diets and chronic kidney disease. NDT 2018. Epub 05 July 2018
    [6] Kirsten L. Johansen and Patricia Painter. Exercise in Individuals with CKD. Am J Kidney Dis. 2012; 59 (1): 126–134

    Pressekontakt
    Pressestelle der DGfN
    Dr. Bettina Albers
    presse@dgfn.eu
    Tel. 03643/ 776423 / Mobil 0174/ 2165629


    Weitere Informationen:

    http://www.dgfn.eu


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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