Das Konzept des Rechtsstaats sieht sich aktuell vielen Angriffen ausgesetzt. Nicht nur in Polen, Ungarn oder der Türkei, sondern auch in Deutschland wird immer häufiger von einer Krise des Rechtsstaats gesprochen. Prüfstein der Rechtsstaatlichkeit ist vor allem das Strafrecht mit seinen tiefen Eingriffen in die Rechte der einzelnen Bürger. Wie das Thema Rechtsstaat und Strafrecht in Deutschland, Japan und der Türkei diskutiert wird, steht im Zentrum eines internationalen Symposiums, das vom 11. bis 13. Oktober an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) stattfindet.
"Ich freue mich, dass wir den deutsch-japanisch-türkischen Rechtsdialog an der Martin-Luther-Universität fortführen können und dabei ein aktuelles und für unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft geradezu entscheidendes Thema bearbeiten können", sagt Prof. Dr. Henning Rosenau, Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht und Medizinrecht an der MLU. "Unser Symposium zeigt, dass wir in bewegten Zeiten als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Dialog bleiben und auch brisante oder politisch unliebsame Themen diskutieren", so Rosenau weiter.
Das Symposium wird sich dem Thema aus verschiedenen Perspektiven nähern: Rechtsexperten aus Deutschland, Japan und der Türkei beleuchten diese jeweils aus ihrer nationalen Perspektiven. Zu Beginn werden der Begriff und die Bedeutung des Rechtsstaats erörtert. Anders als dies vielleicht erscheinen mag, ist das keineswegs eine triviale Fragestellung. Denn der Rechtsstaat ist ein komplexer Begriff, den es aus Sicht der drei beteiligten Rechtsordnungen zu konturieren gilt.
Der zweite zentrale Themenkomplex widmet sich der Frage nach dem Rechtsstaat in Verbindung mit der Straftheorie. Diskutiert wird hier unter anderem die Frage nach der Relevanz der Rechtsgutstheorie und damit die Frage nach den rechtsstaatlichen Grenzen des Strafrechts. Die Rechtsgutstheorie, mit der die deutsche Strafrechtswissenschaft versucht, dem Gesetzgeber Grenzlinien für strafwürdiges und strafbares Verhalten aufzuzeigen, hat bereits innerhalb der Rechtswissenschaft in Deutschland Kritik erfahren. In Japan und in der Türkei ist sie intensiv rezipiert worden. Spätestens nachdem das Bundesverfassungsgericht der Rechtsgutstheorie eine Abfuhr erteilt hat, stellt sich die - hier international zu klärende Frage - ob die Rechtsgutslehre noch Bestand haben kann.
Weiter wird das Konzept des so genannten Feindstrafrechts von Günther Jakobs auf den Prüfstand gestellt. Diese Theorie, nach der der Straftäter als reine Gefahrenquelle bekämpft und aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden soll, wurde besonders im kriminalitätssensiblen Japan stark rezipiert. Auch in der Türkei scheint seit dem fehlgeschlagenen Putsch im Jahr 2016 der Gedanke des Feindstrafrechts mehr und mehr Einzug zu halten. Deshalb wird sich das Symposium mit den rechtsstaatlichen Defiziten dieses Konzepts beschäftigen und nach Konsequenzen für den Rechtsstaat fragen.
Ein dritter Teilbereich ist der Frage nach der Rechtsstaatlichkeit der Todesstrafe gewidmet. Während in Europa relativ einvernehmlich davon gesprochen wird, dass die Todesstrafe nicht zum rechtsstaatlichen Repertoire von Strafen gehört, ist sie in Staaten, die sich als rechtsstaatlich verstehen, wie beispielsweise in Japan, gängige Praxis. Auch in der Türkei gibt es Bestrebungen zur Wiedereinführung der Todesstrafe. Das gibt Anlass zur Diskussion darüber, ob sich globale Grenzen eines rechtsstaatlichen Strafens für diese Strafe finden lassen.
Ein weiterer Themenkomplex beschäftigt sich schließlich mit dem Strafprozess im Rechtsstaat. Das Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit kann, wie kein anderes, als Maßstab für den Rechtsstaat dienen. Es ist - gerade mit dem Blick auf die Türkei - aktuellen Anfechtungen ausgesetzt. Nicht vergessen werden darf aber, dass dieses Prinzip selbst in Deutschland nicht einfach durchzusetzen war und auch heute die Exekutive höchstrichterliche Urteile missachtet. Ob und unter welchen Voraussetzungen es internationale Standards für rechtsstaatliches Strafrecht und das Strafverfahren geben kann oder muss, steht im Zentrum einer Podiumsdiskussion mit international anerkannten Diskussionspartnern.
Die Veranstaltung steht Interessierten offen, die Teilnahme ist kostenfrei, eine Anmeldung aber erforderlich.
Weitere Informationen und Anmeldung unter: https://www.jura.uni-halle.de/rosenau/aktuelles/tagung_rechtsstaat_2018/
Deutsch-Japanisch-Türkischer Rechtsdialog
Donnerstag, 11. Oktober, bis Sonnabend, 13. Oktober 2018
Hallischer Saal, Burse zur Tulpe
Universitätsring 5
06108 Halle (Saale)
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Gesellschaft, Recht
überregional
Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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