Mit dem Konzept der situated sustainability ergänzen die Autorinnen von BICC Policy Brief 10\2018 Esther Meininghaus und Katja Mielke die Nachhaltigkeitsdebatte um einen wichtigen Aspekt: Nachhaltigkeit sollte in den jeweils unterschiedlichen – räumlichen wie ordnungspolitischen – Kontexten verstanden werden.
In BICC Policy Brief 10\2018 “Situated Sustainability: A research programme for conflict-affected settings and beyond” (in englischer Sprache) setzen sich die Autorinnen kritisch mit dem Universalitätsanspruch der nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs) und dem durch sie eng geführten Begriff von Nachhaltigkeit auseinander. Um die Diskussion über das Konzept der situated sustainability (kontextbezogenen Nachhaltigkeit) anzuregen, sprechen sie die folgenden Empfehlungen aus:
\ Anerkennen, dass Nachhaltigkeit immer kontextabhängig ist
Nachhaltigkeit ist kein universelles Konzept. Stattdessen sollte die Forschung anerkennen, dass es in vielen verschiedenen Variationen lokaler Praktiken, Auffassungen und Vorstellungen von Ressourcennutzung verwurzelt ist und zum Ausdruck gebracht wird. Diese können je nach Kontext stark variieren.
\ Lokale Verständnisse und Praktiken von Nachhaltigkeit auf der Mikroebene sichtbar machen
Derzeit verdrängt der Diskurs über die SDGs jedes andere Verständnis von Nachhaltigkeit. Selbst dort, wo sie eigentlich partizipativ sein wollen, führen die SDG-Prinzipien dazu, dass Visionen und Praktiken des nachhaltigen Lebens stark vereinheitlicht werden. Die Forschung sollte sich intensiv mit benachteiligten Akteuren und Gemeinschaften wie etwa Slumbewohnern oder Migranten ohne Papiere auseinandersetzen, die in diesen Prozessen keine Stimme erhalten.
\ Die sozio-politische Dimension von Nachhaltigkeit anerkennen
Forscher sowie Praktiker aus Politik und Entwicklungszusammenarbeit sollten sich bemühen, die überwiegend ökologische Ausrichtung in Nachhaltigkeitsforschung und Umsetzungspraxis umzugewichten. Ergänzt werden sollte eine sozio-politische Dimension, die sozialwissenschaftliche und interdisziplinäre Erkenntnisse z. B. aus der Stadtplanung, Friedens- und Konfliktforschung sowie Flucht- und Migrationsforschung einbezieht.
\ Forschung für Nachhaltigkeit transdisziplinär angehen
Nachhaltigkeit in einen spezifischen Kontext zu stellen, bedeutet auch, dass Wissen von Forschern und Nicht-Akademikern koproduziert wird. Dies gilt gleichermaßen für die Forschungsplanung und Analyse wie für die Verbreitung und Umsetzung von Veränderungen. Der städtische Raum stellt einen besonders fruchtbaren Ort für die Forschung dar, weil hier Menschen unterschiedlicher Herkunft (z. B. Migranten und gewaltsam Vertriebene sowie etablierte Gemeinschaften) zusammentreffen und unterschiedliche Verständnisse von Nachhaltigkeit einander ergänzen oder im Wettbewerb stehen.
\ Die Forschungsagenda der situated sustainability für den gesellschaftlichen Wandel nutzbar machen
Durch die Kombination der drei Dimensionen der vorgeschlagenen Forschungsagenda (d. h. Kontextualisierung von Nachhaltigkeit, Anerkennung alternativer Ideen jenseits der SDGs und transdisziplinäre Forschung) könnten Wissenschaftler breit angelegte gesellschaftliche Transformationsprozesse unterstützen. Diese wären dann nicht nur ökologischer Natur, sondern würden für einen sozio-politischen Wandel im Sinne gleichberechtigter und gerechter Gesellschaften stehen. Die Forschungsagenda der situated sustainability (i. e. „kontextbezogene Nachhaltigkeit“) könnte hier unter Vermeidung vieler ethischer Risiken einen Beitrag leisten.
esther.meininghaus@bicc.de; katja.mielke@bicc.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Gesellschaft, Politik
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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