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23.10.2018 10:14

Wie Schüler Argumentations- und Urteilskompetenz erlangen

Regina Schneider Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Pädagogische Hochschule Karlsruhe

    Beutelsbacher Konsens ist inhaltsindifferent / Überwältigungsverbot hilft nicht weiter bei Auseinandersetzung mit Parteien, die auf falsche Tatsachen setzen / Für kompetenzorientierten Politikunterricht

    Vor mehr als 40 Jahren einigten sich namhafte Politikdidaktiker und Schulpraktiker der Bundesrepublik auf den Beutelsbacher Konsens. Er gilt seitdem mit seinen drei Grundsätzen Überwältigungsverbot, Kontroversitätsgebot und Wahrnehmung eigener Interessen als Richtschnur politischer Bildung. Forderungen nach Neutralität und Überparteilichkeit von Politiklehrerinnen und -lehrern im Unterricht sind aktuell wieder in den Schlagzeilen. Doch wie kam es zu dem 1976 getroffenen Minimalkonsens, welche Missverständnisse gab es in der Rezeption und wie sollten Schülerinnen und Schüler lernen, politische Urteile zu fällen? Auf diese Fragen geht Georg Weißeno in seinem Artikel „Zur Historisierung des Beutelsbacher Konsenses“ ein, der unlängst in einem von Siegfried Frech und Dagmar Richter herausgegebenen Band der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg zum 40-jährigen Jubiläum des Beutelsbacher Konsenses erschienen ist.

    Der Leiter des Instituts für Politikwissenschaft an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe macht deutlich, dass es sich bei den drei Grundsätzen um einen Minimalkonsens handelt, der radikale Vereinfachungen vorgenommen hat und inhaltsindifferent ist. Im Vordergrund stand damals das Ziel, die Spaltung der Bundländer mit sozialliberalem und christdemokratischem Politikunterricht zu vermeiden. Die Intentionen der Übereinkunft – etwa den Unterricht vom Belehren auf mehr Diskussionen und freiere Arbeitsformen umzustellen – seien zwar aufgegangen, das Überwältigungsverbot beispielsweise aber helfe nicht weiter, wenn es im Unterricht um die Auseinandersetzung mit Parteien gehe, die auf falsche Tatsachen setzen. Auch sei die Illusion kontraproduktiv, dass sich durch Anwenden des Beutelsbacher Konsens die Qualität des Unterrichts verbessere.

    Politische Urteils- und Handlungsfähigkeit werde vielmehr durch kompetenzorientierten Politikunterricht erreicht. In einem solchen Unterricht werden politische Werte und Fachwissen in die Argumentationsstruktur aufgenommen und Fakten zum Abwägen kontroverser Positionen und politischer Wertaspekte herangezogen. „Argumentieren wird hier unabhängig von individuellen Normen und politischen Meinungsäußerungen, die das Alltagswissen darstellen, modelliert“, so Weißeno. Dabei seien „politische Meinungsäußerungen/Behauptungen mit und ohne Stützung durch Fakten und Gegenfakten zu gewichten“. Darauf aufbauend könnten dann individuelle Entscheidungen getroffen werden, die politische Urteile sind und nicht nur persönliche Meinungen. Auf diese Weise werde bei Schülerinnen und Schülern die Basis für eine bewertbare, auf Fachwissen beruhende Argumentations- und Urteilskompetenz gelegt. Eine solche civic literacy ermögliche es dann auch den Jugendlichen, nach der Schulzeit ihre eigenen Interessen zu vertreten und Nachrichten kritisch zu folgen.

    Zur Person
    Prof. Dr. habil. Georg Weißeno ist seit 1999 Leiter des Instituts für Politikwissenschaft an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. Der Politikwissenschaftler arbeitet auf dem Gebiet der empirischen Lehr-Lern-Forschung. Hierzu hat er das politikdidaktische Zentrum an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe etabliert, das mit systematischen Untersuchungen der Unterrichtspraxis, der individuellen Lernvoraussetzungen von Schülern und Schülerinnen und der professionellen Kompetenz von (angehenden) Politiklehrkräften Befunde über die Lehr-Lernmöglichkeiten im Politikunterricht liefert. Aktuelle Entwicklungsprojekte befassen sich mit der Planung kompetenzorientierten Politikunterrichts. Hierfür werden Lernaufgaben für die Kompetenzdimensionen Politische Urteilsfähigkeit, Politische Handlungsfähigkeit sowie Einstellungen und Motivation entwickelt und empirisch in Interventionsstudien überprüft.

    Weitere Informationen zum Institut für Politikwissenschaft der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe: http://www.ph-karlsruhe.de/institute/ph/politikwissenschaft

    Der Beutelsbacher Konsens ist zu finden auf http://www.bpb.de/die-bpb/51310/beutelsbacher-konsens

    Pädagogische Hochschule Karlsruhe
    Die Pädagogische Hochschule Karlsruhe ist eine bildungswissenschaftliche Hochschule mit Promotions- und Habilitationsrecht. Die Hochschule kombiniert in besonderer Weise eine fundierte Grundbildung für Lehrerinnen und Lehrer verschiedener Schulstufen, Basisqualifikationen für Menschen, die in anderen Bildungsbereichen tätig sein möchten, sowie professionelle Weiterbildungs- und Dienstleistungsangebote mit Forschung und Entwicklung auf hohem Niveau. Ihre thematischen Schwerpunkte sind „MINT in einer Kultur der Nachhaltigkeit“, „Mehr sprachliche Bildung und Bilinguales Lehren und Lernen/CLIL“ und „Bildungsgerechtigkeit im Kontext von gesellschaftlicher Vielfalt und Ungleichheit“. Diese Profilfelder werden durch die zwei Querschnittsthemen „digitale Bildung“ und „Professionalisierung“ komplementiert. Mit rund 3700 Studierenden und 180 in der Wissenschaft tätigen Mitarbeitenden zeichnet die Hochschule ein hohes Niveau in Forschung und Lehre aus. Weitere Infos unter http://www.ph-karlsruhe.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende
    Pädagogik / Bildung, Politik
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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