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23.10.2018 15:41

DFG-Forschungsgruppe untersucht Folgen des Klimawandels in den Alpen

Dipl.-Journ. Constantin Schulte Strathaus Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt

    Die Empfindlichkeit von Geosystemen für den Klimawandel in hochalpinen Lagen steht im Mittelpunkt einer neuen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsgruppe, die vom Lehrstuhl für Physische Geographie (Prof. Dr. Michael Becht) an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) geleitet wird. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von insgesamt fünf Universitäten wollen für die Zeit ab 1850 – auch anhand historischer Fotografien – Veränderungen von Gletschern und Flüssen, der Vegetation und der Erdoberfläche bis in die Gegenwart rekonstruieren und für die Zeit bis 2050 prognostizieren.

    Dies bietet die Grundlage für eine strategische Anpassung an mittelfristige Veränderungen in der hochalpinen Landschaft, etwa für das Management von Naturgefahren sowie der Wasser- und Energiewirtschaft. Die Studierenden der KU wiederum haben die Möglichkeit aktiv in der Forschung mitzuarbeiten und in den Lehrveranstaltungen aktuelle Forschungsansätze und –ergebnisse kennenzulernen.

    Für die Forschungsgruppe kooperieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Fachbereiche (Klimatologie, Geographie, Hydrologie, Botanik, Geodäsie) der Universitäten Bremen, München (TU), Innsbruck und Wien (TU) mit den Forschern der KU. Die DFG fördert das Verbundprojekt „SEHAG (SEnsitivität HochAlpiner Geosysteme gegenüber dem Klimawandel seit 1850)“ für eine Dauer von in der Regel zweimal drei Jahren. Für die ersten drei Jahre wurden zwei Millionen Euro für das Gesamtprojekt bewilligt, mehr als 920.000 Euro davon für die Teilprojekte der KU um das Team von Prof. Dr. Michael Becht, Privatdozent Dr. Florian Haas und Privatdozent Dr. Tobias Heckmann. In ganz Deutschland hat die DFG in diesem Jahr lediglich 17 Forschungsgruppen bewilligt, denen ein aufwändiges Beantragungsverfahren zugrunde liegt. Dieses nahm für SEHAG drei Jahre an Vorbereitungszeit in Anspruch.

    „Wir freuen uns sehr über die Bewilligung der ersten Forschungsgruppe unter Leitung der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und sehen dies als wichtigen Baustein zur Mitgliedschaft in der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die Zusammenarbeit mit den weiteren beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Verbundprojektes ist darüber hinaus ein wertvoller Beitrag zur weiteren Vernetzung der KU “, sagt KU-Präsidentin Prof. Dr. Gabriele Gien.

    Die Forschungsgruppe befasst sich primär nicht mit dem Klimawandel selbst, der in den Alpen anhand von historischen Wetteraufzeichnungen sehr gut dokumentiert ist. Dabei zeigt sich, dass die Erwärmung im Alpenraum die Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur deutlich übersteigt. „Vielmehr wollen wir Prozesse untersuchen, die durch Niederschlag und Temperatur angetrieben oder beeinflusst werden und sich im Rahmen des Klimawandels entsprechend verändern können“, erklärt der Sprecher der Forschungsgruppe Prof. Dr. Michael Becht. Gemeint sind vor allem Veränderungen der Vegetation (Anstieg der Baumgrenze), der Kryosphäre (Permafrost, Schnee und Lawinenaktivität), der Gletscher, des Abflusses in Bächen und Flüssen, sowie der Prozesse, die die Erdoberfläche formen (z.B. Steinschlag, Muren, Abtrag am Hang und in Fließgewässern). Außerdem sollen Wechselwirkungen dieser Veränderungen in den Blick genommen werden. Auch geht es um die Frage, ob und wie lokale Veränderungen von einem Gebietsteil zum nächsten weitergegeben werden und damit auch die meist besiedelten Gebiete unterhalb der Hochlagen betreffen können (z.B. durch die Verfüllung von Stauseen infolge höheren Sedimenttransports oder durch Naturgefahrenprozesse). Die Forschungsgruppe wird ihre Untersuchungen im Martelltal (Südtirol) sowie im Horlachtal und im Kaunertal (Österreich) durchführen.

    Als Grundlage für einen Ausblick in die Zukunft muss zunächst ein Verständnis für Veränderungen in der Vergangenheit und ihre Ursachen erarbeitet und verbessert werden. Dazu wird in einer ersten Projektphase erforscht, ob und wie sich die genannten Phänomene und Prozesse seit dem Ende der „Kleinen Eiszeit“ (ca. 1850) mit den klimatischen Veränderungen gewandelt haben. Die Forschungsgruppe bedient sich hierbei einerseits Modellrechnungen, die vorhandene historische Datenreihen miteinbeziehen (sog. Reanalysen), um den Verlauf der Witterung sowie klimatische Veränderungen auf lokalem Maßstab, das heißt in den konkreten Untersuchungsgebieten, besser nachvollziehen zu können.

    Eine wichtige Säule der Rekonstruktion von Veränderungen infolge dieses Wandels stellen historische Fotografien dar: „Das Ende der Kleinen Eiszeit fällt nicht nur mit einem verstärkten Klimawandel zusammen, sondern auch mit dem Aufkommen des Alpinen Tourismus und der Fotografie. In den Archiven von Gemeinden, Schutzhütten oder Vereinen lagern zahllose Fotos, die zum Teil bis zum Beginn des Untersuchungszeitraums zurückreichen und beispielsweise die damalige Ausdehnung der Gletscher dokumentieren“, erklärt Privatdozent Dr. Tobias Heckmann. Bereits mit dem ersten Weltkrieg habe die Luftbildfotografie eingesetzt. Ab ca. 1950 seien flächendeckende Luftbildserien der Untersuchungsgebiete vorhanden. „Es gilt also, die in den Archiven vorhandenen Dokumente zu recherchieren, zu digitalisieren und systematisch auszuwerten. Mit photogrammetrischen Methoden werden die historischen Fotografien auch quantitativ auswertbar: Dies reicht von der Kartierung von Vegetation, Gletschern und bestimmten Geländeeigenschaften bis hin zur Erstellung digitaler Geländemodelle, anhand von denen Oberflächenveränderungen gegenüber der Gegenwart mit Dezimeter- bis Metergenauigkeit vermessen werden können“, ergänzt Privatdozent Dr. Florian Haas.

    Die aktuelle Dynamik in den Untersuchungsgebieten wird während der Projektlaufzeit mit Hightechmethoden erfasst: Laserscanner vermessen Oberflächen in hoher räumlicher Auflösung und Genauigkeit, Klimastationen erfassen zahlreiche Messgrößen, Abflusspegel zeichnen den Verlauf von Wasserstand und Abflussmenge in Bächen auf, und mithilfe von Drohnen können aus der Luft hochauflösende Fotos geschossen werden, die wiederum die Grundlage für hochgenaue Messungen und Karten bilden. Mithilfe des verbesserten Verständnisses der historischen Veränderungen und der aktuellen Dynamik wird eine zweite Phase des Forschungsprojekts versuchen, mittelfristige Veränderungen in den betrachteten Hochgebirgssystemen mithilfe von Modellen vorherzusagen – eine wichtige Grundlage für Anpassungsstrategien in der Zukunft.

    Wer historische Fotos aus den genannten Untersuchungsgebieten besitzt – mit „historisch“ ist grundsätzlich die Vergangenheit gemeint, interessant sind also nicht nur Bilder aus dem 19. Jahrhundert – und der Forschungsgruppe zur Verfügung stellen möchte, kann sich mit dem Koordinator der Forschungsgruppe in Verbindung zu setzen (michael.becht@ku.de).


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Michael Becht (michael.becht@ku.de; Tel. 08421/932-1302)


    Bilder

    (v.l.) Die Eichstätter Mitglieder der DFG-Forschungsgruppe mit Privatdozent Dr. Florian Haas, Projektleiter Prof. Dr. Michael Becht und Privatdozent Dr. Tobias Heckmann.
    (v.l.) Die Eichstätter Mitglieder der DFG-Forschungsgruppe mit Privatdozent Dr. Florian Haas, Projek ...
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Bauwesen / Architektur, Geowissenschaften, Meer / Klima, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    (v.l.) Die Eichstätter Mitglieder der DFG-Forschungsgruppe mit Privatdozent Dr. Florian Haas, Projektleiter Prof. Dr. Michael Becht und Privatdozent Dr. Tobias Heckmann.


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