FAO: KRISE AUF INTERNATIONALEN
FINANZMÄRKTEN VERSCHÄRFT
HUNGER UND UNTERERNÄHRUNG
Bonn, 16. Oktober - Wegen der anhaltenden internationalen Finanzkrise werden sich Armut und Unterernährung in zahlreichen Entwicklungsländern weiter ausbreiten. Darauf hat der Beigeordnete Generaldirektor der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), Hartwig de Haen, am Freitag in Bonn anlässlich des Welternährungstages 1998 hingewiesen. De Haen warnte aber gleichzeitig vor der Forderung nach mehr staatlichen Kontrollen und Protektion im internationalen Agrarhandel.
Als Beispiel für die schweren Folgen der Krise nannte de Haen Indonesien, wo inzwischen die Hälfte der Bevölkerung, rund 100 Millionen Menschen, unter der Armutsgrenze lebt. Arbeitslosigkeit, Preissteigerungen und die Verteuerung von Einfuhren sowie durch El Nino bedingte Ernteausfälle hätten zur Ernährungskrise geführt.
Zum ersten Mal seit vielen Jahren sei das Land auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen und benötige bis zum kommenden Frühjahr rund 7,5 Millionen Tonnen. Die Unterernährung von Schwangeren und Kleinkindern steige dramatisch an.
"Es war mit Blick auf die Ernährungssicherheit unverantwortlich, das Land dem Zustrom flüssiger internationaler Finanzmittel zu öffnen, ohne die notwendigen Aufsichts- und Sicherheitssysteme zu schaffen", sagte de Haen. Es sei in vielen Ländern versäumt worden, die Landwirtschaft krisenfest und anpassungsfähig zu halten.
"Anpassungsfähigkeit bedeutet nicht nur, dass ein Land Nahrungs- und Finanzreserven für den Fall einer Krise bereithält, sondern auch, dass die Flächen und Wasserressourcen auf die Produktion von Grundnahrungsmitteln umstellbar bleiben. Frauen und Männer müssen gleichen und sicheren Zugang zu Ressourcen haben", sagte de Haen. Ohne eine gleichberechtigte Mitwirkung der Frauen könne der Hunger in den Entwicklungsländern nicht beseitigt werden.
De Haen forderte, bei der Liberalisierung des Weltagrarhandels die Interessen der 66 ärmsten und auf Nahrungsmittelhilfeimporte angewiesenen Staaten nicht zu vernachlässigen. Ihnen müssten grössere Übergangszeiten gewährt und Hilfe zur Selbsthilfe geleistet werden.
"Die Ursachen der gegenwärtigen Krise liegen vor allem in der massiven, vielfach von Spekulation motivierten und durch lokale Institutionen nicht kontrollierten internationalen Bewegung von Finanzmitteln. Daraus sollte aber jetzt nicht der Schluss gezogen werden, mehr staatliche Kontrolle und Protektion im internationalen Handel mit Nahrungsmitteln einzuführen", betonte de Haen.
"Freier Agrarhandel muss keineswegs nachteilig für die Ernährungsicherheit der auf Nahrungsimporte angewiesenen Länder sein. Sie haben im Rahmen des Welthandelssystems genügend Spielräume, eigene nationale Ernährungssicherungsziele zu verfolgen. Ein freierer Agrarhandel ist langfristig vorteilhaft, wenn die Marktsignale an die eigene Landwirtschaft weitergeleitet und die notwendigen Investitionen in nachhaltige Produktions- und Marktinfrastruktur realisiert werden. Für die Bäuerinnen und Bauern in den Entwicklungsländern sind gesicherte Produktionsbedingungen und faire Chancen am Markt existenznotwendig", sagte de Haen. "Wir brauchen eine Stärkung der ländlichen Gebiete, um den Menschen bessere Perspektiven zum Überleben zu geben".
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Der Vortrag wurde am Freitag vor der Arbeitsgemeinschaft für tropische und subtropische Agrarforschung im Kunstmuseum Bonn anlässlich des Welternährungstages 1998 gehalten.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Tier / Land / Forst, Wirtschaft
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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