idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
19.11.2018 17:01

Macht ohne Muskeln – Warum bei Hyänen die Frauen dominieren

Dipl.-Geogr. Anja Wirsing Pressestelle des Forschungsverbundes Berlin e.V.
Forschungsverbund Berlin e.V.

    In vielen Tiergesellschaften gibt es eine klare Hierarchie der Geschlechter. Dominiert dabei immer das aggressivere oder stärkere Geschlecht, wie allgemein angenommen wird? Nein! Eine neue Studie an wilden Tüpfelhyänen zeigt, dass bei diesen gruppenlebenden Großraubtieren die Weibchen dominieren, weil sie auf größere Unterstützung durch Artgenossen zählen können. Unterschiede in individuellen Eigenschaften wie Aggressivität oder körperliche Stärke spielen keine Rolle.

    Tüpfelhyänenmännchen erhalten weniger soziale Unterstützung als ihre weiblichen Artgenossen, weil sie häufiger den Clan wechseln und dabei ihre sozialen Bindungen verlieren. Die Studie wurde von ForscherInnen des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) und des Institut des Sciences de l’Evolution de Montpellier (ISEM) durchgeführt und in der Fachzeitschrift Nature Ecology & Evolution publiziert.

    Tüpfelhyänenweibchen gelten als Paradebeispiel für mächtige und aggressive Weibchen. Sie sind schwerer als die Männchen, haben stark vermännlichte äußere Genitalien („Pseudohoden“ und einen „Pseudopenis“) und nehmen in der Regel die höchste Position in der Gesellschaft ein. Doch laut der neuen Studie ist es nicht ihre Männlichkeit, die sie ihre männlichen Artgenossen dominieren lässt. „Wenn zwei Hyänen streiten, gewinnt diejenige, die auf mehr soziale Unterstützung zählen kann – unabhängig von Geschlecht, Gröβe oder Aggressivität“, erklärt Oliver Höner, Leiter des Ngorongoro-Hyänenprojektes des Leibniz-IZW. Dies gelte für nahezu alle Auseinandersetzungen in allen denkbaren Kontexten – zwischen im Clan geborenen und zugewanderten Hyänen, zwischen Tieren aus demselben oder verschiedenen Clans und zwischen Individuen gleichen sowie verschiedenen Geschlechts. Die Dominanz der Weibchen liegt also darin begründet, dass sie auf größere soziale Unterstützung zählen können als die Männchen. „Faszinierenderweise wirkt soziale Unterstützung auch dann, wenn keine anderen Hyänen anwesend sind oder sich niemand einmischt“, sagt Colin Vullioud vom Leibniz-IZW. „Letztlich ist das Selbstbewusstsein entscheidend, also wie sicher sich jede Hyäne ist, Unterstützung zu erhalten, wenn sie diese braucht.“

    Für die Studie werteten die WissenschaftlerInnen 4.133 Auseinandersetzungen zwischen 748 Tüpfelhyänen aus den acht Clans des Ngorongoro-Kraters in Tansania über einen Zeitraum von 21 Jahren aus. Um die Anzahl möglicher Unterstützer zweier Kontrahenten zu ermitteln, entwickelten sie einen Algorithmus, der für jedes Clanmitglied bestimmte, welchen der beiden Kontrahenten es unterstützen würde. Der Algorithmus beruht auf vielen Beobachtungen von aktiver Unterstützung und auf den Verwandtschaftsgraden aller Clanmitglieder zueinander. Der genetische Stammbaum der Tüpfelhyänen des Ngorongoro-Kraters gehört zu den umfassendsten Stammbäumen wildlebender Säugetierpopulationen. „Um die Effekte von sozialer Unterstützung und individuellen Eigenschaften zu trennen, mussten wir jeden Effekt einzeln bewerten und dabei die Effekte aller anderen Faktoren berücksichtigen“, erklärt François Rousset vom ISEM, der statistische Methoden für diese Art von Analysen entwickelt hat. „Dabei zeigte sich, dass der Einfluss von Geschlecht und Körpergewicht auf den Ausgang von Auseinandersetzungen vernachlässigbar ist.“

    Männliche und weibliche Hyänen können sich durchschnittlich in den meisten Situationen auf gleich groβe soziale Unterstützung verlassen und dominieren daher gleich viele Auseinandersetzungen mit dem anderen Geschlecht. Die einzige Ausnahme: wenn im Clan geborene Tiere mit zugewanderten Tieren interagieren. „Die Hyänengesellschaft ist stark von Vetternwirtschaft geprägt, unterstützt werden also in erster Linie nahe Verwandte. Einheimische Clanmitglieder leben mit ihren Angehörigen zusammen und haben einen Vorteil gegenüber Zugewanderten, denn diese verlieren ihre sozialen Bande, wenn sie ihren angestammten Clan verlassen“, erläutert Eve Davidian vom Leibniz-IZW. „Und weil die meisten Einwanderer Männchen sind, dominieren bei solchen Auseinandersetzungen fast immer die Weibchen.“ Das Ausmaβ der Weibchen-Dominanz bei Tüpfelhyänen hängt also von der Migrationsneigung der beiden Geschlechter und der demographischen Struktur der Clans ab. Wenn ein Clan einen hohen Anteil zugewanderter Männchen aufweist, ist die Herrschaft der Weibchen fast absolut. Gibt es viele einheimische Männchen, gewinnen Männchen statistisch ebenso häufig Auseinandersetzungen wie Weibchen und die Geschlechter sind gleichermaβen dominant.

    „Zu wissen, was soziale Dominanz und Geschlechterhierarchien verursacht, hilft uns, besser zu verstehen, wie Reproduktionsstrategien, Geschlechterrollen und Geschlechterkonflikte entstehen“, schließt Alexandre Courtiol vom Leibniz-IZW. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Dominanz eines Geschlechts keine direkte Folge des Geschlechts oder geschlechtsspezifischer individueller Eigenschaften sein muss, sondern vom sozialen Umfeld abhängen kann.“ Indem die Wissenschaftler die Schlüsselrolle von sozialer Unterstützung für die Entstehung von Dominanz aufzeigen, tragen sie zu einem vertieften Verständnis für die sozialen Auswirkungen von Vetternwirtschaft, politischen Allianzen sowie von Migration in tierischen und menschlichen Gesellschaften bei.

    Kontakt:
    Jan Zwilling
    Wissenschaftskommunikation
    Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V.
    Alfred-Kowalke-Straße 17
    10315 Berlin
    Tel. +49 (0)30 5168 121
    E-Mail zwilling@izw-berlin.de


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Oliver Höner (Deutsch, Englisch)
    Abteilung Evolutionäre Ökologie
    Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V.
    Alfred-Kowalke-Straße 17
    10315 Berlin
    Tel. +49 (0)30 5168 516
    E-Mail hoener@izw-berlin.de

    Eve Davidian (Französisch, Englisch)
    Abteilung Evolutionäre Ökologie
    Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V.
    Alfred-Kowalke-Straße 17
    10315 Berlin
    Tel. +49 (0)30 899 961 35
    E-Mail davidian@izw-berlin.de


    Originalpublikation:

    Vullioud C*, Davidian E*, Wachter B, Rousset F, Courtiol A#, Höner OP# (2018): Social support drives female dominance in the spotted hyaena. NATURE ECOLOGY & EVOLUTION. DOI: 10.1038/s41559-018-0718-9
    *,# trugen gleich viel bei


    Weitere Informationen:

    http://Ein Kurz-Video über diese Publikation (2min, in englischer Sprache) wird am 19. November auf dem YouTube-Kanal des Ngorongoro Hyena Projects freigeschaltet: https://youtu.be/BowTdu6-XCk
    https://de-ngorongoro.hyena-project.com (Deutsch)
    https://hyena-project.com (Englisch)
    https://fr-ngorongoro.hyena-project.com (Französisch)
    http://www.YouTube.com/HyenaProject
    http://Twitter: @HyenaProject


    Bilder

    Tüpfelhyänen
    Tüpfelhyänen
    Oliver Höner
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
    Biologie, Gesellschaft, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Tüpfelhyänen


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).