idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
14.11.2018 13:48

Höhlenkunst aus der Eiszeit

Antje Karbe Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Tübinger Archäologen entdecken mindestens 12.000 Jahre alte Tierdarstellungen in Frankreich

    Wissenschaftler der Universität Tübingen haben im Osten Frankreichs zwei Höhlen mit prähistorischer Wandkunst entdeckt. Die Gravierungen und Malereien entstanden vor mindestens 12.000 Jahren, frühe moderne Menschen stellten hier unter anderem die Silhouette eines Pferdes und eines hirschartigen Tieres dar. Professor Harald Floss von der Abteilung Ältere Urgeschichte und Quartärökologie und seine Arbeitsgruppe konnten das Alter gemeinsam mit spanischen Kollegen und dank ausgeklügelter Methoden nachweisen. Die Tübinger Wissenschaftler erforschen seit mehr als zwanzig Jahren die Altsteinzeit (Paläolithikum) im Osten Frankreichs, insbesondere in der südlichen Bourgogne ‒ eine Region, in der sich Neandertaler und moderne Menschen vermutlich tatsächlich begegneten.

    Die Höhlen liegen in der Gemeinde Rully im Départment Saône-et-Loire. „Weil die Dichte paläolithischer Fundstellen hier besonders hoch ist, vermuteten die Forscher schon eine Weile eine Bilderhöhle (franz. grotte ornée) in der Region“, erklärt Archäologe Floss. Erstmals in 150 Jahren Urgeschichtsforschung in dieser Region sei nun der Nachweis gelungen, dass die frühen modernen Menschen sich in den dortigen Höhlen zu Eiszeitkunst inspirieren ließen. In den „Grottes d’Agneux“ hinterließen sie mit Steinwerkzeugen und in Form von Malerei Darstellungen von Tieren, darunter ein Pferd und sogenannte Cerviden, hirschartige Tiere.

    Gemeinsam mit dem Archäologen Juan Ruiz von der Universität Cuenca in Spanien, einem Spezialisten für prähistorische Wandkunst, analysierte das Team die Felswände mit modernen Messtechniken. Weil die Darstellungen durch jüngere Graffiti aus dem 16. bis 19. Jahrhundert überdeckt waren, benutzte es zudem spezielle bildbearbeitende Computerprogramme, um die ursprünglichen Werke unter den Schichten rekonstruieren. Außerdem wurden in einer photogrammetrischen Dokumentation viele Einzelfotos der Werke im Computer zusammengesetzt, um einen „plastischen“ Eindruck zu erhalten.

    Mithilfe der Radiokohlenstoffmethode konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Holzkohlen aus der Höhle und damit auch die Entstehung der Bilder auf das Jungpaläolithikum vor mindestens ca. 12.000 Jahren datieren. Bei dieser Methode wird der Zerfall des radioaktiven Kohlenstoffisotops 14C gemessen. Die Bedeutung der Höhlenkunst wurde im Sommer 2018 offiziell von den zuständigen französischen Behörden begutachtet, weitere Forschungen dazu sind geplant.

    Im Département Saône-et-Loire erforschen die Tübinger Wissenschaftler die Übergangsphase von den letzten Neandertalern zu den ersten anatomisch modernen Menschen des Kontinents. Sie fanden dabei unter anderem in der Höhle Verpillière I in Germolles Hinterlassenschaften der letzten Neandertalerkultur (Châtelperronien) in Westeuropa sowie in Saint-Martin-sous-Montaigu ein umfangreiches jungpaläolithisches Jagdlager aus der Zeit vor 25.000 Jahren. Gleichzeitig konnten sie auch die erste europaweite Besiedelung des modernen Menschen in Europa (Aurignacien) in der Region nachweisen. „Die modernen Menschen orientierten sich bei ihrer Ausbreitung an Flüssen“, sagt Harald Floss. „Vermutlich wanderten sie vom Osten über die Donau und vom Süden über die Rhône nach Europa ein. Unsere Daten legen nahe, dass sich Neandertaler und moderne Menschen hier, im Osten Frankreichs, direkt begegnet sein könnten.“

    An den langjährigen Ausgrabungen des Tübinger Archäologen in Frankreich haben über die Jahre insgesamt ca. 600 Studierende der Universität Tübingen teilgenommen. Rund 30 Abschlussarbeiten entstanden im Rahmen dieser Forschung, von der Bachelorarbeit bis zur Dissertation.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Harald Floss, Andreas Pastoors (Eds.): Palaeolithic rock and cave art in Central Europe?, Verlag Marie Leidorf, Rahden, 2018.


    Originalpublikation:

    Prof. Dr. Harald Floss
    Universität Tübingen
    Abteilung Ältere Urgeschichte und Quartärökologie
    Telefon +49 7071 29-78916
    Harald.Floss@uni-tuebingen.de


    Bilder

    Gravierung eines hirschartigen Tieres in der Höhle Agneux II, Rully, Saône-et-Loire, Frankreich, oben Originalfoto, unten Nachzeichnung.
    Gravierung eines hirschartigen Tieres in der Höhle Agneux II, Rully, Saône-et-Loire, Frankreich, obe ...
    Abbildung: Christian Hoyer, Arbeitsgruppe Floss, Universität Tübingen
    None

    Malerei eines Pferdevorderkörpers in der Höhle  Agneux I, Rully, Saône-et-Loire, Frankreich, unten rechts Vergrößerung des Tierkopfes
    Malerei eines Pferdevorderkörpers in der Höhle Agneux I, Rully, Saône-et-Loire, Frankreich, unten r ...
    Abbildung: Christian Hoyer, Arbeitsgruppe Floss, Universität Tübingen
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Geschichte / Archäologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Gravierung eines hirschartigen Tieres in der Höhle Agneux II, Rully, Saône-et-Loire, Frankreich, oben Originalfoto, unten Nachzeichnung.


    Zum Download

    x

    Malerei eines Pferdevorderkörpers in der Höhle Agneux I, Rully, Saône-et-Loire, Frankreich, unten rechts Vergrößerung des Tierkopfes


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).