Einem internationalen Team um Forscher des LMU-Klinikums in München ist es erstmals gelungen, genetisch veränderte Schweineherzen lebenserhaltend langfristig in Paviane zu verpflanzen. Das Pavianherz wurde mithin durch ein Schweineorgan ersetzt.
Das Problem des Organmangels wird immer ernster: 2017 standen in Deutschland nur 769 Spenderorgane zur Verfügung, um Patienten mit lebensbedrohlichen Erkrankungen – unter anderem am Herzen - mit einer Transplantation zu behandeln. Ein historischer Tiefstand! „Ich sehe auch nicht, dass sich der Trend grundlegend umkehren wird“, prognostiziert Bruno Reichart, emeritierter Professor vom Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Mithin braucht es Alternativen, das weiß nicht nur der bekannte Herzchirurg. Mit einem interdisziplinären Team aus Wissenschaftlern arbeitet Reichart seit zwei Jahrzehnten an der „Xenotransplantation“. Konkret: der Verpflanzung von genmodifizierten Schweineherzen zunächst in Affen und letztendlich in Menschen. Den Forschern ist jetzt ein entscheidender Zwischenschritt zum vielleicht finalen Erfolg gelungen: Paviane mit transplantierten, genetisch modifizierten Schweineherzen überlebten bis zu sechseinhalb Monate. „Das war ein Ersatz des Herzens, das ist das Neue!“, sagt Bruno Reichart. Bislang starben in entsprechenden Versuchen etwa 60 Prozent der Tiere binnen zwei Tagen. Die Ergebnisse des Teams wurden jetzt im renommierten Wissenschaftsmagazin „Nature“ veröffentlicht.
Die Kunst der Organerhaltung
Bisher wurden die Schweineherzen nach der Entnahme einmal mit Lösung durchströmt und dann nur auf Eis gelagert, bis sie den Pavianen verpflanzt wurden. Das entspricht der gängigen Technik bei klinischen Herztransplantationen. Doch vor kurzem dämmerte es den Wissenschaftlern, dass Schweineherzen, wie Reichart erklärt, „nach der Entnahme schwieriger zu erhalten sind als Menschenherzen.“ Die Kunst der Organerhaltung liegt in einem neuen Procedere, bei der das Organ „bei acht Grad Kälte andauernd, während der Implantation alle fünfzehn Minuten mit Sauerstoff und einer speziellen Nährlösung versorgt wird.“ Und zwar über eine spezielle Herz-Lungen-Maschine von Experten der Universität im schwedischen Lund. In aller Ruhe können die Ärzte nun den Empfänger des Organs vorbereiten und dann das Schweineherz einsetzen. „Es schlägt dann in den Pavianen von der ersten Sekunde an gut und regelmäßig“, erklärt der Münchner Arzt weiter.
Zweiter Schlüssel des jetzigen Erfolgs: Die Forscher erkannten, dass die Spender-Herzen entsprechend der Größe von Schweinen wachsen und den Brustkorb eines Pavians rasch sprengen. Dann wird die benachbarte Leber gestaut und versagt. Doch durch die Gabe eines bestimmten Medikaments (Rapamycin) ließ sich das Herzwachstum stoppen. Letztendlich überlebten bei guter bis bester Gesundheit vier von fünf Pavianen mindestens drei Monate lang (maximal sechs Monate).
Moderate Immunsuppression nach der Transplantation
Das Erbgut der Spenderschweine haben die Experten um Eckhard Wolf vom Genzentrum der LMU zusammen mit einem amerikanischen Team dreifach verändert. Die Modifikationen zielen darauf ab, die Blutgerinnung zu modulieren und die heftigen Abstoßungsreaktionen zu unterdrücken, die ein Empfänger gegen Organe aus einer anderen Tierart entwickelt. Erstaunlicherweise brauchten die Paviane dann nach der Transplantation nicht jene immununterdrückenden Medikamente, die nach der Transplantation menschlicher Spenderorgane gegeben werden müssen.
„Das wäre ein großer Vorteil der Xenotransplantation“, sagt Prof. Reichart, „denn diese Medikamente zerstören in einem bedeutenden Prozentsatz auf Dauer die Nieren der Empfänger.“ Die Paviane benötigten lediglich einen Antikörper und ein weiteres Medikament, die ihr Immunsystem dämpfen. Weitere Vorteile der Xenotransplantation: Der Nachschub an Spenderherzen wäre gesichert. Und eine Transplantation würde zu einer planbaren Operation werden.
Die Frage aller Fragen
Die Wissenschaftler wollen jetzt daran arbeiten, die Spenderherzen und das Procedere der Xenotransplantation weiter zu verbessern – um die mikrobiologische Sicherheit zu gewährleisten. Wie bisher werden auch die künftigen Studien unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Wann der erste Patient mit einem solchen Herzen im Rahmen einer klinischen Studie behandelt wird, ahnt Reichart bereits: „In drei Jahren sollten wir soweit sein.“
Prof. Dr. med. Bruno Reichart
Klinikum der Universität München (LMU)
Transregional Collaborative Research Center 127
E-Mail: bruno.reichart@med.uni-muenchen.de
Link zur Publikation:
http://dx.doi.org/10.1038/s41586-018-0765-z
Illustration Herz
Klinikum der Universität München
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