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23.10.2003 09:57

Der Prozessor erhält ein Gedächtnis

Josef Zens Unternehmenskommunikaton des Forschungsverbundes Berlin e.V.
Forschungsverbund Berlin e.V.

    Die Basis des "Chamäleon-Prozessors" funktioniert im Experiment. Forscher des Paul-Drude-Instituts für Festkörperelektronik haben weitere Studie veröffentlicht

    Die Erfinder des magnetischen "Chamäleon-Prozessors" haben selbst bereits nachgewiesen, dass ihr Konzept nicht nur in der Theorie funktioniert. Dieser neuartige Prozessor vereint den Speicher mit der logischen Funktionalität der Recheneinheit - so, als ob die Festplatte rechnen könnte. Das Konzept dazu hatten Forscher des Berliner Paul-Drude-Instituts für Festkörperelektronik kürzlich im Wissenschaftsjournal "Nature" vorgestellt (siehe auch Pressemitteilung unter www.fv-berlin.de/news/63chip.htm). Die Studie fand ein großes Medienecho.

    Weniger hohe Wellen schlug ein Fachartikel in der Zeitschrift Physical Review Letters, in dem eine Reihe von Experimenten zur so genannten Magnetologik dokumentiert ist. Doch diese Studie kann als experimenteller Nachweis für das veröffentlichte Konzept des magnetischen Chamäleon-Prozessors angesehen werden.

    Worum geht es? Der Leiter der Arbeitsgruppe am PDI, Reinhold Koch, erläutert die Hintergründe: "Herkömmliche Prozessoren arbeiten mit elektrischem Strom, den sie entweder passieren lassen oder nicht." Gesteuert wird dies durch eine angelegte elektrische Spannung. Es handelt sich also um Schalter, üblicherweise Transistoren auf der Basis von Halbleitermaterialien wie Silizium. Derzeit basieren sowohl die schnellen dynamischen Speicher (DRAM) als auch die Logikelemente im Prozessor auf dieser Technologie. Seit einigen Jahren gibt es Überlegungen, nicht nur die elektrische Ladung als digitale Information (0 und 1) zu verwenden, sondern auch die magnetische Eigenschaft des Elektrons, den "Spin", zu nutzen. "Die Funktionalität des Transistors kann damit erweitert werden", erläutert Koch.

    Weltweit arbeiten viele Wissenschaftler auf dem Gebiet der "Spintronik" daran, die Spininformation möglichst effizient in den Halbleiter zu bringen. Einen ganz neuen Ansatz verfolgt die "Magnetologik", bei der magnetoresistive Elemente als Logikeinheiten fungieren. Der Trick: Ferromagnetische Materialien, die durch eine unmagnetische Schicht getrennt werden, zeigen einen unterscheidbaren Widerstand in Abhängigkeit von der Orientierung der Magnetisierung (parallel oder antiparallel). Erste schnelle magnetische Speicherelemente (MRAM), die nach diesem Prinzip arbeiten, werden 2005 auf dem Markt kommen und die bisherigen dynamischen Speicher (DRAM) ablösen. Der große Vorteil der magnetischen Speicher: Sie speichern nicht nur, sondern sie können auch "rechnen", da unterschiedliche magnetische Ausgangszustände durch die Nichtflüchtigkeit der Information für die Ausführung von Logikoperationen ausgenutzt werden können.

    Im Frühjahr 2003 nun entdeckten die Wissenschaftler des PDI, dass ein dünner Film aus Manganarsenid (MnAs) auf einem Substrat von Galliumarsenid (GaAs) als logischer Schalter mit gleichzeitiger Speicherfunktion dienen kann. Der Film wird per Molekularstrahlepitaxie erzeugt, ein gebräuchliches Verfahren zur extrem dünnen Beschichtung. Wie mit einem Zerstäuber werden Mangan- und Arsen-Atome aufgebracht und bilden eine dünne Lage. Dünn heißt in diesem Fall 60 Nanometer, also sechzig Millionstel Millimeter (0,00006 Millimeter). Die hergestellte MnAs-Schicht ist, wie seit langem bekannt, am leichtesten in der Filmebene zu magnetisieren.

    Die Berliner Wissenschaftler entdeckten, dass die leichte Magnetisierung des Films nicht nur mit einem parallelen Magnetfeld, sondern auch mit einem senkrechten Feld umgeschaltet werden kann. Sie erkannten, dass es durch diese Kopplung möglich ist, ein Logik-Bauelement mit zwei unabhängige Inputs aufzubauen. Durch geeignete Auswahl der Magnetfelder gelang es den Wissenschaftlern, sowohl die UND als auch die ODER-Logikfunktion im Labor zu realisieren. Ihr winziges Plättchen funktionierte wie ein Halbleiter-Transistor und behielt die eingegebene Information wie ein Magnet-Speicher auch nach Ausschalten des Stroms. Dabei ist besonders bemerkenswert, dass die Funktionalität des Bauelementes durch einen Setz-Schritt in Echtzeit programmiert werden kann. "Fügt man eine zweite magnetische Schicht hinzu wie im MRAM", ergänzt Carsten Pampuch, "ist die Verneinung der Logikfunktion ebenfalls zu realisieren." Somit stehen alle vier Basisfunktionen (UND; ODER; NICHT-UND; NICHT-ODER) für die Anwendung zur Verfügung. Des weiteren lassen sich durch das senkrechte Schaltfeld neue Konzepte für den Aufbau von MRAM-Strukturen realisieren. Magnetische Bauelemente eröffnen völlig neue Möglichkeiten in der Elektronik: magnetische Prozessoren verbrauchen weniger Strom, erhitzen sich weniger, können ihre Funktionalität verändern und sie erhalten ein "Gedächtnis". Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass so ein Prozessor mit Gedächtnis der Forschung auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz und der selbst lernenden Systeme neue Impulse gibt.

    Quellen: "Magnetologic with alpha-MnAs Thin Films" von C. Pampuch et al. in Physical Review Letters, Band 91, Nr. 14
    "Programmable computing with a single magentoresistive element" von A. Ney et al. in NATURE, Bd. 425, S. 485

    Weitere Informationen:
    Reinhold Koch, PDI, 030 / 20377-414
    Andreas Ney, PDI, 030 / 20377-266
    Carsten Pampuch, PDI, 030 / 20377-266

    Das Paul-Drude-Institut für Festkörperelektronik (PDI) arbeitet auf dem Gebiet der Materialwissenschaften und der Festkörperphysik von niederdimensionalen Systemen. Das atomar-kontrollierte Wachstum von III-V-Halbleitern mittels Molekularstrahlepitaxie ist für das PDI die Grundlage für die Entwicklung neuer Materialien und Materialkombinationen. Diese werden eingesetzt, um vorhandene Bauelemente mit verbesserten Parametern herzustellen bzw. um neue Bauelemente zu entwickeln.

    Schwerpunkte des Forschungsprogramms sind: Direkte Synthese von neuen niederdimensionalen Systemen und Nanostrukturen, Quantenkaskadenlaser, neue Halbleiter-Ferromagnet-Hybridstrukturen für die Informationsverarbeitung, Gruppe-III-Nitride für UV- bis IR-Emitter sowie dynamische Kontrolle der Elektronen, Photonen und des Spins durch akustische Oberflächenwellen. Alle diese Vorhaben sind von großer Relevanz für die zukünftige Technik der Kommunikations-Infrastruktur. Das PDI ist Teil des Forschungsverbundes Berlin e.V. (FVB).

    Im Forschungsverbund Berlin sind acht natur-, umwelt- und lebenswissenschaftlich orientierte Institute zusammengeschlossen, die wissenschaftlich eigenständig sind, aber im Rahmen einer einheitlichen Rechtspersönlichkeit gemeinsame Interessen vertreten. Alle Institute des FVB gehören zur Leibniz-Gemeinschaft.


    Weitere Informationen:

    http://www.fv-berlin.de/news/63chip.htm
    http://www.pdi-berlin.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Elektrotechnik, Energie, Informationstechnik, Maschinenbau, Mathematik, Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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