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08.02.2019 00:30

Tuberkulose: Hohe Sterblichkeitsrate wegen ungenügender Tests

Nathalie Matter Corporate Communication
Universität Bern

    Ungenügende Tests bei Tuberkulosekranken in Entwicklungsländern zeigen Resistenzen gegen Medikamente zu wenig an, was zu einer falschen Behandlung und zu einer höheren Sterblichkeit führt. Dies konnten Forschende unter Leitung der Universität Bern belegen.

    Weltweit erkranken jährlich etwa zehn Millionen Menschen an Tuberkulose; mehr als 1,5 Millionen Menschen sterben daran. 87% der Betroffenen befinden sich in oder stammen aus Entwicklungsländern. Die Resistenz gegen Tuberkulose-Antibiotika sowie die Ausbreitung von multiresistenten Keimen ist laut WHO eines der grössten globalen Gesundheitsprobleme. Die WHO sieht dringenden Handlungsbedarf bei der Qualität und Abdeckung der Diagnose und Behandlung von medikamentenresistenter Tuberkulose.

    Genau hier setzte eine vergleichende Studie unter Leitung des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) der Universität Bern an. Sie verglich die Werte von Tests, die bei Patientinnen und Patienten in Entwicklungsländern mögliche Resistenzen ermitteln sollten, mit den Resultaten des Schweizer Tuberkulose-Referenzlabors in Zürich. Die Forschenden konnten erstmals zeigen, dass mit den Tests vor Ort viele Resistenzen unentdeckt bleiben, was zu einer falschen Behandlung der Kranken und entsprechend zu mehr Todesfällen führt. Die Resultate wurden im Journal «The Lancet Infectious Diseases» publiziert.

    Fast doppelt so hohe Sterblichkeitsrate

    In einer aufwendigen Studie sammelten und untersuchten die Forschenden über vier Jahre Proben und klinische Daten von 634 Patientinnen und Patienten aus stark betroffenen Ländern: Elfenbeinküste, Kongo, Kenia, Nigeria, Südafrika, Peru und Thailand. Die so erhaltenen Proben des bakteriellen Erregers Mycobacterium tuberculosis (Mtb) liessen sie am Nationalen Zentrum für Mykobakterien an der Universität Zürich analysieren. Dieses diente als Referenzlabor und verglich die eigenen Ergebnisse mit denjenigen der Resistenz-Tests aus den verschiedenen Ländern.

    Gemäss dem Referenzlabor zeigte sich, dass 7% der Bakterienkulturen monoresistent waren, 26% multiresistent, und 5% waren extrem resistent. In 20% der Fälle gab es Abweichungen zwischen den Laboren vor Ort und dem Referenzlabor. Von denjenigen Patientinnen und Patienten, bei denen Resistenzen nicht entdeckt wurden, und die daher ungenügend behandelt wurden, starben 53%. Die Sterblichkeitsrate war bei Patientinnen und Patienten, bei denen eine Abweichung zwischen den Testresultaten festgestellt wurde, fast doppelt so hoch als bei solchen, bei denen die Testresultate übereinstimmten.

    Es braucht neue Tests

    «Patientinnen und Patienten mit medikamentenresistenter Tuberkulose sind auf rasche Tests, auf einen unmittelbaren Start und vollständigen Abschluss einer Behandlung angewiesen», sagt Kathrin Zürcher vom ISPM, Ko-Erstautorin der Studie. Die Behandlung einer medikamentenresistenten Tuberkulose dauert aber bis zu zwei Jahre und ist teuer, zudem mit vielen Nebenwirkungen versehen, und weist eine Erfolgsrate von rund 60% auf. «Umso wichtiger wäre eine korrekte Diagnose in den am stärksten betroffenen Ländern», sagt Kathrin Zürcher. Die kultur-basierten Resistenz-Tests entsprechen zwar den bisherigen Empfehlungen der WHO, sind aber ebenso zeit- und ressourcenintensiv: Resultate gibt es erst nach 8 Wochen, was einen raschen Start der richtigen Behandlung verunmöglicht. «Es braucht neue, umfassende molekulare Point-of-Care-Tests, die innerhalb von Stunden oder Tagen Resultate liefern», sagt Matthias Egger vom ISPM, Ko-Letztautor.   

    Noch viel Arbeit nötig

    Die Forschenden empfehlen, mehr in diese molekular-basierten Tests zu investieren: «Die Sequenzierung der gesamten Bakterien-DNA ist am vielversprechendsten, um Mutationen und damit Resistenzen zu finden», sagt Marie Ballif, Ko-Erstautorin. «Aber es braucht noch viel Arbeit, um diese Tests in den am schwersten betroffenen Ländern durchführbar und erschwinglich zu machen». In der Zwischenzeit sollte laut den Forschenden die Kapazität der bisherigen, von der WHO empfohlenen Tests verbessert werden, um die Behandlung von medikamentenresistenter Tuberkulose unter den gegebenen Umständen wirksamer zu machen. «Ohne Verbesserung der bestehenden und Investitionen in genauere und schnellere Tests ist die Ausbreitung der medikamentenresistenten Tuberkulose nicht unter Kontrolle zu bringen», sagt Matthias Egger.

    Die Studie ist eine Zusammenarbeit zwischen dem Nationalen Zentrum für Mykobakterien der Universität Zürich, dem Swiss Tropical and Public Health Institute (Swiss TPH) und der International epidemiology Databases to Evaluate AIDS (IeDEA). Weiter wurde die Studie finanziell vom Schweizerischen Nationalfonds SNF und den National Institutes of Health (NIH) der USA unterstützt.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Kathrin Zürcher, MSc
    Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität Bern
    Tel. +41 31 631 38 67 / kathrin.zuercher@ispm.unibe.ch

    Marie Ballif, PhD
    Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität Bern
    Tel. +41 31 631 35 18 / marie.ballif@ispm.unibe.ch

    Prof. Dr. Matthias Egger
    Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität Bern
    Tel. +41 31 631 35 01 / matthias.egger@ispm.unibe.ch


    Originalpublikation:

    Kathrin Zürcher, Marie Ballif et al., on behalf of the International Epidemiology Databases to Evaluate AIDS (IeDEA) collaboration: Drug susceptibility testing and mortality in patients treated for tuberculosis in high-burden countries: a multicentre cohort study. The Lancet Infectious Diseases, 7. Februar 2019, http://dx.doi.org/10.1016/S1473-3099(18)30673-X


    Weitere Informationen:

    https://tinyurl.com/NeueTestsTuberkulose


    Bilder

    Kathrin Zürcher, MSc, ISPM Universität Bern. Bild: zvg
    Kathrin Zürcher, MSc, ISPM Universität Bern. Bild: zvg

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    Prof. Dr. Matthias Egger, ISPM Universität Bern. Bild: Manu Friederich
    Prof. Dr. Matthias Egger, ISPM Universität Bern. Bild: Manu Friederich

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Kathrin Zürcher, MSc, ISPM Universität Bern. Bild: zvg


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