Bertelsmann Stiftung: Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents sollte nicht insgesamt in Frage gestellt werden
Berlin, 24. Oktober 2003. Die Kursbestimmung deutscher Europapolitik steht im Zentrum einer Konferenz der Bertelsmann Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Bundeskanzleramt. Hochrangige Politiker, darunter Bundeskanzler Gerhard Schröder und die CDU-Vorsitzende
Angela Merkel, diskutieren die Eckpunkte der deutschen Verhandlungsstrategie für die weiteren Beratungen zur Verfassung der europäischen Union.
An dem Treffen in Berlin nehmen auch Außenminister Joschka Fischer, der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber, Innenminister Otto Schily, Finanzminister Hans Eichel und der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Schäuble teil. Wie Werner Weidenfeld, Präsidiumsmitglied der Bertelsmann Stiftung, zum Auftakt des Treffens unterstrich, sei es höchste Zeit, eine Positionsbestimmung deutscher Europapolitik für die laufende Regierungskonferenz zur EU-Verfassung vorzunehmen.
Die Bertelsmann Stiftung bringt ihre strategischen Reformüberlegungen über ein Positionspapier in den Spitzendialog ein, das sie gemeinsam mit der Münchner Bertelsmann Forschungsgruppe Politik als Gesprächsgrundlage vorbereitet hat. Darin warnt sie davor, den vom Europäischen Konvent vorgelegten Verfassungsentwurf komplett neu aufzuschnüren. Trotz strittiger Punkte in der innenpolitischen Debatte bilde der Entwurf eine solide Ausgangsbasis für Europas künftige Handlungsfähigkeit und liege deshalb in deutschem Interesse.
Vor allem die Einsetzung eines Präsidenten des Europäischen Rates sowie die Schaffung des Amtes eines Europäischen Außenministers könnten die politische Führung in der erweiterten Union deutlich verbessern. Die damit verbundene Personalisierung europäischer Politik ermögliche zudem eine klarere Zurechenbarkeit von Verantwortung auf EU-Ebene, heißt es in dem Positionspapier. Auch die vereinfachten Abstimmungsregeln, die der Konvent für die Arbeit des Ministerrates vorgeschlagen hat, erhöhen die Entscheidungsfähigkeit des großen Europa.
Da es sich in den Verhandlungen zwischen den EU-Regierungen inzwischen jedoch zeige, dass eine unveränderte Annahme des Konventsentwurfes kein realistisches Ziel mehr sei, plädiert die Stiftung für chirurgische Eingriffe an neuralgischen Punkten. Aufgrund der unterschiedlichen Interessen der EU-Mitgliedstaaten lasse sich nur auf diesem Wege sicherstellen, dass das schlüssige Gesamtpaket des Konventsentwurfs nicht in seiner Substanz in Frage gestellt werde. Ansonsten drohten die aus deutscher Sicht erzielten Fortschritte in den Mühlen der Partikularinteressen zerrieben zu werden. Um eine komplette Neuverhandlung zu verhindern, schlägt die Bertelsmann Stiftung eine gemeinsame Initiative der sechs EU-Gründerstaaten für einen erfolgreichen Abschluss der Regierungskonferenz vor.
Der Europäische Konvent hatte im Juli diesen Jahres seinen Verfassungsentwurf vorgelegt. Seit Anfang Oktober laufen die Regierungsverhandlungen zwischen den 15 derzeitigen und 10 künftigen Mitgliederstaaten, die ab dem 1. Mai 2004 der Union angehören werden. Sie sollen bis spätestens Anfang nächsten Jahres mit der Verabschiedung der neuen Verfassung abgeschlossen werden.
Rückfragen an: Thomas Fischer, Bertelsmann Stiftung, Telefon: 0 172 / 524 31 63
http://www.bertelsmann-stiftung.de
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Politik, Recht
überregional
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