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20.02.2019 15:02

DEGRO fordert: Therapievorteil der Hyperthermie zusätzlich zur Strahlentherapie ausschöpfen

Dr. Bettina Albers Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie e. V.

    Bei definierten Krebsformen, so auch bei lokalisierten Brustkrebs-Rückfällen, ermöglicht ein altes, aber neu entdecktes bzw. heute wissenschaftlich belegbares Verfahren eine deutliche Verbesserung der Therapieeffektivität: Hyperthermie (Wärmebehandlung) macht die Krebszellen empfindlicher für die Strahlentherapie und erhöht so deren Wirksamkeit. „Die Kombination mit Hyperthermie verbessert bei bestimmten Brustkrebsrezidiven gegen über alleiniger Bestrahlung die lokale Tumorkontrollrate um über 20% – das ist für mich ein Grund, das Verfahren allen entsprechend geeigneten Patientinnen anzubieten“, so Prof. Dr. med. Stephan Bodis, Chefarzt am Radio-Onkologie-Zentrum KSA-KSB, Aarau, Schweiz.

    Nach der Therapie einer Brustkrebserkrankung kommt es bei bis zu einem Drittel der Patientinnen, meist innerhalb von fünf Jahren, zu einem lokalen Wiederauftreten des Tumors, besonders, wenn in der Primärtherapie keine adjuvante Bestrahlung enthalten war [1]. Nach Bestrahlung im Rahmen der Primärbehandlung können dennoch 5–15% der Patientinnen betroffen sein. In diesen Situationen kommen – mit kurativer Zielsetzung – therapeutisch erneut Operation und/oder Strahlentherapie mit oder ohne Chemo- oder Hormontherapie zum Einsatz. Auch nach einer vollständigen Entfernung der Brustdrüse können örtliche Rezidive, sogenannte Brustwandrezidive (Thoraxwandrezidive) auftreten, die nicht selten „problematisch zu operieren sind, da oftmals ein Teil des Brustkorbes mit entfernt werden müsste“, erläutert Prof. Dr. med. Stephan Bodis, Chefarzt am Radio-Onkologie-Zentrum KSA-KSB, Aarau, Schweiz.

    Gerade für Brustwandrezidive stellt Bestrahlung eine effektive Therapiemöglichkeit dar. Bei vorbestrahlten Patientinnen muss jedoch eine erneute Radiotherapie mit einer reduzierten Strahlendosis erfolgen, um Nebenwirkungen und Toxizität möglichst gering zu halten. Für diese Situation, aber auch für bestimmte andere Krebserkrankungen, wird an einigen onkologischen Zentren Europas eine Kombination von Bestrahlung mit dem Verfahren der Hyperthermie durchgeführt (Thermo-Radiotherapie). Auch die Kombination mit medikamentösen Krebstherapien ist möglich.

    In der modernen Onkologie wird Hyperthermie nie alleine eingesetzt, sondern in Kombination mit einer Strahlen- und/oder Chemotherapie. Der biologisch-physiologische Effekt der Hyperthermie besteht darin [2, 3], dass sie Tumorzellen empfindlicher macht hinsichtlich der eigentlichen Krebsbehandlung – sowohl Bestrahlung als auch Medikamenten. Dies ist schon in Temperaturbereichen von 41–43°C der Fall, wo gesunde Körperzellen noch relativ wärmeunempfindlich sind, weshalb die Hyperthermie per se bei korrekter Durchführung praktisch ohne Langzeitfolgen einhergeht.
    Der Sensibilisierung der Tumorzellen durch Hyperthermie liegen verschiedene Mechanismen zugrunde: Zum einen werden zelluläre Reparatursysteme gehemmt, zum anderen bilden Tumorzellen verstärkt sogenannte Hitzeschockproteine, die wiederum ein Signal für das körpereigene Immunsystem („natürliche Killerzellen“) darstellen, die nun geschwächten Krebszellen zu zerstören. Als drittes bewirkt Hyperthermie eine Zunahme der Durchblutung im überwärmten Tumorbereich, wodurch zum einen mehr Immunzellen oder auch Chemotherapeutika in den Tumor gelangen und zum anderen die Sauerstoffversorgung der Krebszellen verbessert wird. Unter Anwesenheit von Sauerstoff kommt es dann bei einer Bestrahlung zu einer verstärkten chemischen Radikalbildung (Moleküle mit großer Reaktionsfreudigkeit), was zur Zerstörung von Krebszellen weiter beiträgt.

    Die praktische Durchführung einer Hyperthermie ist zeitintensiv (mit Vorbereitungszeit ca. 1,5 Stunden 1–2mal wöchentlich über 3–6 Wochen) und muss in räumlicher Nähe der Strahlentherapie-Einrichtung stattfinden, damit die Thermo- und Radiotherapie ohne unnötigen Zeitabstand erfolgen können. Der nach einer vorherigen CT-gestützten 3D-Planung definierte Tumorbereich wird für eine Stunde durch elektromagnetische Wellen (über ein mit Wasser gefülltes Silikonkissen) kontrolliert auf eine Temperatur von 41,5 bis 43°C erwärmt. Die Behandlung erfolgt immer innerhalb von Studien.

    Eine große Metaanalyse gibt einen detaillierten systematischen Überblick über die Studienlage der letzten 30-40 Jahre [1], sie analysierte und evaluierte gemeinsam aus 34 einzelnen Studien die Effektivität der Thermo-Radiotherapie. Insgesamt wurden über 2.000 Brustkrebs-Patientinnen mit Lokalrezidiv einbezogen, davon sogar fast 1.000 vorbehandelte Frauen. Der untersuchte primäre Endpunkt war die vollständige lokale Tumorkontrolle („complete response“).

    Mit der Thermo-Radiotherapie wurde bei 60-65% der Patientinnen (abhängig vom Studiendesign) eine komplette lokale Remission erzielt; mit alleiniger Radiotherapie nur in ca. 40%. Bei vorbestrahlten Frauen wurde mit der Thermo-Radiotherapie sogar bei über 65% eine Komplettresponse erreicht. Über akute Nebenwirkungen (Grad 3/4) wurde bei knapp 15%, über später auftretende bei 5% der Patientinnen berichtet. Zum Gesamtüberleben konnte keine Auswertung erfolgen, da dies entweder nicht Ziel der Einzelstudien war oder die Nachbeobachtung nicht ausreichend lange erfolgt war. „Die Kombination mit Hyperthermie verbessert bei lokalisierten Brustkrebsrezidiven gegenüber alleiniger Radiotherapie die lokale Tumorkontrollrate um mindestens 20% – sogar zwei Drittel der vorbestrahlten Frauen erreichen darunter mit einer erneuten moderaten Bestrahlung eine Komplettremission, was für mich ein Grund ist, allen entsprechenden Frauen, insbesondere bei Inoperabilität, die Thermo-Radiotherapie anzubieten“, so Prof. Bodis.

    Während bereits in den Niederlanden und in der Schweiz seit letztem Jahr nach einer kritischen Wirtschaftlichkeits-Zweckmäßigkeitsstudie des Bundesamtes für Gesundheit eine Kostenübernahmepflicht für Hyperthermie bei definierten Krebserkrankungen durch die Krankenversicherungen besteht, so werden in Deutschland „...die Kosten für eine Hyperthermie-Behandlung von den Krankenkassen nicht generell übernommen, sondern nur für Behandlungen bestimmter Tumorerkrankungen an Kliniken, die die Qualitätsrichtlinien der European Society for Hyperthermic Oncology (ESHO) erfüllen und die mit den gesetzlichen Krankenkassen entsprechende Verträge vereinbart haben“ [4].
    Laut Pressesprecherin, Univ.-Prof. Dr. med. Stephanie E. Combs, setzt sich die DEGRO für die Kostenübernahme des Verfahrens ein. „Die Datenlage zeigt, dass gerade vorbestrahlte Frauen profitieren – diesen Therapievorteil müssen wir zum Wohle der Patientinnen ausschöpfen.“

    Literatur
    [1] Datta NR, Puric E, Klingbiel D et al. Hyperthermia and Radiation Therapy in Locoregional Recurrent Breast Cancers: A Systematic Review and Meta-analysis. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2016; 94(5): 1073-87
    [2] Stutz E, Puric E, Timm O et al. Hyperthermie in der Krebsbehandlung. Pipette 2017; 6: 13-14
    [3] Stutz E, Datte N, Puric E et al. Stellenwert der regionären Hyperthermie in der Krebstherapie. Swiss Medical Forum 2017; 17(48) 1074-76
    [4] https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/t... (zuletzt aufgerufen am 22.08.2018)].

    DEGRO-Pressestelle
    Dr. Bettina Albers
    Telefon 03643 / 776423
    Mobil 0174 / 2165629


    Weitere Informationen:

    http://www.degro.org


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

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